Zwiegespräche bilden Kinder - Photocase © Paulo SousaGibt es so etwas wie einen Mutter-Baby-Dialog, einen wirklichen Austausch zwischen Mutter und Kind? Was wird da ausgetauscht und in welcher Sprache? Und schließlich, welche Bedeutung haben diese Zwiegespräche für die Entwicklung des Babys, für sichere Bindung, Sprachen lernen etc.?

Prof. Ursula Horsch, Säuglingsforscherin, lehrte Früh- und Sonderpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und hat die Vorgänge bei diesem Hin und Her zwischen Mutter und Baby erforscht. Sie und ihr Team haben hunderte solcher Mutter-Kind-Dialoge, aber auch Vater-Kind-Dialoge in Videos festgehalten und analysiert mit überraschenden Beobachtungen und erstaunlichen Ergebnissen. Hier ihr Bericht:

Der frühe Eltern-Kind-Dialog als Grundlage für den Spracherwerb

Bereits vor der Geburt spätestens vom ersten Lebenstag an stehen Eltern mit ihrem Kind in einer sehr engen Beziehung. Für außenstehende Betrachter stellt die Mutter so etwas wie einen Motor dar, der den Prozess initiiert und am Laufen hält. Sie erzählt dem Baby, was sie beide gerade tun, was sie dabei jeweils fühlen und lässt dadurch das Kind an ihrem gemeinsamen Tun und ihren Emotionen teilnehmen. Sie nimmt sensibel wahr, was das Baby ihr zeigen oder sagen möchte, und spricht den Part ihres Kindes, das dazu noch nicht in der Lage ist.

Anders als Jerome Seymour Bruner, einer der bekanntesten Kinderpsychologen, der meint, dass das Kind in dieser Phase noch Zuschauer ist und dann erst Schritt für Schritt zu einem Teilnehmer werden soll, unterstützen die Ergebnisse meiner Studien diese These nicht:

Tatsächlich ist das Kind schon vom ersten Lebenstag an Partner dieses Dialoges. Es ist nicht passiv den Angeboten der Mutter gegenüber, sondern es antwortet ihr durch Strampeln, Lächeln durch Gurren usw. Das Kind ist folglich nicht passiv, sondern von Anfang an Mitgestalter des gemeinsamen Dialogs und der Beziehung. Hand in Hand entwickeln sich darin grundlegende dialogische Kompetenzen, die für den Spracherwerb und den Bildungsprozess von Bedeutung sind.

Das Forschungsprojekt „Dialogische Entwicklung bei Säuglingen“, das wir sowohl in Deutschland, in einigen Staaten der USA sowie in Afrika durchgeführt haben, untersucht den dialogischen Entwicklungsprozess zwischen Eltern und Kind im ersten Lebensjahr mit dem Ziel, den frühen Eltern-Kind-Dialog zu beschreiben und dessen Bedeutung für Sprachentwicklung und Bindung und damit auch für frühkindliche Bildungsprozesse aufzeigen zu können.

In der gegenwärtigen politischen Diskussion spielt frühe Bildung eine ganz zentrale Rolle. Kinder scheinen eine Lobby zu haben, die sie als Zukunftsträger und somit als einen wichtigen Teil unserer Gesellschaft ausweisen. Wie aber sehen diese frühen Bildungsangebote aus und wer macht sie?

Bildungskompetenz beginnt dort, wo Menschen in Beziehung treten

Zwiegespräche bilden Kinder - Photocase © SirNameWird über Bildung gesprochen, werden oftmals klassische Bildungselemente wiedergegeben und nicht immer wird der Unterschied zwischen Bildung und Wissen transparent gemacht. Soziale Kompetenzen wie Empathie, Zuneigung oder Geduld stehen dabei eher selten im Zentrum der Diskussion. In einer Welt, in der jedoch aufgrund der zunehmenden Globalisierung ein enormer Informationszuwachs in fast allen Bereichen zu erkennen ist, muss die Aneignung von Wissen im Sinne von Einzelinformationen in seiner Relevanz in Frage gestellt werden. Um sich in dieser Welt orientieren und zurechtfinden zu können, um darin subjektiv Sinn erfüllt in der Gemeinschaft mit Anderen leben zu können, bedarf es weitreichender Kompetenzen, welche die Kinder dazu befähigen, ihr Leben subjektiv Sinn erfüllt und in der Gemeinschaft mit anderen gestalten zu können.

