Zeit des Reifens - Foto 123RF © choreograph

Im Januar haben wir den Lehrvertrag von unserem dritten und jüngsten Kind unterschrieben. Dieses Kind hat es uns bezüglich Berufswahl einfach gemacht: Bereits im Kindergarten erklärte sie uns, sie werde einmal Krankenschwester und davon war sie nie abzubringen.

Den Kinderschuhen entwachsen und noch grün um die Nase …

Ganz allgemein fand ich diese Phase, wenn aus den Kindern Jugendliche werden und sie ihre berufliche Laufbahn einschlagen, eine spannende und wunderbare Zeit. Und da die jungen Leute heute ja meist nicht bei ihrem ersten Beruf bleiben, haben wir da auch noch etwas „Berufswahlluft“ vor uns.

… auf dem Weg zur Eigenständigkeit

In dieser Zeit der Berufs- oder auch Studienwahl geht es darum, die eigenen Stärken und Schwächen, Vorlieben und Ressourcen zu entdecken und in Bezug zur Berufswelt zu stellen. Die Persönlichkeit, welche sich (hoffentlich) in der Pubertät entwickelt hat, bekommt Profil und wichtige Entscheidungen dürfen (oder müssen?) getroffen werden.

Ich kann mich gut an diese besondere Zeit bei mir selbst erinnern. Ich hatte als 16-Jährige das Gefühl, vor einem riesigen Buffet zu stehen und die Wahl zwischen allen möglichen Wegen und Berufen zu haben und das fühlte sich herrlich an.

Doch was brauchen unsere Jugendlichen, damit sie mit Begeisterung vor diesem imaginären Buffet stehen können und eine gute Entscheidung treffen können?

Ich glaube, das Lösungswort hier heißt: REIFE. Und von den drei Reifwerdungsfaktoren die Gordon Neufeld beschreibt, geht es hier in erster Linie um jenen, der wahrscheinlich am wenigsten bekannt ist: die Emergenz.

Emergenz kommt vom lateinischen „emergere“, dass sich mit „das was herauskommt“ übersetzen lässt. Emergenz beschreibt bei unseren Jugendlichen jenen Prozess, wenn eine Persönlichkeit mit ganz eigenen Merkmalen entsteht und hervortritt. Emergentes Spiel sehen wir immer dann, wenn unser Kind sich mit ganz eigenen Ideen, die von seinem Innern kommen, beschäftigt.

Jugendliche, die vor einer solch großen Entscheidung, wie der Berufswahl stehen, können jedes bisschen Emergenz brauchen, das in ihnen steckt.

Wie wir die Emergenz einladen und ihr zur Entfaltung verhelfen können: Lesen Sie im nächsten Beitrag!

PS. Wer nicht so lange warten möchte: In der Podcast-Reihe „Was heißt schon reif?“ von bindungsbasiert.ch dreht sich in mehreren Folgen alles um die Reifwerdungsfaktoren.

Ihre Angela Indermaur

Ein Beitrag aus unserer Kolumne:

Menschen(s)kinder


Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In einer regelmäßig erscheinenden 14-tägigen Kolumne geht unsere Kolumnistin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?