Reifwerdung - Foto shutterstock © jarabee123

Eines unserer Kinder beschäftigte sich über Monate hinweg mit der Herstellung von Slime. Meine Begeisterung für diese glibberige Masse, hergestellt aus Leim, Waschmittel, Rasierschaum, Kontaktlinsenflüssigkeit oder Peel-off-Masken usw., hielt sich in Grenzen.

Eines Tages, nachdem meine Küche wieder einmal wie ein Chemielabor aussah, landeten die ganzen Utensilien im Geschirrspüler. Ich wusste bis dahin nicht, was es für Folgen haben kann, wenn Waschmittelreste im Geschirrspüler landen und in Kontakt mit warmem Wasser kommen. Heute weiß ich es: Es bildet sich Schaum, der aus dem Geschirrspüler austritt. Viel Schaum, sehr viel Schaum …

Einmal mehr fragte mich mein Mann, warum genau ich mir das antun würde? Ich könnte meiner Tochter die Experimentiererei doch einfach verbieten. Könnte ich … Doch ich sah hinter diesen glibberigen Erzeugnissen dieses Interesse meiner Tochter, diesen Wunsch, das perfekte Rezept herauszufinden. Ich sah, dass sie gerade eine Menge über Chemie lernte, und ich sah emergentes Spiel in dieser Slime-Sache.

Vom Chaos zum kreativen Denken

Und auch wenn mich Slime nicht so begeistern kann, Emergenz begeistert mich und für emergentes Spiel bin ich auch bereit eine Menge Schaum in meiner Küche in Kauf zu nehmen.

Als Eltern dürfen wir Emergenz einladen, ihr einen Raum bieten und diesen wunderbaren Prozess willkommen heißen. Im Kindesalter geht es dabei vor allem um das emergente Spiel, das Raum und Möglichkeiten braucht. Ich selber soll als 5-Jährige einmal gesagt haben „Ich habe so viele Ideen, dass diese in meinem Kopf Schlange stehen müssen“. (Ja, manchmal fühlt es sich heute noch so an) Nicht alle Ideen müssen umgesetzt werden, doch je mehr Raum, Material und auch Zeit wir hier geben können, desto besser.

Und wenn aus unseren Kindern Jugendliche werden, geht es mehr darum, ihre Individualität einzuladen und zu fördern. Ihre Meinungen und Ansichten hervorzulocken und ihnen Raum zu bieten, sich selbst mit allen Stärken und Schwächen zu entdecken.

Dies kann in Gesprächen und Diskussionen um ganz verschiedene Themen sein. Besonders wertvoll finde ich auch, wenn Jugendliche sich in „Freiwilligen-Arbeit“ ausprobieren können, nicht selten werden hier ungeahnte Stärken entdeckt!

Auf jeden Fall gilt: Je emergenter unsere Jugendlichen in der Zeit der Berufswahl sind, desto besser und wahrscheinlich auch – desto einfacher!

Ihre Angela Indermaur

Ein Beitrag aus unserer Kolumne:

Menschen(s)kinder


Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In einer regelmäßig erscheinenden 14-tägigen Kolumne geht unsere Kolumnistin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?