Der erste und wesentliche Schritt, um diese Kompetenzen zu erwerben, besteht darin, mit der Welt und ihren Menschen in Beziehung zu treten. Erst in der Beziehung mit Menschen, im Dialog und der Welt, werden Menschen und Welt erfahrbar. Dieser erste Schritt in den Dialog vollzieht sich wie oben bereits beschrieben zwischen Eltern und Säugling im alltäglichen Austausch auf der Grundlage ihrer Bindung zueinander. Sind wir Menschen deshalb auf gelingende Beziehungen hin angelegt, und sind Eltern und Säugling folglich von Anfang an auf dieses Miteinander ausgerichtet? Ist der Kern aller Motivation zwischenmenschliche Wertschätzung, Anerkennung, Zuneigung und Zuwendung zu geben und zu finden, in diesen grundlegenden Dialogen gegeben?

Die Basis frühen Lernens sind Bindungsprozesse

Die Vorstellung, dass Bindung und Bildung mit der Geburt beginnt ja, dass Bindung bereits vorgeburtlich entsteht wird heute, im Gegensatz zu früheren Publikationen, in vielen Veröffentlichungen vertreten. Dieses Umdenken wurde nicht zuletzt durch vergleichende internationale Bildungsstudien sowie durch Ergebnisse aus unterschiedlichen Forschungsrichtungen, z. B. der Neurowissenschaften, der Säuglingsforschung oder der Hirnforschung in Gang gesetzt. Wie allerdings diese ersten Bindungsprozesse aussehen und wodurch sie möglich werden, ist immer noch eine offene Frage. Wir wissen zwar viel über Lernschritte im kognitiven, motorischen, sprachlichen und emotionalen Bereich, also hinsichtlich der Inhalte „was gelernt wird“; dieses Wissen genügt jedoch nicht, um bewerten zu können, wie frühe Bindungsprozesse aussehen, die ja die Basis dieses frühen Lernens bilden. Es fehlen noch weitestgehend forschungsbasierte Daten hinsichtlich des Wie von Lernen und Bildung. Auch wenn das Kind sich selbst bildet, sind es die Eltern, die Bildungsanlässe im Dialog schaffen. Die Kernfrage lautet folglich:

Wodurch wird der Dialog zwischen Eltern und Kind gesichert und welche Bildungschancen sind darin enthalten, um für das Kind die bestmögliche Entwicklung zu sichern? Und welcher Faktor spielt die Bindung dabei?

Was verstehen wir unter Dialog?

In den Medien ist heute der Begriff des Dialogs allgegenwärtig und dadurch wird nahegelegt, dass wir alle wissen, was darunter verstanden wird. Politiker suchen den Dialog, um Entspannung zu erreichen, Vertreter der Wirtschaft treten in den Dialog, um auf der geschäftlichen Ebene etwas auszuhandeln, Kulturen treten miteinander in den Dialog, um sich besser zu verstehen, Vertreter von Religionen tun dies ebenso, um sich einander anzunähern oder auch um sich abzugrenzen. Es heißt nicht:

„Die Politiker suchen die Kommunikation.“ oder „Die Politiker suchen die Interaktion.“ Was sie suchen ist der Dialog.

Schon diese wenigen Beispiele zeigen, dass mit Dialog nicht nur gemeint sein kann, dass man miteinander spricht. Offensichtlich gehört mehr dazu, um von einem Dialog sprechen zu können. Es müssen noch bestimmte Haltungen hinzukommen.

