Langes Stillen – Natürlich, gesund, bedürfnisorientiert

Seit dem Buch «Wir stillen noch» von Norma Jane Bumgarner, das mich damals darin bestärkt hat, meine Kinder länger als hierzulande üblich zu stillen, erschienen zwar einige Bücher zum Stillen, aber kaum eines, das sich mit dem sogenannten »Langzeitstillen«, was auch immer man unter diesem Begriff versteht, befasst. Insofern füllt Kathrin Burri, Doula und Geburtsbegleiterin, eine große Lücke.

Dieses Buch ist ein wunderbares Plädoyer für ein völlig zu Unrecht verpöntes Thema. Nur wer es nicht selbst erlebt hat, kann auf die absurde Idee kommen, es sei abartig oder unnatürlich, ein Kind länger zu stillen – etwas, was übrigens auch viele Mütter denken, bevor sie selbst in eine längere Stillbeziehung hineinwachsen. Die Erfolgsgeschichte von Homo Sapiens war nur möglich, weil Millionen von Menschenmüttern ihre Kinder über Jahrtausende hinweg zwei, drei oder vier Jahre lang gestillt haben.

Eltern sprechen über ihre Still-Erfahrungen

Aufgrund fehlender Literatur und Studienergebnisse machte sich Katrin Burri selbst auf die Suche nach Antworten, indem sie eine Online-Umfrage startete, bei der sie deutschsprachige Eltern zu allen möglichen Bereichen des Stillens, mit einem Fokus auf das längere Stillen, befragte. Die zahlreichen Aussagen, die sie bekam, wertet sie in ihrem Buch aus.

Die prozentualen Resultate der Umfrage ergänzt Kathrin Burri mit vielen Erfahrungsberichten, dosiertem Fachwissen und eigenen Gedanken. Das Buch, das bereits optisch durch das schöne Layout und die wunderbaren Fotos sehr attraktiv ist, liest sich leicht und flüssig und gibt einen guten Überblick über die verschiedenen Aspekte, die beim längeren Stillen eines Kindes berührt werden. Für Eltern und Fachleute, die keine Erfahrung mit länger gestillten Kindern haben, ist dieses Buch auf jeden Fall eine Bereicherung. Für Stillfachleute hingegen ist es mir zu wenig fundiert und ich würde mir bei einigen Kapiteln eine wissenschaftlich differenziertere Ausführung wünschen.

Stillen – Raum für ambivalente Gefühle

Sehr spannend fand ich das Interview mit der Psychotherapeutin Felizitas Ambauen, die über die ambivalenten Emotionen stillender Mütter, über Trauer und Schuld, welche beim Abstillen aktiviert werden können und über die Bedeutung des Selbstwertes berichtet. Da öffnet sich ein Fenster, das die Tiefe dieses Themas aufzeigt und das auch Trost bietet, wenn frau das Stillen nicht einfach nur positiv erlebt.

Mir ist beim Lesen bewusst geworden, wie viele Facetten das längere Stillen hat. Auch wenn zahlreiche Eltern – und sogar Kinder! – zu Wort kommen und das Buch dadurch sehr bunt ist, hatte ich immer wieder den Eindruck: Das habe ich ganz anders erlebt, diesen und jenen Blickwinkel müsste das Buch auch noch beleuchten! Ich bin überzeugt, dass sich nach wie vor viele Eltern an Kathrin Burri wenden werden und mit all diesen einzigartigen Geschichten entsteht ja dann vielleicht ein neues Buch.

von Sibylle Lüpold