Eltern-Betreuungsgeld oder Herdprämie - Foto © Kerstin PukallFrage: Was denken Politiker über die finanzielle Lage von Familien und den „Lastenausgleich“ zwischen Eltern und Paaren ohne Kinder einerseits sowie zwischen selbt-erziehenden Eltern und Eltern, die eine überwiedgend staatlich finanzierte Fremdbetreuung in Anspruch nehmen?

Antwort: Neuerdings häufen sich Äußerungen von Politikern, die den Eindruck erwecken, dass Eltern das Kindergeld massenhaft verschwenden.

Zusätzliche finanzielle Hilfen für Familien seien deshalb nicht nur unnötig, sondern sogar schädlich. Eltern, die „drastisch ausgedrückt – schon das Kindergeld versaufen“, dürfe man nicht noch 150,- Euro zusätzlich geben, meinte der CSU Bundestagsabgeordnete Wolfgang Zöller. Ein Betreuungsgeld für Kleinkinder führe die Eltern in die Versuchung, „die Kinder zu Hause zu lassen, sie vor den Fernseher zu setzen und das Geld zu kassieren“, warnte Friedbert Pflüger (CDU). Damit würden „soziale Probleme zementiert oder sogar verschärft“, weil „vor allem in Großstädten viele Elternhäuser nicht mehr annähernd in der Lage seien, ihre Kinder vernünftig zu erziehen“.


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Mit vergleichbaren Argumenten wird ein Betreuungsgeld von Sozialdemokraten und den GRÜNEN strikt abgelehnt. Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Cornelia Pieper nannte es ein „Schnapsgeld“. Die frühere Bundesfamilienministerin von der Leyen meinte, das an die Eltern gezahlte Geld dürfe nicht in „noch größere Flachbildschirme“ fließen. Sie und ihre Politikerkollegen können sich Flachbildschirme ebenso selbstverständlich leisten wie Opernkarten, Restaurantbesuche und Urlaubsreisen. Darin unterscheiden sie sich von vielen Familien – wie die Analyse der amtlichen Statistik zeigt.

Über welches Budget verfügen Familien?

Zur finanziellen Situation von Familien gibt die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamts Auskunft. Ihr ist zu entnehmen, dass kinderlose Paare 2003 im Durchschnitt über ein Nettoeinkommen pro Kopf von 1718 EUR verfügten. Leben Kinder im Haushalt, sinkt das Einkommensniveau drastisch: Paare mit einem Kind müssen mit 1155 EUR, Paare mit zwei Kindern mit 1016 EUR und Paare mit drei Kindern mit 893 EUR pro Kopf auskommen.

Der größte Teil der Ausgaben in einer Familie kommt allen Familienangehörigen zugute. Mit ihnen werden die Kosten für die Wohnung, Essen und Trinken, die Haushaltsgeräte, die gemeinsamen Aktivitäten usw. bestritten. Trotzdem lassen sich mit Hilfe statistisch-methodischer Verfahren die Konsumausgaben der Familien nach den Ausgaben für Erwachsenen und für Kinder unterscheiden. Die errechneten Ergebnisse sind nicht mit den Lebenshaltungskosten insgesamt gleichzusetzen. Es fehlen die über den Konsum hinausgehenden Ausgaben. Diese Ausgaben, zu denen unter anderem Versicherungsbeiträge, Kreditzinsen und Sozialversicherungsbeiträge zählen, haben in den letzten Jahren überproportional zugenommen. Trotz dieser Einschränkung verdeutlichen die Berechnungen, was Eltern 1998 und 2003 für ihre Kinder ausgaben, wie viel Geld und für welche Zwecke.

Wofür geben Familien ihr Geld aus ?

Die Ausgaben von Familien verteilen sich auf verschiedene Aufgabenbereiche. Bei Paarhaushalten entfallen etwa ein Viertel, bei Alleinerziehenden sogar fast 30 Prozent der Ausgaben für Kinder auf Wohnen und Energie. Fast ein Drittel der Ausgaben für Kinder entfällt auf Nahrung und Bekleidung. Paare mit Kindern verwenden mehr als die Hälfte der Ausgaben für ihre Kinder für den Grundbedarf an Ernährung, Kleidung sowie Wohnen und Energie. Alleinerziehende geben sogar fast 60 Prozent der Ausgaben für Kinder für die materielle Grundversorgung aus. Der Anteil der materiellen Grundversorgung an den Ausgaben für die Erwachsenen ist kaum niedriger. Mehr als die Hälfte ihrer gesamten Ausgaben wenden Familien durchschnittlich allein für ihre Grundbedürfnisse nach Essen und Trinken, Wohnung und Bekleidung auf.

