Wie war das früher - Foto iStock © Aleksandar NakicWir waren als Familie wandern und wie so oft kam irgendwann der Punkt, wo die Kinder keine Lust mehr hatten und gefühlt alle zwei Minuten fragten: „Wie lange geht es noch??“ Aus der Not heraus begann ich den Kindern eine lustige Story aus meiner Kindheit zu erzählen. „Hauptsache Ablenkung“, dachte ich mir.

An jenem Tag entdeckten die Kids einen Schatz an spannenden, lustigen oder manchmal auch traurigen Geschichten, der nicht an einen CD-Player gebunden war, sondern (fast) überall und immer verfügbar war.

In den nächsten Jahren wurde nicht mehr gefragt „Wie lange geht es noch?“, sondern „Mami, erzählst du uns wieder von früher?“ Dies tat ich nicht nur beim Wandern, sondern auch auf langweiligen Autofahrten oder in Wartezimmern von Ärzten oder Zahnärzten …

Kinder lieben Wiederholungen

Ich hatte eine bunte Kindheit im schweizerischen Appenzellerland. Berge, Kuhglocken, Pfeife rauchende Nachbarn (oder eher Nach„bauern“) und viele Freiheiten inklusive. Und da gab es natürlich die eine oder andere Story zum Erzählen. Natürlich kam ich irgendwann an den Punkt, wo mir nichts Neues mehr einfiel. Doch das störte meine Kids überhaupt nicht: „Dann erzähl einfach noch einmal die Geschichte vom Butzemann!“, hieß es dann. Und das tat ich … immer wieder, bis ich sie selbst kaum mehr hören konnte. 😉

Kinder lieben Wiederholungen, vielleicht ist ihnen das auch schon aufgefallen. Klar, neue Geschichten sind spannend, doch Spannung ist immer auch mit etwas Alarm verbunden. Je nach Geschichte, kann es da auch mal ganz schön kribbeln im Bauch. Das macht zwar Spaß, kann aber auch anstrengend sein. Ganz anders ist das bei Geschichten, die wiederholt werden: Weil das Kind schon weiß, was kommt, nimmt es eine andere Rolle ein. Es kann die Geschichte ein bisschen „miterleben“, weil es ja eben schon einen Schritt voraus ist. Und dieses Wissen, was kommen wird, gibt auch ein Gefühl von Sicherheit. Da kann man sich auch wunderbar entspannen, nicht wahr?

Denn beim Geschichten erzählen und hören geht es ja nicht nur um Spannung und Spaß, sondern eben genauso um Entspannung, Sicherheit, Genuss und Spiel.

Ich würde sagen, die Abwechslung machts, mal was Neues, mal was Vertrautes. Und vielleicht können Sie hin und wieder erspüren, was Ihr Kind gerade braucht?

Auf einer laaaangweiligen Autofahrt ist eine neue, spannende oder lustige Geschichte bestimmt großartig. Abends vor dem Schlafen gehen, oder wenn das Kind aufgewühlt, traurig oder krank ist, fällt die Wahl vielleicht besser auf eine altbekannte Lieblingsgeschichte, die ganz viel Geborgenheit vermittelt.

Die Geschichte vom „Butzemann“, von dem man gar nicht genau weiß, wer er eigentlich war und ob er jetzt lieb oder böse war, fiel definitiv in die Kategorie „spannend“. Nur gut, dass es noch eine Menge anderer Geschichten gab, von lieben Tanten, der lustigen und dicken Ida, von Hunden und zugelaufenen Schildkröten …

Ich hoffe, ich konnte Sie ein wenig inspirieren, denn bestimmt kommen Ihnen die besten Geschichten aus Ihrer Kindheit in den Sinn! Und die wollen erzählt werden, zum Beispiel auf dem Weg in den Urlaub?

Just do it! Ihre Angela Indermaur

Ein Beitrag aus unserer Kolumne:

Menschen(s)kinder


Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In einer regelmäßig erscheinenden 14-tägigen Kolumne geht unsere Kolumnistin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?