Eltern und Kinder im Lockdown - Foto iStock © bernardbodoTipps für einen entspannten Umgang miteinander

Viele Voraussetzungen und vermeintliche Selbstverständlichkeiten bei der viel zitierten Vereinbarkeit von Beruf und Familie geraten in außergewöhnlichen Situationen wie der derzeitigen Pandemie ins Wanken. Kleinst- und Kleinkinder haben krippen- und kindergartenfrei, ältere Kinder müssen teilweise in Homeschooling unterrichtet werden und Teenagern war es zeitweise untersagt sich mit Freunden zu treffen. Alle Familienmitglieder waren und sind sehr viel häufiger und näher beieinander. Berufstätige Eltern müssen die Arbeit im Homeoffice mit der Betreuung ihrer Kinder vereinbaren. Die erzwungene Nähe ist sicher für viele Familien eine Chance auf mehr Vertrautheit und intimere Beziehung. Dass aber viel Nähe auch viel Stress bedeuten kann, wird manchen Eltern erst jetzt deutlich. Wenn die Spannungen wachsen und die Nerven blank liegen, ist es Zeit, sich auf Entspannungsmethoden und Verfahren zur Stressbewältigung zu besinnen.

Im folgenden Beitrag gibt die Autorin des Bestsellers „Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen“, Philippa Perry, Mutter und seit 20 Jahren praktizierende Psychotherapeutin, erprobte Tipps zu Bewältigung dieser Herausforderungen:

Erst spielen, dann arbeiten

Es ist heikel, wenn die Kinder um einen herum sind und man nicht ganz bei ihnen sein kann, weil man arbeiten muss. Wenn die Eltern da sind, aber nicht mit einem spielen, auch wenn einem gesagt wurde, es sei, weil sie arbeiten müssen, empfindet das Kind dies als Ablehnung. Am besten ist es, zuerst mit ihnen zu spielen und zu versuchen, sie auf etwas zu bringen, das ich „Autopilot“ nenne. Was auch immer Eltern spielen, die Kinder werden sie irgendwann ablösen, weil sie als Mutter oder Vater es nicht richtig machen. Die Kinder werden sich jedoch sicher fühlen, weil die Eltern sich für sie interessieren und sich mit ihnen beschäftigen, so dass die Kinder nicht ständig nachschauen müssen. Die Eltern werden sich allmählich zurückziehen können, sodass sie in der Lage sind, ohne so viele Unterbrechungen zu arbeiten.

Qualität: Zeit zählt

Sorgen Sie sich nur um die Qualität der Zeit, die Sie haben, wenn Sie bei ihren Kindern sind, denn das ist das Wichtigste. Es ist eigentlich egal, ob sie das Schulprojekt beenden oder nicht. Was zählt, ist, dass Eltern und Kinder gerne zusammen sind.

Sechs Monate sind für einen Heranwachsenden wie ein ganzes Leben

Als Teenager dreht sich alles darum abseits der Familie, eine neue Gruppenzugehörigkeit zu finden. Sie sind bereit, sich zu trennen, sie sind bereit, Ihren Weg in der Welt zu gehen, sie sind auch bereit, sich an einen Partner zu binden und sie wollen unbedingt so weiterleben wie bisher! Für uns sind sechs Monate nichts, für einen Jugendlichen ist ein Lockdown wie ein anderes Leben. Es ist erklärlich, dass sie wütend und frustriert sind, da sie diese neuen Erkundungen im Lockdown bremsen müssen. Wir sollten Verständnis dafür haben, dass sie die einzige Generation sind, die nicht in der Lage ist, die Erfahrungen zu machen, auf die sie sich so sehr gefreut haben.

Jugendliche haben ungebremste Impulse und gemischte Gefühle

Emotionen sind der Höhepunkt im Gehirn des Teenagers. Sie können in Farbe fühlen, und unsere Gefühle sind im Vergleich dazu schwarz-weiß. Aber ihre Frontallappen –die Großhirnrinde, in der wir denken und argumentieren – ist noch nicht vollständig verdrahtet. Sie haben also alle Impulse, aber nicht notwendigerweise den Mechanismus, um diese Impulse im Zaum zu halten, diese entwickeln sich noch.

Wir können die Unwegsamkeiten des Geschehens nicht reparieren, aber wir können unseren Jugendlichen zur Seite stehen

Es ist wichtig zu erkennen, dass wir die Situation für die heranwachsenden Kinder nicht regeln können, obwohl wir es wollen – wir wollen, dass sie diese tolle Zeit haben. Wir können es nicht in Ordnung bringen, aber wir können an ihrer Seite sein. Wenn sie wissen, dass wir sie verstehen – dadurch wird diese Unwegsamkeit nicht beseitigt – aber unser Verständnis wird es ein bisschen besser machen.

Geben Sie der Sache Zeit

Der Coronavirus/Covid 19 ist noch in den Kinderschuhen und wir müssen diese Unwegsamkeiten noch nicht geklärt haben. Jeder wird die Sache auf seine eigene Art und Weise lösen, so wie wir die Dinge immer auf ihre eigene Art und Weise lösen.

Üben Sie, Veränderungen zu akzeptieren

Vielleicht kämpfen Sie damit, nicht zu wissen, wann dies vorbei sein wird und fragen sich, wie Sie damit umgehen können, nicht zu wissen, was die Zukunft bringt. Aber Sie wussten nie, was die Zukunft bringt. Wir machen uns einfach vor, dass es so etwas wie Gewissheit gibt. Das Einzige, was sicher ist, ist, dass sich alles ständig ändert, und der Unterschied zwischen gesund und verrückt besteht manchmal darin, ob wir in der Lage sind, Veränderungen zu akzeptieren oder sie weiterhin zu leugnen. Jetzt ist es für uns alle an der Zeit, uns darin zu üben, Veränderungen zu akzeptieren.

Redaktion fürKinder

Links zum Thema

ELTERNZUFRIEDENHEIT: Wohlbefinden von Familien in Zeiten von Corona: Eltern mit jungen Kindern am stärksten beeinträchtigt, Umfrage, DIW Wochenbericht 30+31 – 2020

Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen: und deine Kinder werden froh sein, wenn du es gelesen hast, Philippa Perry

Philippa Perry gibt im Interview einige Praxisbeispiele aus ihrem Buch preis, ttt – titel, thesen, temperamente, ARD vom 5.4.2020 – verfügbar bis zum 5.4.2021

Im Sog der Zeitschleife von Philipp Krohn, Frankfurter Allgemeine,