Rezension - Wie kommt das Glück in den Kopf - Gerald Hüther, Inge Michels

Gerald Hüther, Inge Michels
Wie kommt das Glück in den Kopf?
Gehirnforschung für Kinder
Kösel-Verlag, München
ISBN: 978-3-466-30892-7
80 Seiten
17,00 Euro

Die Freunde Felix und Feline lutschen ein Brausebonbon und erinnern sich an den wunderschönen Urlaub mit Felix‘ Papa und Felines Mama in Italien. Begonnen hat alles mit vielen „Bedenken-Gedanken“ der Erwachsenen, die stets mit dem Satz „Was wäre, wenn …“ begannen. Doch die werden von den kindlichen Gemütern schließlich vom Tisch gewischt, als Felix meinte: „Was wäre, wenn wir es einfach probieren würden?“

Die Erinnerungen an den Urlaub und das „eingewickelte“ Bonbon in hübschem Papier in Blau mit Zitronen bringt die beiden zum Nachdenken. Was ist eigentlich alles eingewickelt oder gar verwickelt? – Da geht es um Rückenschmerzen, die Felines Mama im Urlaub komischerweise nicht hat, oder die Migräne von Felix‘ Papa, die auf wundersame Weise in Italien wie weggeweht ist. Es geht um beobachtete Lieblosigkeit, die andere Kinder traurig macht. Und es geht um Begeisterungsfähigkeit, und dass auch Erwachsene alte Träume noch verwirklichen können (statt sie auf ihre Kinder zu übertragen). – Feline und Felix finden heraus, dass das alles etwas mit den „Bedenken-Gedanken“ zu tun haben muss und stellen fest: „Schade, dass Pesto kein Medikament ist. Grünes Pesto gegen Rückenschmerzen und rotes Pesto gegen Kopfschmerzen.“

Ein altes Fotoalbum bringt Feline schließlich auf das Geheimnis des Glücklichseins, denn auf den alten Fotos sieht Mama so fröhlich aus … Sie beschließt, eine Glücksaktion zu starten und sorgt dafür, dass Mama sich an die alten Erlebnisse erinnert. Komisch findet sie nur, dass Oma und Opa gar nicht so „verwickelt“ zu sein scheinen und geht auf Spurensuche. Im Austausch mit Felix und anderen Kindern in der Schule starten sie schließlich eine Aktion und gründen ein „Entwicklungsprojekt für Eltern“.

Gerald Hüther und Inge Michels haben zweifellos ein sehr charmantes und gelungenes Buch mit vielen kleinen und großen Ideen geschrieben, das schon Kindern ein Bewusstsein über Gefühle vermittelt und vor allem zeigt, dass es nie zu spät ist, um glücklich zu werden.

Glückskunde für Erwachsene

Eine kleine „Glückskunde für Erwachsene“ findet sich im zweiten Teil des Buches, die mithilfe vieler kleiner Beispiele leicht erklärt, wie Glück entsteht. Und so erfährt die Leserin bzw. der Leser, dass die Netzwerke und Verschaltungen im Gehirn sich erst im Laufe seiner Herausbildung individuell angelegen und stabilisieren. Was Menschen glücklich macht oder was als Glück individuell bewertet wird, hängt nämlich entscheidend von den Erfahrungen ab. Wir entwickeln also zum Beispiel mit sicheren emotionalen Bindungen oder auch trennenden Enttäuschungen, mit dem „Vorbild“ erstrebenswerter Werte oder auch negativer Erlebnisse im Gehirn die ureigene Vorstellung von Glück. Die Autoren betonen, dass das Gehirn allerdings „zeitlebens lernfähig“ und „ständig im Umbau ist“, sodass auch schlechte Erfahrungen nicht für immer eingebrannt sind, sondern mit entsprechenden Perspektivwechseln positiv verändert werden können.