Wenn wir nochmals das Beispiel des Dialogs der Kulturen aufgreifen, dann gehen wir doch davon aus, dass sich hierin eine Bereitschaft zeigt, sich mit dieser Kultur auseinander zu setzen, sie verstehen zu wollen, die Werte dieser jeweils anderen Kultur anzuerkennen. Diese Haltungen müssen nicht voll entwickelt sein, wobei sich dieses auch schwer prüfen ließe, aber sie dürfen auch nicht fehlen, sonst ist der Dialog zum Scheitern verurteilt, er würde zum Monolog der Betroffenen, in unserem Beispiel zum Monolog der Kulturen.

Motherese führt das Baby behutsam in die Muttersprache ein

Halten wir also für unsere Überlegungen fest, dass der Dialog mehr ist als der sprachliche Austausch.

Bezogen auf den Dialog zwischen Eltern und Säugling meint sich dialogisch dem Kind zuzuwenden, es beispielsweise auf der Gefühlsebene anzusprechen und den Emotionen einen Raum und auch einen Namen zu geben, d. h. Interesse für das Kind zu zeigen und es ernst zu nehmen, Zärtlichkeiten mit ihm auszutauschen und ebenso seine Angebote wahrzunehmen, im Dialog aufzunehmen und ihm zu antworten. Die Sensibilität der Eltern zeigt sich vor allem in diesen Bereichen.

Unsere Forschungsergebnisse belegen, dass Mütter und Väter vom ersten Lebenstag ihres Kindes an grundlegende dialogische Fähigkeiten zeigen, welche die Bindung zwischen ihnen und ihrem Kind zunehmend stabilisiert wie z. B. es anzusprechen. Und zwar nicht so, wie ich meine Nachbarin oder meinen Freund anspreche, sondern in einer ganz spezifischen nur auf das Kind ausgerichteten Sprache, der Motherese.

Motherese ist eine Sprache, die durch die Sprachmelodie sowie einer grammatisch oftmals verkürzten Sprache – in der das Wichtigste der aktuellen Situation mehrfach wiederholt wird, das Kind ganz feinfühlig in seine Muttersprache einführt.

Gemeinsam auf dem Weg in die große weite Welt

Zwiegespräche bilden Kinder3 - iStock © dusanpetkovicKeine Mutter bekommt Motherese gelehrt und dennoch tun es weltweit nahezu alle Mütter wenn auch auf landesspezifische Weise. Die Bindung zum Kind setzt diesen Prozess in Gang, der dazu führt im Kind einen Partner zu sehen, es willkommen zu heißen, Gefühle mit ihm zu teilen, sich ihm uneingeschränkt zuzuwenden, Emotionen erlebbar zu machen. Babys suchen ebenfalls den Dialog mit der Mutter / dem Vater aber auch schon sehr früh mit anderen Menschen, z. B. mit Oma, Opa und dabei helfen ihnen zahlreiche Kompetenzen wie z. B. die Neugierde und das Interesse an Neuem, den Willen zur Verständigung oder die Fähigkeit, Emotionen wie Freude oder Traurigkeit mit einem Partner zu teilen.

Babys zeigen uns auf ihre Weise: Ich will mitmachen! Mitmachen, etwas miteinander machen, miteinander in den Dialog treten. Das ist das Ziel.

In den von Eltern und Kind gemeinsam erlebten und gestalteten wechselseitigen Begegnungen erwirbt das Kind prozesshaft übergeordnete Kompetenzen und Haltungen wie z. B. Liebe, Akzeptanz und Verantwortung auszubilden oder auch das Wahrnehmen von Glück. Glück, welches das Kind im Dialog mit seinen Eltern erstmals erfahren, selbst erleben und dann wiederum weiterzugeben vermag. Schritt für Schritt wird in dialogischen Interaktionen mit den Eltern der Bildungsprozess vorangebracht. Bildungskriterien werden sichtbar wie z. B. die Bereitschaft und der Wille sich zu verständigen, tolerant zu sein. Ich habe sie oben bereits beschrieben. Dialogfähigkeit ist somit Weg und Ziel früher Bildung gleichermaßen. Sie haben ihre Wurzeln bereits in den frühen Eltern-Kind-Dialogen und ihren Ausgangspunkt in der Bindung zwischen Eltern und Kind.

