Kinderfreundliche Unternehmen - Die ZEIT singt das Hohelied der BetriebskitaDer „Medienhype“ zum Thema: „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ nährt sich in 2013 zunehmend von der begeisterten Präsentation „familienfreundlicher Unternehmen“ als Trendmodelle für eine harmonische „Arbeitszeit-Familienzeit-Zukunft“.

Sind familienfreundliche Unternehmen auch kinderfreundlich?

Orientieren sich die Modelle an den Interessen der Kinder oder doch eher an denen der Unternehmen und an ihren „Einkaufsstrategien“ für qualifiziertes und motiviertes Personal? Diese Fragen aber werden selbst in den führenden Print- und Online-Medien fast nie gestellt.

Drei Beispiele: Dem euphorischen „Wir gehen Arbeiten“ in der ZEIT (Nr. 6, 21.01.2013, S. 21-22) folgte in der FAZ Betriebskitas: Ein Herz für Kinder und aus Sicht der Väter die Trendstudie moderne Väter mit „Best-Practice“-Beispielen aus Unternehmen.

Da zeichnet sich so etwas wie ein Trend ab

Schon seit 2005 veranstaltet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) einen Unternehmenswettbewerb zur „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ im Rahmen des Programms Erfolgsfaktor Familie – mit steigenden Teilnehmerzahlen. Im Jahr 2012 waren das immerhin 532 Bewerber.

Seit Anfang 2013 wird nicht nur die Einrichtung eines Betriebkindergartens bezuschusst, sondern auch der Betrieb selbst – mit immerhin 400 Euro pro Platz/Monat, zunächst für zwei Jahre.

Mitarbeiter finden und binden durch Kinderbetreuung

Die journalistischen Loblieder auf diese Anstrengungen von immer mehr Unternehmen in Deutschland für die Betreuung von Angestelltenkindern übersehen merkwürdigerweise den eigentlichen Kern der Debatte um die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“: die Kinder!

Von wem und warum ein Krippenplatz finanziert oder gefördert wird, ist den betroffenen Kindern völlig gleichgültig. Der Schmerz der Trennung und das „Verlorensein“ über viele Stunden des Tages in einer „Fremdbetreuung“, und sei sie auch noch so professionell, bleibt der Gleiche. Der anhaltende Stress und die daraus entstehenden physichen und psychischen Folgen für vor allem die sensibelsten Kinder ändert sich nicht dadurch, dass sich das Etikett der Betreuung ändert.

Sicher ist es ein Fortschritt im Sinne der Kinder, wenn die Krippe für die Mutter oder den Vater schnell erreichbar ist und wenn der Arbeitgeber toleriert, dass sich die Mutter oder der Vater vom Arbeitsplatz entfernt, um Ihr/sein Kind zu trösten. Sicher sind flexible Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitszeit hilfreich.

Bisherige Anstrengungen beginnen mit dem Denken und Planen am falschen Ende

Aber solange der Zuschuss zu, oder der Einkauf von, Krippenplätzen in ohnehin existierenden Kindertagesstätten ebenso euphorisch begrüßt wird, wie die kreative Einrichtung ortsungebundener Arbeitsplätze und die Möglichkeit, die  Arbeitszeit in eigener Verantwortung einzuteilen, ist wenig gewonnen. Man merkt die Absicht und ist verstimmt.

Und das andere Extrem ist nicht wenige problematisch: Die nobel ausgestatteten, arbeitsplatz-nahen Krippen mit Intensivbetreuung und ehrgeizigen Förderprogrammen, die karrierebewusste Eltern an das Unternehmen binden sollen mit dem Versprechen, die Karriere ihrer Kinder schon im zarten Alter von wenigen Monaten bis drei Jahren vorzubereiten und zu sichern.

Eine Politik nicht des „familiengerechten“ sondern präziser: des „kindgerechten“ Arbeitsplatzes kann von Unternehmen immer nur soweit getragen und befördert werden, wie das die Unternehmensziele und die Marktzwänge zulassen. Etwas anderes zu behaupten oder gar zu verlangen ist Augenwischerei, eine Art Marktwirtschafts-Romantik. In begrüßenswerter Offenheit repräsentiert der Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt dieses Problem mit herzerwärmender Familienrhetorik einerseits, und der knallharten Forderung andererseits, den Frauen durch erhöhten wirtschaftlichen Druck die Kinder möglichst schon an der Tür zum Kreissaal abzunehmen, um mit den so „befreiten“ Müttern die Fachkräftelücke effizient zu schließen.

Auch in den unvermeidlichen Grenzen des Machbaren ist noch viel Raum für kreatives Nachdenken und Handeln

Und dennoch: Auch in den gesetzten Grenzen und mit ausreichend politischem Willen sind die Gestaltungsmöglichkeiten für „kindernahes“ Arbeiten noch nicht annähernd ausgeschöpft. Nicht länger die „Entsorgung“ der (Klein-)Kinder in die Fremdbetreuung als Allheilmittel für Arbeitskräfte-Engpässe, sondern eine „neue Nähe“ von Eltern und Kindern im Arbeitsprozeß ist in Wirklichkeit die Denkaufgabe. Oder salopp gesprochen: Wie gelingt es, das Kleinkind so nah wie möglich an den Arbeitsplatz der Mutter/des Vaters zu rücken? Das hat nichts mit der Romantik vom afrikanischen Dorf in der modernen Dienstleistungsgesellschaft zu tun, sondern schlicht mit einer vernünftigen Zukunftssicherung durch gelingende Kindheiten heute. Erste Ansätze dazu gibt es vereinzelt und verstreut.

Neue Wege dazu müssen in Modellversuchen entworfen und ausprobiert werden. Die Stiftung Zu-Wendung für Kinder wirkt bei diesen Modellversuchen mit und unterstützt Unternehmen bei Planung und Durchführung.

von Redaktion fürKinder