Grafik - Der Stress steigt

Der Stress am Arbeitsplatz hat zugenommen in den vergangenen zwei Jahren. Das zumindest empfinden 43 Prozent aller Beschäftigten nach dem neuen „Stress-Report“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Vor allem die in Teilzeit arbeitenden Frauen berichten von mehr Stress-Steigerung als die Männer.

Gesundheitliche und soziale Folgen für Eltern und Kinder

Mehr als die Hälfte der Befragten fühlen sich direkt betroffen von den sechs wichtigsten Stress-Faktoren – Frauen mehr als Männer.

Bei der Frage: „Wie häufig gelingt es Ihnen bei der Arbeitszeitplanung auf Ihre familiären und privaten Interessen Rücksicht zu nehmen“, sagen 41 Prozent der Befragten „selten“ oder „nie“. Überraschend dabei: Männer haben offensichtlich größere Probleme mit der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben als Frauen. Das mag damit zu tun haben, dass Teilzeitarbeit in Deutschland eine „Frauendomäne“: 46 Prozent der beschäftigten Frauen, aber nur sechs Prozent der Männer arbeiten in Teilzeit.

Empfinden und Befindlichkeit

Darüber hinaus geht es bei Befragungen wie dieser um persönliche Empfindungen, um subjektive Befindlichkeiten. Das Stress-Empfinden ist abhängig von vielen persönlichen Merkmalen – und dazu gehören Unterschiede zwischen den Geschlechtern aber eben auch Veränderungen in Wahrnehmung und Verhalten etwa der „neuen Männer“, die in allen aktuellen Umfragen den Mangel an Zeit für die Familie heftig beklagen.

Grafik - Vereinbarkeit

In anderen Worten: Die alarmierenden Befunde des „Stress-Reports“ sprechen einerseits für strukturelle Mängel, eine „Familienfeindlichkeit“ in der Arbeitswelt von heute, andererseits aber gerade auch für das wachsende Verlangen und die Ungeduld sowohl von Frauen und vor allem Müttern als auch von Männern/Vätern, diese Strukturen zu ändern – nicht nur um ihrer selbst willen und ihrer Befindlichkeit sondern auch – und bei den jungen Müttern und Vätern sicher überwiegend – aus Sorge um das Wohl der ihnen anvertrauen Kinder.

Grafik - Stressfaktoren

Unsicherheit, finanzelle Zwänge und Fremdbetreuung – Folgen für die Zukunft

Hektik und Unsicherheit, Fremdbetreuung auch der Kleinsten vor allem durch finanzielle und soziale Zwangslagen schaffen ein Klima, in dem Kinder kaum eine Chance haben, sich aus gesicherter Bindung an vertraute Personen lernend die Welt zu erobern. Die Eltern empfinden immer stärker den Gegensatz von finanzieller Notwendigkeit, sozialem Anspruch und dem eigenen Recht auf Selbstverwirklichung auf der einen und die Verantwortung für die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Kinder auf der anderen Seite als Stress.

Derzeit beschäftigt sich die Politik vor allem und mit großem Aufwand nicht mit der Beseitigung oder auch nur der deutlichen Milderung dieses Widerspruchs, sondern mit den Fluchtwegen aus diesem Dilemma. Aus purer Verlegenheit und gegen alle wissenschaftlichen Einsichten werden die Fluchthilfen dann auch noch als Sprungbretter in eine glänzende Zukunft umgedeutet. Die massenhafte, milliardenschwere Fremdbetreuung von Einjährigen hat nichts mit frühem Lernen und Bildung, viel aber mit früh angelegten psychischen und Verhaltensstörungen zu tun.

Die gleiche Gesellschaft, die heute die Eltern zwingt, ihre Kleinkinder für den größten Teil des Tages an Institutionen abzugeben, zwingt die gleichen Eltern morgen, mit ihrem so gewonnenen Einkommen die Beseitigung der sozialen und gesundheitlichen Folge-Katastrophen zu finanzieren.

Kein Wort dazu im „Stress Report“

Bezeichnenderweise verliert der „Stress Report“ über diese Stressfolgen nicht ein einziges Wort. Immerhin wird auf die messbaren Gesundheitswirkungen, die typischen Stresserkrankungen, bedauernd hingewiesen. Die Stressfolgen, wie die rund 60 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage pro Jahr aufgrund psychischer Erkrankungen – ein Anstieg um mehr als 80 Prozent in den vergangenen 15 Jahren – werden sozusagen als volkswirtschaftlicher Kollateralschaden der Wachstums- und Leistungsgesellschaft registriert und mit 10,3 Milliarden Euro/Jahr („Ausfall der Bruttowertschöpfung“) beziffert. Auch bei den Gesundheitsfolgen sind die Frauen deutlich stärker betroffen als die Männer.

Dass in dieser zunehmend gestressten Gesellschaft aber gestresste Kinder heranwachsen mit den  – bekannten! – Folgen für deren körperliche, intellektuelle und psychische Entwicklung, wird entweder völlig ausgeblendet, wie hier im „Stress Report“, oder mit wohklingenden Absichtserklärungen und Leerformeln zugedeckt, etwa in den immer zahlreicher werdenden Auftragsstudien der Regierung und in deren Präsentation vor einer gerührten Öffentlichkeit.

von Redaktion fürKinder