„Dialogische Entwicklung bei Säuglingen“

Es stellt sich hier erneut die eingangsformulierte Frage, ob wir Menschen auf gelingende Beziehungen hin angelegt sind, die Eltern und Säugling von Anfang an auf dieses Miteinander sich ausrichten lassen und die diesen frühen Dialog von beiden Seiten her erklären könnten. Die Frage nach dem Was: „Was ist erworben und was ist im genetischen Programm des Menschen angelegt“ ist hochinteressant, und es ist an der Forschung hierauf Antworten im Detail zu finden. Derzeit kann man lediglich in Übereinstimmung mit den bereits genannten Wissenschaften festhalten, dass das Kind über weitreichende Kompetenzen schon bei der Geburt verfügt, und dass es diese im Dialog mit seinen Eltern, seinen Geschwistern, Verwandten oder Bekannten und Freunden weiter differenziert und entwickelt.

Beziehung wird als grundlegend für alle Entwicklung angesehen. Um diese These zu untermauern, macht es Sinn auf nahezu uralte Ergebnisse der frühen Studie zur Sprache der Menschheit unter Kaiser Friedrich dem II zu verweisen. Er wollte herausfinden, welches die Ursprache der Menschheit ist und hat deshalb allen Erwachsenen verboten mit den ihnen anvertrauten Säuglingen zu sprechen. Im Grunde hat er ihnen damit verboten, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen, denn alle Ausdrucksformen der Beziehung führen unweigerlich auch zum Einsatz von Sprache. Das Ergebnis ist uns bekannt: alle Kinder starben. Vordergründig könnte man nun sagen, dass die Säuglinge starben, weil sie keine Ansprache hatten. Dies stimmt jedoch nur auf den ersten Blick, bzw. dann, wenn wir Ansprache mit Sprache verwechseln. Viel gravierender hat sich die Beziehungslosigkeit in der Erwachsenen- Kind-Interaktion auf die Entwicklung der Kinder ausgewirkt und diese wirkte letztendlich tödlich.

Beziehung braucht folglich ihre Ausdrucksformen und diese sind, legt man die neueren Forschungsergebnisse zugrunde, in den verschiedenen Elementen des Dialogs gegeben. Diese Feststellung darf jedoch nicht zu dem Umkehrschluss führen, dass die Beziehung endet, wenn zwischen Eltern und Kind aktuell kein Dialog stattfindet, weil beide gerade mit etwas anderem beschäftigt sind. Die Beziehung ist immer vorhanden, sie bildet das „Zwischen“ zwischen Eltern und Kind, wie Martin Buber, bekannt für seine Arbeiten zur Dialogphilosophie, dies bezeichnet. Schließt man sich seinen Überlegungen an, dann lässt sich hier zwischen der Latenz (Vorhandensein einer Sache, die [noch] nicht in Erscheinung getreten ist) und der Aktualität des Dialogs eine treffende Unterscheidung herstellen.

Der Zusammenhang zwischen Dialog, als beobachtbarem Austausch zwischen Eltern und Kind und Beziehung, als eher emotionalem Erleben wird hier nachvollziehbar. Denn ohne Frage will Beziehung gelebt werden, sie kann nicht nur in den Köpfen oder in den Herzen existieren, sondern sie muss konkret werden. Das Kind muss erfahren können, dass seine Eltern es lieben, es gernhaben, für es da sind, zuverlässig sind usw.