Für Freizeit, Kultur, Unterhaltung und Bildung werden etwa 20 Prozent des Budgets für Kinder verwandt. Die anteilsmäßigen Ausgaben der Erwachsenen hierfür sind deutlich geringer. Nicht unerheblich sind auch, bei Erwachsenen wie Kindern, die Ausgaben für Innenausstattung und Haushaltsgeräte (Küchengeräte, Möbel etc.) sowie für Verkehr und Mobilität. Weniger ins Gewicht fallen Aufgabenbereiche wie die Gesundheitspflege, die Nachrichtenübermittlung und die Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen.

Im Vergleich zu 1998 hatten 2003 vor allem die Ausgaben für Wohnen und Verkehr deutlich zugenommen. Grund hierfür war vor allem der Anstieg der Energiekosten. Für eine Familie mit zwei Kindern hatte dies zur Folge, dass sie 2003 pro Monat 112 EUR mehr für Wohnen ausgeben musste als 1998.

Gestiegen sind auch die Kosten für Nachrichtenübermittlung, insbesondere durch die Verbreitung von Handys. Darin spiegelt sich sicherlich wieder, dass manche Eltern überzogenen Ansprüchen von Kindern nachgeben. Andererseits geben Handys vielen Eltern Sicherheit, wenn die Kinder alleine unterwegs sind und erleichtern terminliche Absprachen. Hierfür spricht, dass bei Alleinerziehenden vergleichsweise die höchsten Ausgaben für Nachrichtenübermittlung anfallen.

Wofür fehlt einkommensschwachen Familien das Geld?

Einkommensschwache Familien müssen einen größeren Anteil ihres Einkommens für die Grundbedürfnisse von Erwachsenen und Kindern aufbringen. Insgesamt ist bei ihnen der Anteil der Ausgaben für Kinder jedoch höher als in der obersten Einkommensgruppe. Das Statistische Bundesamt schließt daraus, dass „Mütter und Väter bei den Ausgaben für den privaten Konsum zuerst an ihrer eigenen Lebenshaltung Abstriche machen und Wohlstandsverluste hinnehmen, ehe sie Ausgaben für ihr(e) Kinder reduzieren“.

Familien der einkommensschwächsten Gruppe müssen sehr sparsam haushalten. Da diese Haushalte in der Regel kein oder nur wenig Vermögen besitzen, müssen sich manche von ihnen verschulden. Bereits die Ausgaben für eine Klassenfahrt zu bestreiten, fällt vielen dieser Familien schwer. Für unvorhergesehene Ausgaben wie Reparaturen von Haushaltsgeräten können kaum Rücklagen gebildet werden. Zusätzliches Geld wird von diesen Haushalten vermutlich weniger für „größere Flachbildschirme“ oder „die musikalische Früherziehung“, sondern für die Reparatur der Waschmaschine benötigt.

Fazit: Eltern leisten Konsumverzicht – Gutscheine sind widersinnig

Kinder kosten viel Geld – je älter sie werden desto mehr. Eltern nehmen zugunsten ihrer Kinder freiwillig Einbußen an Wohlstand in Kauf. Kindergeld und steuerliche Freibeträge sollen die finanzielle Belastung von Eltern verringern. Sie sind deshalb kein zusätzliches Einkommen für Eltern, sondern lediglich ein Stück Lastenausgleich im Verhältnis zu Personen in vergleichbarer Position, die nicht für Kinder zu sorgen haben.

