Fremdbetreuung und die Folgen - Foto drbimage © iStockJe früher, je länger, je mehr Stunden täglich Kleinkinder in Krippe und Kita betreut werden, desto häufiger zeigen sich bei Siebenjährigen psychische und Verhaltensprobleme. Das z-proso-Projekt der Universität Zürich, aus dem diese Studie stammt, erforscht die Beziehung zwischen externer Kindesbetreuung und problematischem Verhalten von Kindern in spätern Jahren in Zürich (Schweiz).

Untersuchung über vier Lebensabschnitte

1212 Schüler im Alter von 7 Jahren, Erstklässler in Zürich, wurden durch Bildantworten sowie ihre Eltern und Lehrer durch Fragebögen und Interviews befragt. Ziel war, das Maß an individueller oder Gruppenbetreuung der Siebenjährigen in vier Lebensabschnitten (1., 2. und 3., 4. und 5., 6. und 7. Lebensjahr) zu erkunden und mit ihren möglicherweise aufgetreten psychischen Problemen in Verbindung zu bringen. Es wurde untersucht, wieviel Kinder emotionale und Verhaltensstörungen in den vier Lebensabschnitten zeigten und ob und wie diese in Zusammenhang mit der Fremdbetreuung standen.

Die psychischen Probleme wurden in vier Kategorien eingeteilt:

  • Aggressives Verhalten, wozu physische, aktive und reaktive Aggressionen zählten
  • ADHS: Unruhe mit Aufmerksamkeits-Defiziten
  • Nicht aggressives externalisiertes Verhalten, wie Betragensprobleme, Opposition und Trotz
  • Angst und Depression

Der Einfluss anderer Faktoren wurde kontrolliert, wie

  • Familienstruktur
  • Migrationshintergrund
  • Alkoholmissbrauch der Mutter während der Schwangerschaft
  • Ein-Eltern-Familien
  • elterliche Konflikte
  • Trennungen nach der Geburt
  • mütterliche Depressionen
  • finanzielle Situation der Familie
  • Kriminalität
  • „negative Elternschaft“ (zu wenig Kontakt und Erziehung, Unzuverlässigkeit, körperliche Bestrafungen)

Je mehr Kita-Zeit, umso größer das Risiko psychischer Probleme

Ergebnis: Länge und Häufigkeit externer gruppenbezogener Betreuung steht in Zusammenhang mit einem Anwachsen an psychischen Problemen. Je mehr gruppenbezogene Betreuung die 7-Jährigen im Laufe ihres Lebens erlebt hatten, desto mehr Probleme in den vier Bereichen (aggressives Verhalten, Aufmerksamkeits-Defizite, nicht aggressives externalisierte Verhalten sowie Angst und Depressionen) zeigten sie.

Eine genaue Betrachtung der Zeitabschnitte der Kindesbetreuung von Beginn an erbrachte, dass im Durchschnitt eine Akkumulation während des bisherigen Lebens mit zunehmenden psychischen Problemen der Kinder verbunden war. Dabei hatte das erste Lebensjahr offensichtlich keine besonders Bedeutung.

Erstaunlich war, dass der Zeitraum vom 5. – 7. Lebensjahr einen beachtlichen Bezug zu Problemen hatte, bezüglich der Werte von Aggression und nichtaggressivem Verhalten gab es sogar eine stärkere Zunahme als in den vorhergehenden Altersabschnitten.

Die Ergebnisse zeigten einen linearen mengenbezogenen Anstieg über die vier Lebensabschnitte von aggressivem Verhalten, ADHS sowie externem nicht aggressivem Verhalten, d.h. es entstand eine eher gleichmäßige Zunahme über die Lebensabschnitte sowie ein kurvenlineares bei Angst und Depressionen. Sie bezogen sich aber ausdrücklich nur auf gruppenbezogene externe Betreuung, nicht auf eine individuelle Betreuung durch Tagesmütter, Großeltern, u.ä.. Allerdings nahmen von Angst und Depression auch unter diesen Betreuungsformen zu.

Die Qualitat der Betreuung wurde nicht berücksichtigt

In dieser Untersuchung wurde nicht die Qualität der jeweiligen externen Betreuung ermittelt, sondern lediglich die Quantität in den vier Zeitabschnitten.

Insgesamt blieb der Antieg psychischer Probleme bei Gruppenbetreuung zwar verhältnismäßig gering. Beachtlich war we jedoch in den Fällen, wo die Kinder starke psychische Probleme zeigten. Dort erweis sich eine Zunahme an externer Gruppenbetreuung als beträchtlich. Gegenüber einer nur geringen verbuchte eine sehr intensive Betreuung eine Verdreifachung der Aggressionswerte.

Die Kontrollvariablen erwiesen sich als weniger relevant bezüglich der Stärke der psychischen Probleme als die externe Betreuung. Eine Ausnahme bildete lediglich negative Elternschaft, welche noch stärker zu Buche schlug. Allerdings zeigte die Lehrerbeurteilung allein eindeutig einen Vorrang der Menge an Betreuung gegenüber allen Kontrollvariablen, auch der negativen Elternschaft, bei der Höhe von psychischen Problemen auf.

Die Autoren erklären sich die Ergebnisse vor allem durch die Gruppensituation, wo viel Konfliktpotential auf sie einstürmt und sie geneigt sind, negatives Verhalten nachzuahmen. Sie sehen nicht die Trennung von der Mutter entsprechend der Bindungstheorie als wesentlich an, da individuelle externe Betreuung in drei Kategorien keine Zunahme bewirkte, lediglich bei Angst und Depressionen.

Ergebnisse früherer Langzeitstudien bestätigt

Die Ergebnisse decken sich weitgehend mit den NICHD-Ergebnissen und einigen anderen angloamerikanischen Untersuchungen, nicht aber mit denen durch Andersson (1989, 1992). Die Schweiz hat bezüglich externer Kindesbetreuung von der UNICEF 2008 schlechte Werte bekommen.

Es wird auf Grenzen der Untersuchung hingewiesen. Sie bezog sich auf Erstklässler, deren vorhergehende Lebensabschnitte lediglich durch Befragungen rekonstruiert wurden, was zu Ungenauigkeiten führen kann. Auch war sie nicht experimentell.

von Burkhard Behncke

Links zum Thema

Averdijk, M., Besener, S., Eisner, M., Bijleveld, C. & Ribeaud, D. (2011): The relationship between quantity, type and timing of childcare and child problem behaviour in Switzerland. In: European Journal of Developmental Psychology, 8 : 6, 637 – 660.