Presse 7. Mai 2020
Norbert Blüm – Ein Nachruf
„Das große Abenteuer des Lebens hat mit Freiheit und Verantwortung zu tun… Und ein Leben ohne Vertrauen, eine Gesellschaft ohne Vertrauen ist gar nicht organisierbar… Wenn Optionen ohne Obligationen gilt, dann ist die Freiheit in Gefahr. Wenn Freiheit nicht von Verantwortung beschränkt wird, dann ist es die Freiheit wiederum von Idioten. Der Idiot hat keine Beschränkung. Er lebt aus dem Augenblick. Der Terror der Optionsmaximierung erledigt die Freiheit! Er überfordert die Menschen und er erledigt sich“, Auszüge aus einer Festrede im Jahr 2013 von Dr. phil. Norbert Blüm, die heute in 2020 aktueller hätte nicht sein können.
Norbert Blüm, geboren am 21.Juli 1935, entstammte einer katholisch-bürgerlichen Arbeiterfamilie. Sein Vater war Autoschlosser, die Mutter Hausfrau. Nach der Realschule absolvierte Blüm eine Lehre als Werkzeugmacher, später erwarb er parallel zum Beruf, sein Abitur auf einem Abendgymnasium. Seit Jugendzeiten war Norbert Blüm in vielerlei Ämtern und Bereichen engagiert. Von 1961 bis 1967 studierte er Germanistik, Philosophie und Katholische Theologie und promovierte zum Dr. phil. mit einem philosophisch-soziologischen Thema. 1964 heiratete er seine Frau Marita. Sie bekamen drei Kinder.
Schon mit 15 Jahren war Blüm in die CDU eingetreten, der er bis zu seinem Tod – und trotz häufigem Dissens zur politischer Ausrichtung – die Treue hielt. Blüm war launig und charmant, aber alles andere als „handzahm“. Oft nahm er gerechtigkeitsorientierte Positionen ein, die in seiner mehr und mehr „marktorientierten“ Partei keine Mehrheit fanden. Aber Blüm gab nie auf, und er nahm seinen sozialpolitischen Auftrag überaus ernst. Zugleich verfügte über das seltene Talent, Lacher zu erzeugen, ohne sich lächerlich zu machen. Unvergessen ist etwa der Eimer Wasser, den Blüm im Jahr 2000 dem Showmaster Rudi Carrell in dessen Sendung „Rudis Tagesshow“ vor laufender Kamera über den Kopf goss.
Der Familienmensch Blüm war glaubhaft und integer. Er setzte sich für Rente und Pflegeversicherung ein und schreckte auch nicht davor zurück, die Politik des damaligen Autokraten Pinochets in Chile offen anzuprangern. „Tue recht und scheue niemand“ war sein Lebensmotto.
1999 begann er den Rückzug aus seinen politischen Ämtern. 2002 schied er aus dem Bundestag aus. Aber er blieb sozial engagiert und politisch interessiert. Er äußerte sich mündlich und schriftlich in Vorträgen und Gastbeiträgen in namhaften Wochenzeitungen.
Einen seiner Vorträge zum Thema „Familie“ hielt er am 26.5.2013 als Festredner im Rahmen einer Feier des Familiennetzwerks, welches Norbert Blüm im Jahr 2013 den Matějček-Preis in der Goethe Universität Frankfurt verlieh. Blüms Festrede ist als Video und erstmals als Transkript digital zugänglich gemacht.
Leider habe sich auch die Partei, der er angehöre, an der „Entfunktionalisierung der Familie“ beteiligt, beklagte Blüm. Er geißelte den verbreiteten Hochmut gegen „bildungsferne“ Familien und hielt seine eigene Arbeitermilieu-Herkunftsfamilie in Bezug auf Bildung für „besser als jede Universität“, weil sie ihm „Rücksichtnahme, Anstand, Solidarität beigebracht“ habe. Blüm bezeichnete die Familie als unentbehrlich, und er glaubte an die Bedeutung einer verbindlichen lebenslangen Beziehung für das Lebensglück: „Die Ehe ist eine der letzten Bastionen gegen die totale Verstaatlichung des Menschen, die letzte antikapitalistische Konstruktion unserer Gesellschaft.“ Blüm forderte: „Ehe und Familie müssen gegen eine verwirtschaftende Gesellschaft und gegen eine verstaatlichte Kindheit verteidigt werden.“
Norbert Blüm war 16 Jahre lang Bundesminister. Er war mehr als 50 Jahre verheiratet und hat Kinder und Enkel. Die Familie war, weit vor aller Politik, sein wichtigster Lebensinhalt. Am 23. April 2020 verstarb Norbert Blüm im Alter von 84 Jahren im Kreis seiner Familie.
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