Auf dem Hintergrund dieser Überlegungen sind wir in unseren Forschungsprojekten zunächst den nachfolgend genannten Fragen nachgegangen, auf die wir auf der Grundlage videobasierter Analysen erste Antworten hinsichtlich der Ausdrucksformen und den Elementen des Dialogs zwischen Eltern und Kind geben können:

  • Welche Dialogangebote machen die Eltern bzw. der Säugling?
  • Sind diese Angebote verbal oder präverbal also vor dem Spracherwerb liegend?
  • Gibt es Zusammenhänge zwischen den einzelnen Elementen des Dialogs?
  • Wie antworten die Eltern bzw. der Säugling?

Die Studie ist als Langzeitstudie für die Dauer eines Jahres angelegt. Monatlich werden Mutter und Baby während einer Alltagssituation wie dem Füttern, Baden, Wickeln usw. (natural setting) für die Dauer von 10 Minuten videographiert, wobei jeweils die 4. bis 8. Minute analysiert werden.

Im Ergebnis konnten wir eine Reihe von Dialogelementen evaluieren, die wir als grundlegend für eine dialogische Eltern-Kind-Beziehung ansehen und die Bindungsrelevant sind. Es sind dies: der beidseitiger Blickkontakt [1], Motherese/Fatherese [2], Grußmomente [3], Dialogisches Echo [4], zärtliche Gesten, Vokalisation des Kindes, Lächeln, Strampeln, Gurren. In der Qualität und auch in der Häufigkeit, in der diese Dialogelemente gelebt werden, wird Beziehung für beide erfahrbar. In Korrelationsberechnungen konnten wir einen signifikanten Zusammenhang zwischen diesen Elementen nachweisen.

[1] Blickkontakt besteht, wenn beide: Mutter/Vater und Kind sich liebevoll anschauen.

[2] Motherese/Fatherese ist die besondere an das Kind gerichtete Sprache. Sie ist die Aufforderung zum Dialog, ist auf der Beziehungsebene verortet und folgt einer Hör- und Sprach-, Lehr- und Lernstrategie.

[3] Grußmomente der Mutter/ des Vaters sind wie ein Begrüßungsritual, bei dem das Kind durch Anheben der Augenbrauen und gleichzeitigem Hallo-Sagen, oftmals begleitet von einem zarten Streicheln angesprochen/begrüßt wird.

[4] Das Dialogische Echo ist die Wiederholung der kindlichen Äußerungen durch die Eltern, wobei der Dialog vom Kind ausgeht. Eltern ahmen folglich ihren Säugling nach. Alle Elemente sind auf die Bindung zwischen Mutter und Kind ausgerichtet.

Bei vier zentralen Dialogvariablen Motherese/Fatherese, Grußmomente, Vokalisationen des Kindes sowie Dialogisches Echo wurde eine Korrelationsberechnung mit SAS/SPSS durchgeführt. Es zeigte sich eine negative Korrelation der Grußmomente mit dem Dialogischen Echo (r= -0.30) und den Vokalisationen des Kindes (r=0.45; p=0.020*). Das heißt je weniger die Kinder vokalisieren, umso häufiger verwenden die Eltern Grußmomente und umso seltener zeigen sie das Dialogische Echo. Wir gehen davon aus, dass der vermehrte Einsatz von Grußmomenten von Seiten der Eltern erfolgt, um das Kind zu ermuntern, den Dialog wieder aufzunehmen. Hierfür spricht im Besonderen auch die Korrelation der Grußmomente mit dem Einsatz von Motherese/Fatherese (r=0.87). Diese Korrelation ist hoch signifikant (p=0.0051**). Eine weitere signifikante Korrelation findet sich zwischen den Vokalisationen des Kindes und dem Dialogischen Echo (r=0.82; p=0.0126*). Alle weiteren untersuchten Paarungen korrelieren ohne Signifikanzniveau.