Der Lastenausgleich zwischen Eltern und Kinderlosen war über Jahrzehnte das zentrale Ziel der Familienpolitik. In der neuen Familienpolitik spielt er, wie die Stellungnahme der Bundesregierung zum 7. Familienbericht zeigt, keine Rolle mehr. Ziel der neuen Familienpolitik ist die kontinuierliche Erwerbstätigkeit beider Elternteile und die damit verbundene umfassende institutionelle Betreuung der Kinder. Als Rechtfertigung für den Ausbau der öffentlichen Erziehung muss der Öffentlichkeit eingeredet werden, dass Eltern massenhaft in der Erziehung versagen und viele ihre Kinder vernachlässigen. Zusätzliche finanzielle Mittel sollen deshalb nicht mehr den Eltern, sondern dem Ausbau der institutionellen Kinderbetreuung zufließen. Den Ausbau der Kinderbetreuung halten Verantwortliche im Bundesfamilienministerium angesichts der Erziehungsunfähigkeit der Eltern für „Erfolg versprechender“ als ein Betreuungsgeld für die häusliche Kindererziehung einzuführen oder das Kindergeld zu erhöhen. Den Eltern soll nicht mehr bares Geld gegeben werden. Allenfalls dürfen sie „Gutscheine“ für staatlich definierte und angebotene Leistungen erhalten.

Selbst nach Auskunft des Bundesfamilienministeriums deckt jedoch das Kindergeld höchstens durchschnittlich bis zu einem Drittel der für Kinder entstehenden Aufwendungen ab. Selbst einkommensschwachen Eltern, die vergleichsweise wenig Geld für ihre Kinder ausgeben, ersetzt das Kindergeld nicht einmal die Hälfte der Ausgaben für ihr Kind. Den größten Teil ihrer Ausgaben verwenden Familien durchschnittlich für Wohnen, Ernährung und Bekleidung. Das Geld, das Eltern vom Staat erhalten, ist für diese Grundbedürfnisse daher von vornherein schon ausgegeben. Selbst wenn die Eltern dies wünschten: Für Flachbildschirme und Spirituosen kann es damit nicht mehr verwendet werden.

Eltern müssen – anders als Kinderlose – nicht nur ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten, sondern auch den ihrer Kinder. Das staatliche Kindergeld entlastet sie etwas, kann aber die Aufwendungen für Kinder bei weitem nicht decken. Zudem entfällt insbesondere bei Familien mit mehreren Kindern, wenn ein Elternteil vorübergehend oder längerfristig nicht (voll)erwerbstätig ist, ein erheblicher Teil des Familieneinkommens, so dass die Eltern ihr früheres Konsumniveau nicht aufrechterhalten können. Um die Bedürfnisse der Kinder zu befriedigen, müssen sie Höhe und Struktur ihrer Ausgaben verändern. Sie kaufen deshalb preiswerter ein und verzichten auf den Erwerb bestimmter Waren und Dienstleistungen.

Einkommensschwache Familien sind gezwungen sparsam zu wirtschaften. Dabei sparen sie eher an ihren eigenen Ausgaben als an ihren Kindern. Gutscheine für die frühkindliche Musikerziehung helfen in ihrer finanziellen Lage nicht weiter. Auch Schulden kann man damit nicht begleichen. Einkommensstarke Familien können solche Gutscheine dagegen besser verwenden. Schließlich geben sie erhebliche Summen für Hobbys, Nachhilfe und Kursgebühren aus. Die können sie dann mit dem Gutschein bezahlen – und das eingesparte Geld z. B. für Restaurantbesuche oder Urlaubsreisen verwenden.

von Dr. Stefan Fuchs


Im Elterngeld-Monitor heißt es: „Im Auftrag des Bundesfamilienministeriums hat das DIW Berlin im Februar 2012 die Evaluierung des Elterngeldes fertiggestellt. Die Ergebnisse belegen den Erfolg des Elterngeldes: Das Elterngeld verschafft allen Eltern nach der Geburt einen Schonraum in finanzieller Sicherheit und hat dazu geführt, dass die Erwerbsbeteiligung von Müttern mit Kindern im zweiten Lebensjahr gestiegen ist. Es hat die Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung in der ersten Zeit nach der Geburt eines Kindes gestärkt. Es entfaltet damit die ihm vom Gesetzgeber zugedachten Wirkungen.“

Links zum Thema

„Informationen des Familienministeriums zum Elterngeld“, BMSFSJ

Evaluation des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit – Endbericht 2008

„Elterngeld-Monitor“, Instituts der deutschen Wirtschaft