„Hilf mir – aber lass mich gehen“, so oder ähnlich hört sich manch ein Widerspruch aus dem Mund eines Teenagers an. In einem Moment der vernünftige Erwachsene, der Bescheid weiß, im anderen Moment das Verhalten eines Kleinkindes. Beim Abendessen die Diskussion über soziale Medien, der Teenager gibt sich ganz souverän, er weiß alles und kennt sich aus, will seinen Eltern klar machen, dass sie es sind, die da keine Ahnung haben. Wenige Stunden später folgt die Bitte: „Kannst du das Licht im Gang anlassen? Ich habe in der Nacht Angst, wenn es so dunkel ist.“
Teenager – Nicht Fisch, nicht Fleisch
Dieses Hin- und Hergerissen sein gehört zu dieser Phase des Lebens dazu. Zugegeben, für uns als Eltern braucht das eine gehörige Portion Flexibilität und Verständnis. Und wenn ich es mir genau überlege, ist es sogar verständlich, dass unsere Teenager sich zeitweise so fühlen. Auf der einen Seite entwickeln sie eine eigene Persönlichkeit, und sie verspüren eine Aufbruchsenergie, die sie vorwärtstreibt. Aber genau dies kann auch Angst machen. „Angst vor der eigenen Courage“, sagen wir Schweizer dazu gerne. Ich mag mich noch gut erinnern, als mir eines Tages plötzlich bewusst wurde, dass ich nicht immer bei meinen Eltern bleiben werde, und dass mein Papa mich nicht immer beschützen können wird. Einerseits war ich voller Ideen, Wünsche und Ziele für mein Leben, ich sprühte vor Energie. Aber abends und nachts im Bett, da machte mir dieser Gedanke ganz schön Angst und ich wünschte mir dann, es könnte für immer so bleiben, wie es ist.
Teenager durch diese und andere Phasen hindurch begleiten, macht mir total Freude. Ich finde es faszinierend, zu beobachten, wie sich da eine Persönlichkeit entwickelt. Fast wie bei der Raupe und dem Schmetterling …
Ihre Angela Indermaur
Ein Beitrag aus unserer Kolumne:
Menschen(s)kinder
Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In einer regelmäßig erscheinenden 14-tägigen Kolumne geht unsere Kolumnistin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?