Heute weiß man, dass Kinder mit einem ausgeprägten Bindungsinstinkt zur Welt kommen, der von alleine wirkt – eben ein Naturgesetz.
Ein Neugeborenes bindet sich an die Person, die es umfassend versorgt und sich kümmert. In der Regel ist dies die Mutter. Das Kind muss ihr körperlich nah sein, sie sinnlich wahrnehmen, sie sehen, hören, fühlen und berühren, riechen und schmecken können.
Bindung kann man sehen
Das kleine Kind bindet sich, indem es etwa unseren Finger fest umklammert. Ein spielerisches Angebot verleitet es, mit uns in Beziehung zu treten. Auf unsere ausgebreiteten Arme reagiert es, indem es seine Arme uns entgegen streckt. Durch Nachahmen und Nacheifern signalisiert es seine Bereitschaft, uns nah sein zu wollen.
Das Kleinkind, das Trennungs- und Verlassenheitsängste hat, klammert sich fest an seine Mutter. In den Augen seiner Eltern sucht das Kind nach Wärme und Wohlwollen. Jede fröhliche und freundliche Interaktion von Kindern und Eltern, jede intensive Umarmung ist Bindungsverhalten.
Wie spüren wir Bindung?
Im Alltagsgeschehen können wir leicht übersehen und nicht realisieren, dass unser Verhalten zu der Art und Weise, wie wir uns binden, beiträgt. Wir binden uns nicht bewusst. Bindung passiert nebenbei und doch können wir sie spüren, weil Gefühle im Spiel sind.
Wenn etwa jemand einen Raum betritt, wird die dort vorherrschende Stimmung wahrgenommen. Manchmal ist dicke Luft im Raum, eine bedrohliche Atmosphäre und wir fühlen, dass etwas nicht stimmt. Bei einer ausgelassenen Feier wird gelacht und es herrscht Freude und Optimismus.
Kinder spüren Bindung oder Ablehnung in jeder Faser ihrer Persönlichkeit:
Werden sie wahrgenommen, wenn sie einen Raum betreten oder zu einer Gruppe hinzustoßen?
Schauen die Eltern das Kind an, wenn es das Zimmer betritt oder bleibt deren Blick auf dem Smartphone kleben?
Werden die Signale der vorsprachlichen Kinder von den Eltern bemerkt und sehen sie das, was das Kind tut?
Unsere Bindungsgefühle geben uns Hinweise, registrieren und verarbeiten die Situation.
Unsere Gefühle bestimmen an wen wir uns binden
Mit Menschen, an die wir uns gebunden haben, teilen wir die intensivsten Gefühle. Wir sind verliebt ineinander, schauen uns oft in die Augen, berühren uns, tauschen Zärtlichkeiten aus, mögen die gleichen Dinge, teilen sogar ähnliche Gedanken und gehen achtsam mit ihnen und ihren Gefühlen um. Wir haben blindes Vertrauen.
„Es war Liebe auf den ersten Blick“, so beschreiben viele Mütter ihre Gefühle beim ersten Anblick ihres Babys. Andere Mütter brauchen Zeit zum Kennenlernen. Eine tiefe Bindung und bemutternde Gefühle entwickeln sich erst allmählich im Zusammensein mit dem Baby. Mit ihrer Zuneigung und Fürsorge signalisiert die Mutter dem Baby: „Ich sorge für dich, du kannst dich auf mich verlassen, du darfst dich bei mir weich und verletzlich zeigen.“
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Je mehr sich das Kind verstanden und angenommen fühlt, umso mehr festigt sich die Eltern-Kind-Bindung. Das daraus entstehende Urvertrauen gibt ihm das Selbstvertrauen, andere Bindungen einzugehen und andere Bezugspersonen zu akzeptieren.
Unsere Gefühle geben uns Bindungssignale
Erschrocken und traurig sind wir, wenn uns nahestehenden Menschen etwas passiert. Und wenn uns jemand enttäuscht, sind wir verzweifelt oder gar wütend. Das kann man auch sehen.
Kinder, die sich nicht verstanden fühlen, reagieren mit Unmut. Erkennen Eltern ihr Fehlverhalten und verändern ihre Einstellung zum Kind, weil sie es verstanden haben, antworten die Kinder darauf mit Bindungsverhalten:
so reagiert etwa ein 6-Jähriger, der durch eine dauerhafte ganztägige Fremdbetreuung ständig frustrierende Erfahrungen mit seinen Eltern gemacht hat, nach dem veränderten Elternverhalten mit dem Zeigen einer banalen Sache, die er gemacht hatte. Das war ein Bindungsangebot des Jungen nachdem er die veränderte Einstellung seiner Eltern und das veränderte Verhalten ihm gegenüber bemerkte.
Bindung ist ein sehr intensives Gefühl
Unsere Gefühle teilen uns mit, wenn wir anfangen uns zu binden und wenn die Bindung zu Ende geht. Ausgesprochen intensiv erleben wir Gefühle, wenn wir keinen Einfluss auf die Dauer der Bindung haben, wie etwa verlassen zu werden oder der Tod eines geliebten Menschen.
Besonders auch Kleinstkinder fühlen den Schmerz und sind frustriert, ärgerlich oder reagieren gar wütend, wenn „ihre Bindungsperson“ abwesend ist. Und sie können eifersüchtig sein, wenn sich die Person, an die sie sich gebunden haben, um anderes und andere kümmern. Geschieht dies häufig verankern sich die negativen Gefühle und werden im Gehirn in der Art und Weise abgespeichert wie: ich bin böse.
„Kinder unter vier Jahre halten sich schnell für böse, wenn sie oft kritisiert werden und sich nicht verstanden fühlen. Denn zwischen drei und vier Jahren sind sie im Regelverstehen so weit, zwischen gut und böse unterscheiden zu können“, Dr. Erika Butzmann, Erziehungswissenschaftlerin.
Wie groß die Sehnsucht ist, geliebt zu werden, geborgen aufzuwachsen und Nähe und Zuwendung zu spüren, wird deutlich, wenn die Tür aufgeht und Mama wieder da ist. Das löst eine unbändige Freude beim kleinen Kind aus.
Kinder, die das Bild der liebenden und geliebten Eltern im Herzen tragen, finden darin Trost und Halt. Prof. Dr. Gordon Neufeld, Professor für klinische Psychologie und Entwicklungspsychologe, formuliert es so:
„Es gibt keine größere Nähe als das Gefühl, jemandem vertraut und jederzeit willkommen zu sein und von ihm so wie man ist gemocht, akzeptiert und angenommen zu werden.“
von Redaktion fürKinder
Links zum Thema
Unsere Kinder brauchen uns! Die entscheidende Bedeutung der Kind-Eltern-Bindung, Prof. Gordon Neufeld, Buch: Genius Verlag 2006, DVD: Genius Verlag 2011
Elternkompetenzen stärken, Dr. Erika Butzmann, Reinhardt-Verlag, München
Bindung entdecken: sicher gebunden – stark fürs Leben, Baustein: Bindung, Stiftung Zu-Wendung für Kinder