Der nachfolgend abgebildete Graph (Abb. 4) spiegelt diese Ergebnisse bezogen auf die kindlichen Vokalisationen, die Fatherese und das Dialogische Echo sehr eindrucksvoll wider. Er macht den starken Zusammenhang zwischen diesen Dialogelementen gut sichtbar. Ebenso wird die Dichte des Dialogs, das direkte Aufeinander-Bezogen-Sein sehr gut erkennbar.

Konnexe von Vokalisation, Dialogischem Echo und Fatherese, Alter des Kindes: 6 Monate

Zwiegespräche bilden Kinder © Konnexe Ursula Horsch

Der Interaktionsgraph macht den Dialog lesbar. Wie in einer Partitur sind die Dialogelemente aufeinander bezogen angeordnet und erlauben so einen detaillierten Blick auf die Struktur des Vater-Kind-Dialogs. Besonders gut wird sichtbar, dass eine große Anzahl der kindlichen Vokalisationen vom Vater mittels der Fatherese beantwortet werden. Ebenso deutlich zeigt sich der insgesamt hohe Anteil der väterlichen Sprache. Und noch ein weiterer Faktor wird sichtbar: Vater und Sohn wechseln sich immer ab, es erscheint eine Grundstruktur des Dialogs das dem Prinzip des Turn-Taking folgt `“erst bin ich dran… dann bist du dran“ in welcher der Vater immer wieder die Äußerungen seines Sohnes aufgreift und häufig in Form des dialogischen Echos wiederholt. Dadurch hält der Vater das Kind im Dialog. Diese Turns werden im Zuge des Spracherwerbs des Kindes als besonders bedeutsam diskutiert

Für alle weiteren Dialogvariablen konnte kein Zusammenhang nachgewiesen werden.

Diese Ergebnisse sind hochinteressant, weil sie erstmals eine quantitative und qualitative Analyse dialogischer Interaktion zwischen Eltern und Ihrem Kind in dieser frühen Lebensphase des Kindes möglich machen. Ist damit jedoch bereits eine Aussage hinsichtlich der Bildungsrelevanz dieser Interaktionen möglich?

Elterliche Haltungen hinsichtlich der Bindungs- und Bildungsrelevanz

Um wirklich bildungsrelevant zu sein, muss noch mehr dazu kommen. Es genügt nicht, über die Anzahl beobachtbarer Dialogelemente auf Bildungsanlässe zu schließen. Es müssen bindungsrelevante Haltungen im Spiel sein, die dem Kind über die bereits genannten Dialogelemente hinausgehend signalisieren, dass es die Eltern z. B.

lieb haben und gerne mit ihm schmusen, mit ihm lachen, Kitzel- und Pustespiele mit ihm machen, in ihm einen Partner sehen, mit dem sie gerne gemeinsam etwas tun, mit dem sie verhandeln, mit dem sie Gefühle teilen – und dies wieder und wieder.

Es muss folglich eine Gleichförmigkeit elterlichen Verhaltens gegeben sein, die dem Kind vermittelt:

„Du bist der wichtigste Mensch für mich, wir gehören zusammen, wir entdecken gemeinsam die Welt, wir teilen Gefühle miteinander.“

Es entsteht ein „Zwischen“ zwischen Eltern und Kind auf das ich oben bereits verwiesen habe, das von

Vertrauen, Nähe und Liebe geprägt ist und das dem Kind die nötige Sicherheit gibt, sich darauf einzulassen und so zu erfahren, dass es geliebt wird, dass es ernst genommen wird, dass es ein Partner ist, mit dem sich die Eltern austauschen, mit dem sie verhandeln, mit dem sie gemeinsam etwas tun.

Zwiegespräche bilden Kinder41 - iStock © dusanpetkovicDiese Haltungen spiegeln ein positives, im wahrsten Sinne liebevolles Menschenbild wider, das im konkreten Handeln und im Dialog mit dem Kind sichtbar und erfahrbar wird. Beziehung und Dialog, Liebe und Haltung zum Kind bilden folglich einen engen unmittelbaren Zusammenhang. Sie ergeben ein Mosaik elterlicher und kindlicher Interaktionsmöglichkeiten, auf dem Erziehung und Bildung möglich werden.

