Tränen und der Blick nach vorn 2 - Foto iStock © FatCameraAls ich mir im letzten Sommer meinen kleinen Zeh in die Krücke (ich hatte bereits einen Bänderriss im Fußgelenk) rammte und ihn dreimal brach, ließen sich die „Schmerztränen“ nicht zurückhalten. Wenn jemand Liebes gestorben ist, kommen uns die Tränen, manchmal aber auch in einem heftigen Konflikt, oder in Situationen, in denen wir uns überfordert fühlen. Ganz zu schweigen von den „Wuttränen“ oder jenen, die fließen, wenn wir Zwiebeln hacken. Es gibt also definitiv Situationen, in denen auch uns Erwachsenen die Tränen kommen. Und das ist auch gut so!

Weinen und Tränen vergießen ist keineswegs Kinderkram oder nur etwas für besonders „nah am Wasser gebaute Personen“.

Über Tränen des Schmerzes oder jene beim Zwiebeln hacken brauche ich wohl nicht viel zu sagen, sie finden einfach statt … Wenden wir uns jenen Tränen zu, die dann fließen, wenn wir einer Vergeblichkeit, einer Situation, die wir gerne ändern würden, aber nicht können, gegenüberstehen.

Über eine Sache, die sich nicht verändern lässt, zu trauern und ggf. auch zu weinen ist entlastend und reinigend. Dies kann eine kurze Episode der Trauer sein, oder auch wellenartig wiederkehrend und nahezu überwältigend, je nach Auslöser halt.

Aber ganz egal, wie groß die Vergeblichkeit ist, der wir gerade begegnen, wichtig ist, dass wir uns diesen Weg der Trauer und Tränen offen lassen, um danach „zurückfedern“ zu können und unser Leben wieder in Angriff nehmen können.

Als ich damals am Tag vor unseren geplanten Herbstferien meinen Fuß (schon wieder der Fuß …) verletzte und klar wurde, dass für mich aus den geplanten Wanderferien im Tessin nichts werden würde, war dies genauso eine Vergeblichkeit, der ich gegenüberstand. Während der Fahrt ins Tessin trauerte ich und vergoss die eine oder andere Träne. Je südlicher wir kamen, desto mehr wuchs in mir die Überzeugung, dass wir trotzdem tolle Ferien haben können. Mir kamen Ideen, wie wir die Zeit gestalten könnten und was ich statt wandern tun könnte … In diesen Momenten federte ich zurück, nachdem ich das Tal der Trauer durchgegangen bin. Und ja, die Ferien wurden ganz anders als geplant, aber durchaus schön!

Wir Eltern stehen ja ständig solchen kleinen und großen Vergeblichkeiten gegenüber und müssen nur zu oft einfach funktionieren. Um darin nicht hart zu werden, ist es gut, wenn wir uns diesen Raum zum Trauern zugestehen. Geht vielleicht nicht immer, aber immer öfter 😉

Als reife Menschen sind wir glücklicherweise auch in der Lage in vielen Fällen diese Trauer für eine Weile beiseitezulegen und für unsere Kinder zu funktionieren. In einem sicheren „Raum“, das kann abends sein, wenn die Kinder schlafen, beim Ehepartner, einer guten Freundin, etc. können diese Gefühle dann hervorgeholt werden und man kann sich ihnen stellen. Wichtig ist, dass jede/r von uns so einen sicheren Ort hat, wo auch mal Tränen fließen dürfen. Warum wir nicht alle Tränen vor unseren Kindern vergießen sollten, darum geht es beim nächsten Mal im Beitrag: Weinen vor dem Kind?

Ihre Angela Indermaur

Ein Beitrag aus unserer Kolumne:

Menschen(s)kinder


Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In unserer Kolumne geht die zert. Neufeld-Kursleiterin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?