Während Arbeitgeber-Präsident (BDA) Dieter Hundt im Interview mit der WELT zum Rundumschlag gegen staatliche Erziehungshilfen ausholt und die Elternzeit gleich auf ein Drittel reduzieren will, tagen gleichzeitig in Berlin die mittelständischen Handwerksbetriebe zum Thema „famillienfreundliche Arbeitsbedingungen“ auf Einladung des Bundesfamilienministeriums.
Arbeitgeber-Kontrastprogramm:
Wer und was ist „familienfreundlich“?
Stolz verweisen Ministerium und Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), vertreten durch seinen Präsidenten, Otto Kentzler, auf erste Erfolge hin in Form von Modell-Betrieben, dokumentiert in der „Datenbank der Guten Beispiele“ und in der Aktion Erfolgsfaktor Familie. Kentzler: „Gerade für das Handwerk bietet Familienfreundlichkeit im Wettbewerb um Fachkräfte besondere Chancen.“
BDA-Präsident Hundt ist das alles zu teuer. Mit der Quotenlösung für Krippen sieht er das Fachkräfte-Problem schon gelöst, die Frauen nach kurzer Auszeit wieder am Arbeitsplatz – alles andere, das Wohl der Kinder einbegriffen, ist ohne Interesse.
Mit seinem derart offen vorgeführten Zynismus stößt der Unternehmer-Präsident allerdings auf scharfe Ablehnung selbst bei den eher unternehmerfreundlichen Medien. Die WELT, in der dieser Wirbel ausgelöst wurde, etwa warnt nun im Befehlston und mit faktenreicher Begründung: „Hände weg von der Elternzeit!“
Der Kontrast zwischen den familienfreundlichen Handwerkern in Berlin und den Hundt`schen Attacken in der WELT ist allerdings weniger deutlich, als es die Formulierungen nahe legen. Beiden geht es um die Behebung des „Fachkräfte-Mangels“. Während Hundt offensichtlich mit wirtschaftlichem Druck, der existentiellen Peitsche sozusagen, die Frauen in die Betriebe zurücktreiben will, versuchen es die Handwerksbetriebe mit ministerialer Unterstützung eher mit dem Zuckerbrot familienfreundlicher Arbeitszeiten.
In Baden-Württemberg kümmert sich sogar die Landesagentur MFG Innovationsagentur für IT und Medien mit Informationsveranstaltungen und einem „Unternehmens-Check“ um die Familienfreundlichkeit der kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Über Wege, den Konflikt am anderen Ende des Problems zu lösen: der gleitenden Wiedereingliederung der Frauen in den Arbeitsprozess nach einer „kinderfreundlichen“ Erziehungszeit, scheint weder hier noch dort ernsthaft nachgedacht zu werden. Dabei wären die Investitionen in solche Lösungen langfristig „rentabler“ für die Gesellschaft und damit auch für die Unternehmen, als die Aufbewahrungs- und Bepädagogisierungs-Maßnahmen für Kleinkinder, um die derzeit die aufgeregten Debatten kreisen.
von Redaktion fürKinder
Links zum Thema
„Bundesfamilienministerium und ZDH werben gemeinsam für familienbewusste Arbeitszeiten im Handwerk“, BMFSFJ
„Arbeitgeber wollen Elternzeit radikal auf ein Jahr kürzen“, Welt
„Hände weg von der Elternzeit!“, Welt
Was heißt hier familienfreundlich? Vorstellungen und Erwartungen von (potenziellen) Eltern, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 9.2.2023, Monitor Familienforschung – Ausgabe 45