Mama unter Stress - Foto iStock © kaz_c„Mein Kind treibt mich zur Weißglut, und das gefühlt etwa alle 10 Minuten. Ich kann mir aber nicht ständig eine Auszeit nehmen, aufs WC oder in den Keller verschwinden. Was gibt es sonst noch für Möglichkeiten zum `Runterkommen`, wenn es gerade wieder einmal brennt?“

So in etwa lautete kürzlich die Frage einer Mutter, die in einer Zeitschrift veröffentlicht wurde.

Mich würde natürlich interessieren, was es denn ist, was sie ständig zur Weißglut treibt. Und ich würde gerne mit dieser Mutter zusammen überlegen, was man denn tun könnte, um den Stresslevel grundsätzlich zu senken. Meine Erfahrung ist, dass es meistens Möglichkeiten gibt, um für Entschärfung zu sorgen. Oft hilft es, wenn man innerlich einen Schritt zurück macht und sich die Situation vielleicht auch mit einer Person von außen mal anschaut.

Aber klar ist auch, dass es mit kleinen und größeren Kindern selbst bei der besten Ausgangslage zu Situationen kommen kann, wo man kurz vor der Explosion steht.

Mir haben verschiedene Dinge geholfen:

Jemand sagte einmal, wir Mütter sollen uns in solchen Momenten überlegen und innerlich ausformulieren, was gerade unser Bedürfnis ist. Angesichts einer ausgeschütteten Milchtasse beim Frühstückstisch könnte das dann heißen „Okay, mein Bedürfnis wäre es gerade in Ruhe und in einer aufgeräumten Küche meinen Kaffee trinken zu können. Und es ist frustrierend, dass das jetzt nicht möglich ist.“

Zugegeben, als ich das hörte, konnte ich mir nicht vorstellen, was das in einer aufgeladenen Situation bringen sollte … Doch einige Krisen später staunte ich selbst, was so ein Gedankengang alles auslösen kann. Sich eingestehen, dass ich gerade ein unerfülltes Bedürfnis habe und dass es gerade frustrierend ist, wie es ist, gibt neuen Freiraum, um sich zu entscheiden, sich trotz allem um das Kind, bzw. die Milch zu kümmern. Und in dem das eigene Bedürfnis wahrgenommen und formuliert wird, erhöht sich die Chance, dass es zu einem späteren Zeitpunkt auch umgesetzt wird. Also Milch aufwischen, Kinder losschicken und dann kommt mein Kaffee! Yeah!

Je älter die Kinder werden, desto mehr können wir sie auch an unserem eigenen Stressmanagement teilhaben lassen. In einer aufgeladenen, hitzigen Diskussion mit einem Teenager zu sagen: „Hey, wir unterbrechen das hier mal und nehmen uns beide etwas Zeit zum Abkühlen. Wenn wir beide wieder bereit sind, sprechen wir weiter“, war für mich lange Zeit unvorstellbar. Etwas in mir sagte mir, das müsse jetzt auf der Stelle ausdiskutiert werden, oder wir müssen reinen Tisch machen, und zwar sofort. Aber ich durfte lernen, dass auch Teenager ein Gedächtnis haben, und dass es absolut kein Problem ist, so eine Diskussion zu unterbrechen und später weiterzuführen. Im Gegenteil: Ich machte die Erfahrung, dass sich so manches in der Zwischenzeit in Luft auflöste. Oder dass wir am anderen Tag mit einigen wenigen Sätzen zum Ziel kamen.

Manchmal ist es nicht möglich, etwas um Stunden oder gar einen Tag zu verschieben. Aber selbst dann kann man sagen, man brauche einen Moment frische Luft. Und dies hilft nicht nur uns, sondern wir sind gleich auch noch ein gutes Vorbild für unsere Kinder.

Ja und last but not least gibt es noch die wunderbare Hintertüre für alle Arten von Frust und „Ich schieß dich gleich auf den Mond-Gedanken“: S P I E L

Die meisten Situationen lassen sich durch Situations-Comic, Ironie oder etwas Theatralik wunderbar entschärfen. Man könnte zum Beispiel zusammen die Milch beschimpfen, die einfach nicht in der Tasse bleiben kann. Oder man könnte zur Putzerei ein lustiges Lied singen …

Ich weiß, wir können nicht einfach immer auf Kommando den Clown machen. Aber wenn du einmal damit anfängst, da und dort Situationen mit Humor zu nehmen, wirst du feststellen, dass es dein Leben auch leichter macht. Und die Kinder werden dich mit großen Augen anschauen und sich fragen, was denn mit der Mama passiert ist? 😉

Just do it! Ihre Angela Indermaur

Ein Beitrag aus unserer Kolumne:

Menschen(s)kinder


Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In einer regelmäßig erscheinenden 14-tägigen Kolumne geht unsere Kolumnistin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?