Spielgefährten Fotolia © S - Ana Blazic PavlovicUnser jüngstes Kind beendet in dieser Woche die obligatorische Schulzeit. Und nebst vielem anderen verabschieden wir uns nun auch vom freien Mittwochnachmittag. Nach 16 Jahren ist dieser Nachmittag nun auch für mich definitiv wieder ein Nachmittag wie jeder andere …

Zugegeben, mit dem Mittwochnachmittag verbindet mich so eine Art Hassliebe … Es gab schöne Nachmittage, an denen wir zusammen was unternommen oder mit anderen Müttern und ihren Kindern abgemacht haben. Es gab aber, besonders als alle drei Kinder im Kindergarten und der Primarschule waren, viele Mittwochnachmittage die „Stress pur“ für mich waren. Bereits um 5 nach 12 ging es jeweils los mit dem Stress am Telefon. Wer macht heute mit wem und wo was ab? Das eine Kind muss getröstet werden, weil die Freundin nun doch mit einem anderen Kind zuerst was abgemacht hat. Das andere Kind hat gerade Stress, weil mindestens drei Freunde aus der Schule zu ihm kommen wollen, ich aber gesagt habe: „Ein Kind und mehr nicht.“ Und so weiter … Wer kennt das nicht?

Wenn mir das alles zuviel wurde, schnappte ich mir meine „Küken“ und floh zu meinen Eltern. Das waren wohl die friedlichsten Mittwochnachmittage … Eines Tages sagte eine andere Mutter zu mir: „Das kannst du doch nicht machen … Deine Kinder müssen doch möglichst viel mit anderen Kindern spielen können, um Sozialverhalten zu lernen. Kinder brauchen doch Gleichaltrige!“

Brauchen unsere Kinder Gleichaltrige?

Diese Frage sollte mich noch lange beschäftigen.

Heute bin ich mir sicher: Von „brauchen“ kann keine Rede sein. Natürlich ist es schön, wenn Kinder mit anderen Kindern spielen können. Aber „brauchen“ tun sie verlässliche Beziehungen, die Geborgenheit, Schutz und Orientierung bieten können. Und all diese Dinge werden sie wohl kaum in einer „Freundschaft“ mit Gleichaltrigen bekommen. (Natürlich brauchen sie noch weitere Dinge, dazu aber ein anderes Mal mehr!)

Auch mit dem „Sozialverhalten lernen“ ist es so eine Sache … Zum einen ist soziales Verhalten vor allem eine Sache der Reife (und entspringt somit wieder einer sicheren und tiefen Bindung) und weniger etwas, was man lernen kann. Zum anderen lernt man etwas von jemandem, der etwas schon kann. Damit würden die Gleichaltrigen auch wieder wegfallen … Wir lernen eine neue Sprache ja auch nicht von der Nachbarin, die diese Sprache ebenso wenig kann wie wir, sondern wir suchen uns jemanden, der die gewünschte Sprache spricht und sie uns vermitteln kann. Das Einführen in die Gesellschaft und in das soziale Verhalten müssen wir also schon selbst übernehmen und unseren Kindern als Vorbilder dienen.

Aus diesen beiden Punkten ergibt sich für mich die Antwort auf die Frage, ob unsere Kinder Gleichaltrige brauchen:

NEIN, sie „brauchen“ keine Gleichaltrigen.

Natürlich, Kontakt zu Gleichaltrigen, Spielen mit anderen Kindern kann, wohldosiert, etwas Schönes sein. Ich vergleiche es gerne mit Schokolade. Schokolade ist super. Wenn man sie in gewissen Mengen konsumiert, ist sie auch nicht schädlich. Aber brauchen wir Schokolade, um uns gesund zu ernähren? Nun ja … 😉

Und damit möchte ich allen Mamas, die unter „Mittwochnachmittags-Stress“ leiden, Mut machen: Nachmittage in der Natur, bei den Großeltern oder auch einfach als Family zuhause sind voll ok!

Ihre Angela Indermaur

Ein Beitrag aus unserer Kolumne:

Menschen(s)kinder


Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In einer regelmäßig erscheinenden 14-tägigen Kolumne geht unsere Kolumnistin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?