Mehr Arbeitszufriedenheit gleich glücklichere Familien - Foto evgenyatamanenko © iStockAuf der Suche nach der Zauberformel für die optimale (für wen?) „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ und die ersehnte „Work-Life-Balance“ rückt in der öffentlichen Diskussion und vor allem in der wissenschaftlichen Politikberatung ein Konzept immer stärker in den Vordergrund:

Flexibilität der Arbeitszeit – und, gelegentlich, des Arbeitsorts.

Krippe + flexible Arbeitszeit = mehr Familien-Zufriedenheit?

Die Vermutung dahinter: Je mehr ein Beschäftigter flexibel über seine Arbeitszeit verfügen kann, desto größer die Chance, dass er in der Lage ist, Dinge neben der Arbeit zu tun, die ihm wichtig sind und für die er sich Zeit nehmen möchte. Erwartetes Ergebnis: Mehr Arbeitszufriedenheit und glücklichere Familien, weil die Eltern sich mit ihrer Arbeitszeit stärker nach den Bedürfnissen der Kinder richten und so auch mehr Zeit mit ihnen verbringen können.

„Stimmt nicht!“, sagt eine amerikanische Studie, die die Einführung eines flexiblen Arbeitszeitmodells in einer großen Firma im Bundesstaat Minnesota wissenschaftlich begleitet hat.

Grundlage der Studie war die Einführung eines Arbeitszeitmodells („Results Only Work Environment“, ROWE), bei dem die Beschäftigten ihre Arbeitszeit nach eigenen Bedürfnissen frei einteilen können, auch ohne sich dafür im einzelnen die Genehmigung eines Vorgesetzten einholen zu müssen. Nicht die Arbeitszeit wird dabei gemessen, sondern lediglich die Erfüllung definierter Aufgaben.

Die Sozialwissenschaftler von der University of Minnesota wollten in einer über sechs Monate laufenden Studie mit über 600 TeilnehmerInnen herausfinden, ob die Angestellten von dieser Regelung profitierten durch

  • mehr Arbeitszufriedenheit (und damit weniger Jobwechsel),
  • weniger Stress (und damit mehr Lebensqualität),
  • mehr Zeit für sich, ihre Gesundheit (z.B. ausreichend Schlaf und mehr Bewegung) und
  • mehr und entspannteren Umgang mir ihren Kindern.

Eine direkte Verbindung von neuer Arbeitszeit und Lebenszufriedenheit (well-being) allerdings ließ sich nicht belegen. Lediglich auf dem „Umweg“ über Veränderungenin der Lebensführung konnten die Forscher auf mehr Lebensqualität schließen. In einer ersten Auswertung zeigte sich tatsächlich, dass die Angestellten seltener kündigten und mehr für ihre Gesundheit taten.

Grafik - Flexible Arbeitszeit

In einer weiteren Auswertung der Daten wollten die Forscher wissen, ob sich das neue Arbeitszeitmodell auch auf das Familienleben und die Zeit mit den Kindern auswirkte. Und hier gab es eine doppelte Überraschung:

Bei den Vätern zeigte sich überhaupt kein relevanter Effekt, weder in der subjektiven Wahrnehmung der Väter noch in der tatsächlich gemessenen Zeit mit den Kindern.

Die Mütter dagegen hatten deutlich das Gefühl, dass der Konflikt zwischen den Anforderungen der Arbeitszeit und der dringend gewünschten Mehr-Zeit für ihre Kinder sich entspannt hatte. Aber bei den Messungen der tatsächlich mit den Kindern und der Familie verbrachten Zeit erwies sich das als pure Illusion! Es zeigte sich kein nennenswerter Unterschied.

„ROWE half den Müttern in dem Gefühl, genügend Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, obwohl sich für die meisten Eltern überhaupt nichts änderte,“ so die Studienleiterin Prof. Rachelle Hill. Einziger positiver Effekt: Die Familien saßen – im Durchschnitt – einmal häufiger pro Woche gemeinsam am Abendbrottisch, als die Familien, in denen die Eltern nicht an dem neuen Arbeitszeitprogramm teilnahmen.

Sicher sagt eine solche Studie auf schmaler Basis und über einen relativ kurzen Zeitraum noch nichts Endgültiges über Sinn und Unsinn von einer solche Verlagerung der Verantwortung für die eigene Arbeitszeit-Organisation. Außerdem untersuchte die Studie nicht, ob die Bezahlung nach vereinbarten Ergebnissen statt vereinbarter Zeit nicht Väter und Mütter eher zusätzlich unter Druck setzten und damit verhinderte, dass sich die Flexibilität nicht stärker in einer besseren Arbeit-Familie-Balance ausdrückte. Die Zauberformel für die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ aber ist mit dieser flexiblen Verfügung über die eigene Arbeitszeit zweifellos noch nicht gefunden.

von Redaktion fürKinder

Links zum Thema

Rachelle Hill et al., Relieving the Time Squeeze? Effects of a White-Collar Workplace Change on Parents, Journal of Marriage and Family, 75/4, 1014–1029, August 2013 online vorab publiziert

Quelle: Eurekalert