Norbert BlümEbenso polemisch wie sachlich – ein nur scheinbarer Widerspruch  – nimmt der CDU-Politiker und ehemalige Arbeits- und Sozialminister, Norbert Blüm, den Trend um die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und um die Verstaatlichung der Ehe, der Elternarbeit und schließlich der Kindheit auseinander – konkret, genau, immer am Alltag der Betroffenen entlang:

„Die siebenfache Mutter mit Kinderfrau und Reitlehrer eignet sich jedoch nicht zur Ikone, vor der die gerade zur Pflegerin umgeschulte ehemalige Schlecker-Mitarbeiterin mit Ehemann im Niedriglohnsektor und drei Kindern im Grundschulalter niederknien soll.“

„Vereinbarkeit von Familie und Beruf funktioniert nur in einer von Niedriglöhnen und Burn-outs befreiten Berufswelt.“

„Die Familie folgt ihrem eigenen Sinn des Füreinander, der nicht vereinbar ist mit dem Konkurrenzprinzip. Diese Eigenständigkeit der Familie muss verteidigt werden, wenn wir der totalen Verwirtschaftung des Lebens entgehen wollen. Doch die Programme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf drohen die Familie sanft, aber bestimmt unter die Knute der Erwerbsgesellschaft zu stellen. Beide Ehepartner sollen in Lohnarbeit stehen. Der Störfaktor Kind soll möglichst früh der staatlichen Erziehungsarbeit übergeben werden. An die Stelle der Amateure »Mama und Papa« tritt eine professionalisierte Elternschaft namens »Schule«.
Die Arbeit der Mütter wird erst dann anerkannt, wenn sie fremden Kindern gilt; das ist das System »Tagesmutter«. Wir könnten die Abschaffung der Elternschaft konsequenterweise bis hin zum staatlichen Brutkasten betreiben. Dann würden auch Schwangerschaft und Mutterschutz die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht länger stören.“

„Die Ehe folgt der Platzanweisung, die ihr die Wirtschaft setzt. Flexibel und mobil, am besten auf Abruf, befristet, ausgeliehen arbeitet der moderne Jobhopper.“

„Warum sollten die Frauen an den Fließbändern eine freiere Entscheidung getroffen haben als jene, die als Mütter zuhause arbeiten?“

„Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine Große Koalition des vermeintlichen Fortschritts mit enormem Fleiß die Ehe und die Familie zermürbt, auf dass die ungebremste neoliberale Verwirtschaftung das ganze Leben in seinen Strudel reißt.“

„Selbst brutale Kollektivierungen haben sie nie gänzlich auslöschen können.  Werden nun neoliberale Softies auf leisen Sohlen schaffen, was den Gewaltsystemen misslungen ist?“

„Das Private musste Wirtschaft, Gesellschaft und Staat abgerungen werden. Soll das jetzt hergegeben werden? Soll die Ehe zur Dependance der Wirtschaft und die Kindheit zum staatlichen Fürsorgeobjekt werden?“

„Die so bewunderte Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbsarbeit wird jedoch von einer stillen Traurigkeit erfasst, die aus dem Verlust der Familienwelt entsteht.“

Besser kann man es nicht sagen! Aber: Was genau, welche politischen Forderungen, welche praktisch umsetzbaren Programme folgen daraus? Folgen Norbert Blüms Vorschläge dazu in einem weiteren ZEIT-Artikel?

von Redaktion fürKinder