Elternschaft Im Einklang mit dem Kind 2a - iStock © ZoiaKostinaKürzlich sah ich in den sozialen Medien eine Grafik mit zwei Leitern: Beide sind gleich hoch und führen zum gleichen Ziel. Bei der einen Leiter gibt es nur wenige Sprossen und man ist versucht zu denken, es wären ja nur wenige Schritte bis zum Ziel. Bei der anderen Leiter gibt es mindestens dreimal so viele Sprossen.

Obwohl ich durchaus dafür bin, ein Ziel schnell und speditiv zu erreichen, würde ich in vielen Lebensbereichen die Leiter mit den vielen Sprossen, wählen. Denn sie hat einen eindeutigen Vorteil:

Jede Sprosse ist mit einem kleinen Schritt erreichbar. Einem Schritt, der mich garantiert nicht überfordern wird.

„Überforderung, hohe Erwartungen und sich selbst unter Druck setzen“ sind Themen, die viele Eltern beschäftigten. Vielleicht, weil unser Weg zum Ziel eben oft mit einer Leiter mit unglaublich wenig und dafür hohen Sprossen ausgestattet ist?

Als Eltern sind wir oftmals Spezialisten darin, unsere Ziele sehr hoch anzusetzen und uns möglichst wenig Schritte bis zum Ziel zu erlauben. Nach kurzer Zeit merken wir dann, dass wir nicht mal die erste Sprosse, geschweige denn, das gesteckte Ziel, erreichen und verwerfen die ganze Sache frustriert.

Wie wäre es also, wenn wir einfach mal unsere Leitern auswechseln? Setzen wir uns kleine, realistische Zwischenziele, die leicht erreichbar sind:

  • „Ich möchte meinen Kindern jede Woche etwas vorlesen.“ statt: „Ab heute lese ich meinen Kindern täglich ein Bilderbuch vor.“
  • „Ich räume täglich 5 Minuten in der Wohnung auf.“ statt: „Ich möchte ab sofort immer und in jedem Raum Ordnung halten.“
  • „Ich stelle mir eine kleine Erinnerung auf, mich nicht auf Machtkämpfe mit meinen Kindern einzulassen.“ statt: „Ab jetzt erziehe ich meine Kinder zu 100% bindungsorientiert.“

Elternschaft Im Einklang mit dem Kind 3 - iStock © ZoiaKostinaSeien wir barmherzig mit uns selbst! Ja, wir werden auch mal zwei Sprossen zurückgehen. Das ist okay. Morgen oder übermorgen geht’s dann wieder eine Sprosse weiter.

Bewusst Kinder zu erziehen gleicht schon eher einem kräfteraubenden Marathon als einem Sprint – selbst ohne extra Ziele und hohe Sprossen!

Hören wir auf, uns mit den anderen zu vergleichen. Wir sind alle unterwegs und verfügen über unterschiedliche Ausgangslagen und Ressourcen. Wichtig ist, dass wir unterwegs sind.

Denken wir daran, dass auch unsere Kinder unterwegs sind, Schritt für Schritt. Und freuen wir uns über die kleinen Schritte. Denn:

Viele kleine Schritte führen genauso – oder viele eher – zum Ziel wie ein paar wenige große Schritte.

Eines meiner Ziele ist es, eine dauerhaft gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu finden. Die erste Sprosse in meiner Agenda ist: Monat für Monat freie Zeiten mit blauer Farbe zu markieren. Dauert also etwa 5 Minuten, alle 4 Wochen, sollte machbar sein 😊. Und wie sieht das bei Ihnen aus?

Ihre Angela Indermaur

Ein Beitrag aus unserer Kolumne:

Menschen(s)kinder


Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In unserer Kolumne geht die zert. Neufeld-Kursleiterin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?