Zurück aus dem Schneckenhaus - Stress verarbeiten
Interview mit Dagmar Neubronner - 18. Folge
Stress ist "normal", gehört zum Alltag. Schon früh lernen Kinder, begleitet von vertrauten Personen, mit widrigen Situationen umzugehen. Bei zu heftigem Stress schaltet das Gehirn den Verarbeitungsprozess vorübergehend ab, um erst in einer vertrauten, sicheren Situation die Verarbeitung wieder aufzunehmen. Das Kind braucht dafür einen verständnisvollen Erwachsenen, der sich ihm liebevoll zuwendet und hilft, den Stress aufzulösen. Das Kind lernt, mit solchen Situationen zurecht zu kommen, es "trainiert" sein Stressbewältigungssystem.
Wenn aber die hochbelastende Situation andauert oder die Stresssituationen rasch aufeinander folgen, kann der Stress nicht mehr erfolgreich bearbeitet werden. Der Stress wird "toxisch", giftig, und das Stressverarbeitungssystem wird dauerhaft beschädigt. Die für das Leben und Lernen in der Gesellschaft zentral wichtige Fähigkeit, die Gefühlsreaktionen auf belastende Situationen zu regulieren und zu steuern, verständnisvoll auf das Handeln anderer Personen einzugehen, können so verloren gehen - und kann dann nur noch in einem langen, therapeutischen Prozess wiedergewonnen werden.
Während also "Stress" zum normalen Leben und Lernen gehört und es falsch wäre, Kinder um jeden Preis vor Stressituationen bewahren zu wollen, gilt es, wenn irgend möglich, Kinder vor "toxischem" Stress zu schützen oder zumindest in der Gesellschaft Räume zu schaffen, etwa in einem funktionierenden Familienverband, in denen traumatisierte Kinder mit unendlicher Geduld und Einfühlungsvermögen zurück geleitet werden in die Welt des "normalen" Miteinanders.
Dipl.Biol. Dagmar Neubronner, Leiterin von www.neufeldinstitute.de, im Interview. Die Interviews, die an dieser Stelle im Zwei-Wochen-Rhythmus zur Verfügung gestellt werden, führt im Auftrag der Stiftung "Zu-Wendung für Kinder" Jennifer Hein.