Diesen unmittelbaren Zusammenhang erfährt das Kind in der Regel in den alltäglichen Situationen die zweckgerichtet sein können wie z. B. Essen, Wickeln, Baden aber auch zweckfrei wie z. B. Kitzel- und Pustespiele, miteinander Lachen, Guck-guck-Spiele auch bekannt als Kuckuck-Spiele, Bilderbuch anschauen/vorlesen, Musik machen.

Dies sind nur einige wenige Beispiele, die das Spektrum der Eltern-Kind-Aktivitäten aufzeigen sollen. Ich weiß, dass jede Eltern-Kind-Interaktion und damit jede Bindung ihre ganz eigenen individuellen Strukturen hat und ich möchte die Eltern darin bestärken, hier ihre eigene Form von Liebe, Zuneigung und Bindung zu leben. Dann sind sie und ihr Kind auf einem guten Weg.

von Ursula Horsch

Quellenangaben

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Bauer, J. (2006) Das Gedächtnis des Körpers. München, Zürich

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Hentig, H. von (1999) Bildung. Weinheim, Basel

Hentig, H. von (2001) Ach, die Werte. Über eine Erziehung für das 21. Jahrhundert. Weinheim, Basel

Horsch, U. (2003) Vom Recht des hörgeschädigten Kindes auf Erziehung und Bildung – oder – Schule für Hörgeschädigte neu denken. In: hörgeschädigte kinder 1, 16-22

Horsch, U. (2004) In:Horsch, U. (Hrsg.)Frühe Dialoge. Hamburg,

Horsch, U. (2006) Der Dialog beginnt. Zur Notwendigkeit einer Bildungsdiskussion in der Frühpädagogik. In. Hörgeschädigtenpädagogik 6, 206-218

Horsch, U., Heinemann, M.  Roth, J., Scheele, A. (2007) Behinderte Dialoge? Turn -Wechsel unter dem Einfluss von Hörschädigung. In: Schnecke 56, 20-23

Horsch, U., Roth, J., Scheele, A., Werding ,S.(2008)Topologie des frühen Dialogs. zu den Zusammenhängen dialogischer Verhaltensweisen von Eltern und Kind im Kontext von Down- Syndrom. In: Zeitschrift für Heilpädagogik, …

Horsch, U. Roth, J. Scheele, A.(2008). Bildung von Anfang an. In: Perspektiven zur pädagogischen Professionalisierung. Nördlingen

Horsch in Hintermair

Horsch in Schnecke

Horsch, U. Bischoff, S. (2008):Bildung im Dialog. Heidelberg

Hüther, G. (2006) Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. Göttingen

Links zum Thema

Mutter-Baby-Dialog weltweit gleich, US-Studie von der Princeton-Universtät in Spektrum.de

Ein berührendes Zwiegespräch zwischen Vater und Sohn, Youtube

Das Ungeborene im Dialog mit der Mutter, Süddeutsche Zeitung

Der Dialog mit dem Säugling, C.S. Allely et al., Parent-infant vocalisations at 12 months predict psychopathology at 7 years, Research in Developmental Disabilities, 2. Januar 2013; 34(3):985-993

Magazin für uns, Ausgabe: gebunden. Aus dem Inhalt:
Kindesentwicklung: „Zwiegespräch mit einem Baby“

Komm, spiel mit mir!

Dialogische Entwicklung von Eltern und ihrem hörenden Säugling sowie Eltern und ihrem Säugling mit einer Hörschädigung. Eine vergleichende Studie – Exemplarisch anhand von für den Spracherwerb bedeutsamen Dialogelementen. Dissertation von Katarzyna Bagan-Wajda, Pädagogische Hochschule Heidelberg