Menschenskinder Foto © Angela IndermaurMenschenskinder! Wann immer ich diesen Ausdruck höre, habe ich sofort meine Omi aus dem bergischen Land vor Augen. Zu allem, was sie überrascht, erstaunt oder manchmal auch genervt hat, hat sie dieses eine Wort gesagt. Meistens hörte ich es bei der Begrüßung: Menschenskinder, wat bist du groß jeworden! Das lag daran, dass wir uns nicht sehr oft sahen und ich dazwischen immer Zeit zum Wachsen hatte. Meine Omi und ich lebten 650 km weit auseineinander und sie starb, als ich 14 war. Trotzdem hab ich ein paar wichtige Dinge von ihr gelernt:

Omi war nämlich eine Meisterin
darin, die Beziehung auf Distanz zu pflegen.

Gefühlt war sie für mich nämlich gar nicht weit weg, sondern ziemlich präsent. Und dies ganz ohne Skype, Whatsapp, und co. Bei ihr im Dorfladen gab es damals für die Kinder bei jedem Einkauf ein «Bildchen». Das war ein kleines Kärtchen, mit einem süßen Bild drauf und einer Mini-Geschichte. Diese Bildchen hat Omi für mich gesammelt und mir zugeschickt, manchmal wöchentlich! Wie hab ich mich immer über diese Post gefreut! Oft war noch ein Brief von ihr mit drin, und manchmal auch meine geliebten Katjes-Kätzchen. (Lakritze). In ihren Briefen hat sie viel Interesse an mir und meinem Leben gezeigt, mich dazu animiert, ihr zurückzuschreiben. Und so wusste sie Bescheid, wie meine Freundinnen heißen, welche Schulfächer ich mag und noch vieles mehr. Ich habe mich als Kind eingeladen gefühlt, mein Leben, meine Gedanken und Gefühle mit ihr zu teilen. Ich habe das echte Interesse an meinem Leben gespürt und ich habe mich von meiner Omi geliebt und angenommen gefühlt.

Und das ist es, was es ausmacht, und was unsere Kinder so sehr brauchen! Sie brauchen nicht ständigen und oberflächlichen Kontakt. Aber sie brauchen Menschen, die sich wirklich für sie interessieren, Menschen, die sie bedingungslos annehmen! Es müssen nicht die großen und teuren Geschenke sein, sondern die kleinen Aufmerksamkeiten, die zeigen,

ich kenne dich und ich weiß, was du magst.

Und wenn es uns gelingt, Raum und Vertrauen zu schaffen, dass das Kind uns seine Gedanken, Ideen und manchmal auch Fragen über das Leben mitteilt, ist das etwas unendlich Wertvolles.

Wenn meine Omi das damals über diese Distanz hinweg geschafft hat, müssten wir das heute locker schaffen, oder?

Just do it! Ihre Angela Indermaur

Ein Beitrag aus unserer Kolumne:

Menschen(s)kinder


Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In einer regelmäßig erscheinenden 14-tägigen Kolumne geht unsere Kolumnistin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?