Erziehungsstil der Eltern prägt die Persönlichkeit - Foto Fotolia © oksun70Kinder sind schon bei der Geburt etwas je Besonderes, Unverwechselbares. Aber in der Diskussion um „gelingende Kindheit“, in den tausenden von Ratgeber-Büchern über Kindererziehung und selbst in der wissenschaftlichen Forschung geht es fast ausschließlich um die richtige, die angemessene Erziehung und den Einfluss elterlicher Erziehungsstile auf die Entwicklung der Kinder.

Erziehung ist keine Einbahnstraße!

Tatsächlich aber wissen wir aus eigenem Erleben und aus den – wenigen – Studien dazu, dass die genetische „Grundausstattung“, die Vorprägungen, die die Kinder bei der Geburt mitbringen, ihrerseits die Handlungen, Gefühle und Reaktionen der Eltern entscheidend beeinflussen. Die Kinder prägen also den Erziehungsstil der Eltern mit, der sie wiederum prägt.

Diese eigentlich selbstverständliche, aber ständig vernachlässigte Einsicht wird jetzt in einer Meta-Studio von der Universität von Jerusalem mit fast 15.000 Zwillingspaaren eindruchsvoll belegt:

Die Forscher verglichen dabei die Art der Betreuung und die Erziehungsstile der Eltern von eineiingen, genetisch identischen und andererseits von nicht identischen Zwillingen. Die Frage: Behandeln Eltern ihre genetisch gleichen Zwillinge tatsächlich gleich und ihre genetisch unterschiedlichen Zwillinge ungleich? Provoziert die unterschiedliche genetische „Ausstattung“ der Kinder eine unterschiedliche Reaktion der Eltern?

Bei der Geburt sind Kinder keine unbeschriebenen Blätter

Und in der Tat: Die unterschiedlichen „mitgebrachten“ Temperamente und Charakterzüge der Neugeborenen führte in einem Viertel der Fälle zu unterschiedlichen Erziehungsstilen der Eltern. In anderen Worten: Die genetische Ausstattung der Kinder bestimmte zu einem erheblichen Teil die Betreuungs- und Erziehungsstile der Eltern.

„Der Druck lastet heute auf die Eltern, Kinder zu produzieren, die in jeder Hinsicht, akademische wie sozial, Hervorragendes leisten,“ so eine der Autorinnen, Prof. Reut Avinun. „Da Kinder aber in Wirklichkeit nicht als unbeschriebene Blätter, als Tabula Rasa geboren werden, fanden wir es wichtig, die Geschichte von ihrer Seite her zu betrachten, zu zeigen, dass sie ihre Umwelt und vor allem das Verhalten ihrer Eltern beeinflussen können.“ 

Je deutlicher sich die genetisch bedingten Charakterzüge mit zunehmendem Alter ausprägen, um so größer ist der Einfluss auf das Verhalten der Eltern. Bei allen Erziehungsratschlägen, so die Autoren, müssten beide Seiten, Kind und Eltern, und ihre Wechselbeziehung betrachtet werden. Da reiche oft nicht eine Empfehlung für die ganze Familie sondern nur individuelle Ratschläger für jedes einzelne Eltern-Kind-Verhältnis.

Keine Erziehungsregel passt für alle

Da alle Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen geboren würden, könne es gar keine allgemein verbindlichen Erziehungsregeln geben. Prof. Avinun: „Jedes Kind braucht individuell unterschiedliche Umweltbedingungen, um seine Potentiale auszuschöpfen. Eltern sollten daher nicht zu viel Energie in das Ziel der Gleichbehandlung ihrer Kinder investieren und stattdessen jedes Kind je nach seinen Voraussetzungen fördern.“ 

von Redaktion fürKinder

Links zum Thema

R. Avinun, A. Knafo., Parenting as a Reaction Evoked by Children’s Genotype: A Meta-Analysis of Children-as-Twins Studies. Personality and Social Psychology Review, August 2013, vorab online veröffentlicht

Neunter Familienbericht „Eltern sein in Deutschland“, Bundestagsdrucksache, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 10.5.2021

Quelle: Science Daily