Joris flippt aus – ohne erkennbaren Grund - Foto iStock © Oksana_AlexWie irritiert manche der Tageskinder in ihrer Bindungsempfindung sind, zeigt folgendes Beispiel:

Joris, 2 Jahre und 6 Monate, flippt immer wieder aus dem Stand aus, ohne erkennbaren Grund. Er wird dann sehr wütend, geht auf die anderen los und wirft Sachen durch die Gegend.

Das „aus dem Stand ausflippen“ von Joris kommt durch die immer wieder aufflammenden Trennungs- und Verlassenheitsängste zustande. Dies kann während eines entspannten Spiels passieren, so dass ein aktueller Grund für Außenstehende nicht erkennbar ist.

Die Tagesmutter hat mit dem Wissen über die Ursachen der Wutanfälle Joris an einem Montagmorgen beobachtet und gesehen, wie er plötzlich wieder sehr unruhig wurde und die Hände verkrampfte. Sie hat sich zu ihm gesetzt und ihn gefragt, ob die Mama ihn heute abholt. Er bejahte das wild und sie führte das Gespräch weiter, indem sie fragte, ob sie mit dem Auto oder dem Pferd* kommt. Joris stand nach einer Weile auf und ging spielen. Es gab an dem Tag keinen Wutanfall. Am nächsten Tag war es der gleiche Ablauf, Joris wurde unruhig, die Tagesmutter nahm sofort wieder das Gespräch über die Mama auf. Mit diesem täglichen Vorgehen der Tagesmutter blieben die Wutanfälle die ganze Woche aus.

* Natürlich kommt die Mutter nicht zu Pferde, solche kleinen „Wortspiele“ helfen Kinder jedoch aus festgefahrenen Situationen herauszufinden.

Am Freitag sollte der Vater den Jungen abholen, worauf er sich sehr freute. Die Tagesmutter wartete mit Joris auf der Bank vor dem Haus. Dann kam jedoch die Mutter auf den Hof gebraust und Joris versteckte sich bei der Tagesmutter und wollte nicht zur Mutter.

Die Tagesmutter hat sofort das Problem aufgegriffen und gesagt, dass sich Mama und Papa wohl abgewechselt haben und jetzt sei Mama dran. Daraufhin ging Joris zur Mutter.

Indem die Tagesmutter Joris in seiner Not erkannt hatte und Worte für seine Ängste fand und sie diese aussprach, konnte Joris sich beruhigen, loslassen und spielen. Auch in der Abholsituation fing sie ihn auf durch eine ruhige vermeintliche Erklärung der Situation, die der zweijährige Junge noch nicht hinterfragen konnte.

Auch hier dürfte die Bindung an die Mutter unsicher sein, sonst hätte Joris sich über ihr Auftauchen gefreut.

Um die Bindung von Joris an die Mutter aus der Unsicherheit herauszuholen, müsste sie ihn bis zum Kindergarteneintritt aus der Tagesbetreuung nehmen und sich ganz auf ihr Kind einlassen, damit er sich angenommen und geliebt fühlt und die Bindung zu ihr festigen kann.

Ein Beitrag aus unserer Praxis-Rubrik:

KinderLeben – besser verstehen


Wenn die frühe Krippenbetreuung für Kinder eine zu hohe Belastung ist, zeigt sich dies in unterschiedlicher Weise an Verhaltensänderungen oder Verhaltensauffälligkeiten. Mit diesen Beispielen aus der Praxis von Kindertherapeuten, Erzieherinnen, Müttern, Tagesmüttern und ErziehungsberaterInnen wird dargestellt, wie überforderte Krippenkinder reagieren. Damit soll Eltern deutlich gemacht werden, in welcher Form und warum sich die Kinder im Verhalten verändern.

Dr. Erika Butzmann, Entwicklungspsychologin, erklärt nach jedem geschilderten Fall, welches Vorgehen der Eltern notwendig ist, um die Belastungen des Kindes aufzulösen oder zu reduzieren.