BeziehungsWeise - Foto shutterstock © Petrenko AndriyIn dieser Woche beendet unser jüngstes Kind die obligatorische Schulzeit. Es ist also noch gar nicht soo lange her, als unsere Kinder klein waren. Manchmal fühlt es sich aber so an, als wären unsere Kinder weit im letzten Jahrhundert geboren worden. Nämlich immer dann, wenn ich von jungen Eltern mitbekomme, was man sich so alles für den Nachwuchs anschaffen kann oder muss.

Von Kinderschühchen mit „Barfuß-Sohle“ über Früchtebrei im Quetschbeutel zur Töpfchen-Trainings-Unterhose oder den Naturseiden-Bodys für die empfindliche Kinderhaut … Es gäbe noch viel mehr solcher Dinge aufzuzählen, von deren Existenz wir vor gerade mal 15 Jahren noch nichts wussten. Es war irgendwie noch so einfach damals … und erstaunlicherweise sind alle meine Kinder groß geworden! Mit handgequetschter Banane und in Elefanten-Schuhen mit fester Sohle. Trocken sind sie mittlerweile auch 😉

Zugegeben, beim einen oder anderen Gadget denke ich auch: „Oh, das hätte ich auch gebrauchen können, damals!“

Nun geht es mir natürlich nicht darum, diese Dinge schlecht zu machen. Ganz bestimmt gibt es viele nützliche und praktische Errungenschaften. Aber für mich stellt sich die Frage, was brauchen unsere Kinder eigentlich wirklich? Was brauchen sie, um zu reifen Persönlichkeiten heranzuwachsen, die ihr volles Potential entfalten können? Denn das ist es ja, was wir uns wohl alle wünschen.

„Unsere Kinder brauchen uns“, das ist der Titel vom Buch, das Gordon Neufeld und Gabor Maté geschrieben haben. (leider momentan in deutscher Sprache vergriffen) Und so salopp diese Aussage auch klingt, ist sie doch ein Wegweiser und Orientierungspunkt für mich geworden.

Unsere Kinder brauchen uns! Sie brauchen eine Beziehung zu uns, sie brauchen unsere Aufmerksamkeit, unsere Liebe, das Gefühl, willkommen an unserer Seite zu sein.

Alle anderen Bedürfnisse, die Kinder haben, bauen auf diesem Fundament auf.

Eine glückliche Kindheit hängt nicht von Schuhsohlen und auch nicht von der Beschaffenheit der Bodys ab, zum Glück! Sonst wären Familien mit niedrigem Einkommen ja von Anfang an im Nachteil. Das was Kinder wirklich brauchen ist umsonst zu geben, was nicht heißt, dass es uns nicht hin und wieder etwas kostet.

Und vielleicht wäre das eine oder andere Kind sogar glücklicher mit etwas mehr ungeteilter Aufmerksamkeit und etwas weniger im Internet gefundenen, genialen Gadgets?

Ihre Angela Indermaur

Ein Beitrag aus unserer Kolumne:

Menschen(s)kinder


Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In einer regelmäßig erscheinenden 14-tägigen Kolumne geht unsere Kolumnistin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?