Kürzlich sprach ich mit einer Mutter darüber, wie man mit Kindern am besten über heikle, aufgeladene oder auch leicht verletzende Themen spricht. Mein Rat: „Mach dies entweder auf einer Autofahrt oder während einer gemeinsamen Tätigkeit wie Backen oder Gärtnern. Hauptsache, ihr seid beschäftigt und müsst euch dabei nicht zwingend in die Augen schauen.“ Die Mutter war ziemlich erstaunt, sie dachte, gerade der Augenkontakt sei für tiefe Gespräche unerlässlich.
Und tatsächlich ist diese Meinung weit verbreitet. Ich kann mich gut erinnern, wie meine Mama manchmal sagte: „Schau mich an!“ Dann wusste ich, jetzt ist es ernst! Und ehrlich gesagt, habe ich das hin und wieder auch bei meinen Kindern gemacht.
Wenn der Augenkontakt zum Problem wird
Für manche Kinder ist dieser Augenkontakt auch kein Problem. Aber je sensibler ein Kind, desto schneller kann dieser intensive Kontakt überwältigend sein. Das Kind weicht dann aus, was von uns Erwachsenen nicht selten als respektlos gewertet wird. Manche Kinder entwickeln daraufhin als Schutzmaßnahme den „leeren Blick“. Sie schauen zwar in Richtung unserer Augen, man hat aber das Gefühl, der Blick geht nur bis zu einer unsichtbaren Wand zwischen uns.
Weil das (sensible) Kind in diesem Moment damit beschäftigt ist, den überwältigenden Augenkontakt auszublenden und sich gegen diese Nähe zu schützen, wird es wenig von dem, was wir zu sagen haben, aufnehmen. Was aus unserer Sicht natürlich auch nicht zielführend ist … Dieser Kreislauf ist für beide Seiten frustrierend. Und um dem vorzubeugen gibt es verschiedene Wege.
Den Augen einen Ausweg bieten – etwa im Auto
Einen davon habe ich oben beschrieben: Gespräche nicht „gegenüber am Tisch“ führen, sondern eher nebenbei, wenn beide etwas tun, oder, wie im Auto, geradeaus schauen. Ich habe tatsächlich mit allen Kindern die besten Gespräche im Auto geführt. Und dies nicht nur, wenn ich am Steuer saß, sondern später auch während der Lernfahrten, wenn es darum geht, daß der Fahrschüler Routine bekommt. Solche Lernfahrten sind eine wunderbare Möglichkeit, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Diese Chance sollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen!
Ihre Angela Indermaur
Ein Beitrag aus unserer Kolumne:
Menschen(s)kinder
Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In unserer Kolumne geht die zert. Neufeld-Kursleiterin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?