Bindungssichere Disziplin - iStock © Dobrila Vignjevic

Kürzlich war ich mit meinem Welpen beim Hunde-Coiffeur. Die Coiffeurin stellte mir im Laufe der „Behandlung“ folgende Frage: „Wie bestrafen Sie Ihren Hund für Fehlverhalten?“
Ich habe sie wohl etwas bedröppelt angeschaut, denn auf diese Frage war ich jetzt überhaupt nicht gefasst. „Bestrafen? Gar nicht …“, antwortete ich etwas zögernd, um danach etwas bestimmter hinzuzufügen: „Ich habe schon in der Kindererziehung keine klassischen Strafen angewendet, da werde ich jetzt beim Hund auch nicht damit anfangen.“

Über Kindererziehung zu diskutieren, da fühle ich mich doch wesentlich sicherer als bei der Hundeerziehung. (Und nein, danke, ich brauche auch bzgl. Hundeerziehung keine Ratschläge, ich habe meine Quellen! 😉)

Nun war es an meinem Gegenüber, mich bedröppelt anzuschauen.

Kindererziehung ohne Strafen? Geht das?

Ich bin überzeugt, dass das geht. Mehr noch: Ich bin mir sicher, dass eine Erziehung ohne Strafen und klassische „Wenn-dann“-Drohungen eine wunderbare Sache ist.

„Wenn du ohne Strafen erziehst, heißt das, die Kinder dürfen machen, was sie wollen?“, fragte mich mal ein Gegenüber in einem ähnlichen Gespräch, allerdings noch lange bevor ich einen Hund hatte.

Selbstverständlich nicht! Aber wenn wir Kinder nur ein bisschen von innen heraus verstehen, dann wissen wir auch, dass Kinder sich natürlicherweise Orientierung und Halt wünschen und dass sie es tief in sich drin uns recht machen wollen.

„Bindungssichere Disziplin“ nennt Gordon Neufeld das, was uns hilft, unsere Kinder liebevoll, fürsorglich, aber auch klar zu erziehen.

Bindungssichere Disziplin: Was bedeutet das eigentlich?

„Warum genau ‚bindungssicher‘?“

Bindung, sich nahe und verbunden fühlen, ist unser größtes und wichtigstes Bedürfnis als Menschen und als Kinder sowieso. Dementsprechend ist Trennung, also die Unterbrechung der Bindung, die größte Bedrohung.

Die Gefahr von Trennungsstrafen und ihre Auswirkungen

Wird ein Kind nun mit Trennung konfrontiert, weil es beispielsweise weggeschickt wird (ins Zimmer, auf den ruhigen Stuhl, in die Ecke …), wird es alles tun, um die Nähe zur Bezugsperson möglichst schnell wiederherzustellen. Aus diesem Grund funktionieren diese Arten von Strafen ja auch vordergründig wunderbar. Das Kind benimmt sich wieder wie gewünscht, alles wunderbar.

Wirklich? Wenn es uns nur darum geht, dass das Kind sich „benimmt“, vielleicht schon. Doch in aller Regel wünschen wir uns ja, dass eine Verhaltensänderung nachhaltig ist und ein Kind aus einer Strafe etwas lernt.

Warum nachhaltiges Lernen nur ohne Strafen funktioniert

Wird ein Kind durch eine Trennungsstrafe alarmiert, wird sein inneres System nichts anderes zulassen, als diese Trennung möglichst schnell zu beenden und Nähe wiederherzustellen. Von Lernen oder Nachhaltigkeit kann da keine Rede sein.

Dies ist einer der Gründe, warum Disziplin „bindungssicher“ sein sollte: Damit wir unsere Kinder nicht unnötig alarmieren und sie in der Lage sind, aus Fehlern zu lernen.

Bindungssichere Disziplin: Just do it!
Ihre Angela Indermaur

Ein Beitrag aus unserer Kolumne:

Menschen(s)kinder


Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In unserer Kolumne geht die zert. Neufeld-Kursleiterin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?