Allerdings, so Hüther und Michels, gibt es einen wesentlichen Auslöser für Glück, und das ist nicht nur der Mix aus schönen und schlechten Erfahrungen, sondern auch das Zusammenspiel mit anderen Menschen:

„Wenn wir (…) auf diesem Planeten überleben wollen, müssen wir lernen, unser Zusammenleben konstruktiver als bisher zu gestalten: miteinander statt gegeneinander, verbinden statt trennend, achtsam statt rücksichtslos.“

Und: „Wir müssen selbst herausfinden, worauf es im Leben ankommt und wie es gelingen kann, ein glücklicher Mensch zu werden.“

Es genügt also nicht, dass wir unreflektiert die Erfahrungen anderer in unser Bewusstsein implementieren und diese dann gar nicht selbst zu machen brauchen, denn „auf dieser (eigenen) Suche „lernen wir, wie etwas geht, aber auch, wie etwas nicht geht“. Ein hervorragendes Potenzial für das Nicht-glücklich-sein ist auch eine Art Stillstand, ein Beharren auf bereits gemachte Erfahrungen bzw. der Unwille, sich auf neue, vielleicht abenteuerliche Erfahrungen, einzulassen: „Statt mit unseren Vorstellungen, müssen wir uns wieder mit unserer eigenen Lebendigkeit verbinden, mit unserer Entdeckerfreude und Gestaltungslust.“

„Deshalb“, so die Autoren, „sind Kinder glücklicher als (die meisten) Erwachsenen, jedenfalls so lange, bis sie beim Hineinwachsen in die Lebenswelt, die wir für sie als Erwachsene gestalten, immer deutlicher erfahren, wie schwer es ist, dazugehören zu dürfen, ohne sich dafür verbiegen oder gar selbst verleugnen zu müssen.

Kleine Kritik an der Veröffentlichung

Ein paar kleine Holpersteine schmälern zwar in keiner Weiser den Wert und die Sinnhaftigkeit des Buches, sollen aber erwähnt werden. Es ist zum Beispiel schwer vorstellbar, dass diese kleine italienische Band aus dem Dorf mit einem Klavier (sowie einer Sängerin und einem Gitarrenspieler) am Lagerfeuer erscheint. Ein weiterer inhaltlicher Punkt ist, dass Felix bereits die weiterführende Schule besucht, während Feline in die 2. Klasse geht. Dies verursacht beim Vergleich mit den illustrierten Kindern eher Verwirrung, da sie dort nahezu gleichalt wirken.

Des Weiteren sind Sprachstil, Handlungsverlauf, Satzlängen und Wortwahl eher zum Vorlesen als zum Selbstlesen geeignet, auch weil Guillemets statt der schultypischen An- und Abführungszeichen gewählt wurden.

Alles in allem empfehle ich das Buch frühestens ab 8 Jahre und nicht ab 6, auch unter dem Aspekt, dass die „Kleine Glückskunde für Erwachsene“ als zweiter Teil des Buches angelegt ist und nicht als separat eingelegtes Heftchen, denn als Eltern würde ich gerade bei kleineren, aber neugierigen Kindern, die vielleicht einen Blick in den zweiten Teil werfen, nicht wollen, dass sie zum Beispiel die Seiten über Psychostimulanzien lesen.

Wer diese kleinen Dinge zu reflektieren weiß, findet mit diesem Buch einen wunderbaren Weg, schon Kindern die Geheimnisse des Glücklichseins bewusstzumachen und zu erhalten!

von Beate M. Dapper

Gerald Hüther © www.gerald-huether.de

Über den Buchautor: Dr. Gerald Hüther

Jahrgang 1951, ist Neurobiologe und Autor zahlreicher Fach- und Sachbücher. Ein besonderes Anliegen ist dem dreifachen Vater, neue Wege anzustoßen, wie wir Kindern ihre angeborene Begeisterung fürs Lernen erhalten können. www.gerald-huether.de

Inge Michels © Maren Richter

Über die Buchautorin: Inge Michels

Jahrgang 1962, ist freiberufliche Bildungsjournalistin und arbeitet u. a. als Moderatorin von Fachveranstaltungen und Autorin. Sie vermittelt komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge für Familien, Praxis und Öffentlichkeit, sodass sie in den beruflichen und privaten Alltag Eingang finden. www.bildung-moderieren.de