Kinderarmut und Lebenschancen - Foto © photocaseArmut ist zwar nicht „erblich“, aber weniger als die Hälfte (43 Prozent) der Kinder, die in – relativer – Armut aufgewachsen sind, schaffen später den Sprung aus diesem Armutsghetto. Entscheidenden Einfluss auf die Aufstiegschancen der Kinder in Armut haben die Eltern als schützende und fördernde Instanz.

Das sind einige der Erkenntnisse aus der ersten umfassenden Langzeitstudie über bisher 15 Jahre der AWO zur Kinderarmut und ihren langfristigen sozialen Konsequenzen.

Einmal arm, immer arm war gestern

In der Öffentlichkeit völlig unbeachtet: Der „Migrationshintergrund“ ist für arme Kinder kein Nachteil auf dem Weg aus der Armut. Im Gegenteil: Die noch heilen Familienstrukturen dieser Bevölkerungsgruppen verschaffen den Kindern sogar einen Startvorsprung!

Die AWO stellte gestern ihre Langzeitstudie zu Kinderarmut in Berlin vor. Das Fazit des Vorsitzenden der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wolfgang Stadler, dass „einmal arm, immer arm“ nicht mehr gelte, wurde dankbar von der Presse aufgegriffen. Tatsächlich aber bleibt Armut das größte Entwicklungsrisiko für Kinder und Jugendliche. Eine Tatsache, die seit vielen Jahren immer wieder in Studien aus vielen Industrieländern bestätigt wird.

Eher kursorisch wird in der Studie die entscheidende Frage beleuchtet, welche Faktoren es den Kindern ermöglichen, sich aus der Armutsfalle zu befreien und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Bei der Präsentation der Studie in Berlin unterstrich die Studienleiterin Gerda Holz die Bedeutung von Eltern und anderen Bezugspersonen. „Kinder brauchen Orientierung. Sie sind keine kleinen Erwachsenen.“ Problematisch seien vor allem Brüche in der Betreuung durch Eltern, Erzieher und Lehrer.

Dazu passt die Beobachtung der Studie, dass Kinder aus armen Familien „mit Migrationshintergrund“ keineswegs schlechtere Aufstiegs-Chancen haben als andere Kinder aus armen Familien – im Gegenteil. Die Autoren führen das zumindest teilweise auf die noch intakten Familienstrukturen der Migranten zurück. Arme Zuwandererkinder wachsen behüteter auf als arme deutschstämmige Jugendliche.

Die stärkere Bindung an die zentralen Bezugspersonen, in der Regel also die Eltern, bilden ein sicheres Fundament für das Vertrauen in die eigene Stärke – Voraussetzung für die notwendige Initiative zur Verbesserung der eigenen sozialen Situation.

Diese Erkenntnisse sind nicht neu. Sie bestätigen ein lange Reihe von Studien in jüngster Zeit, die einerseits den großen Einfluss von Armut und niedrigem sozialen Status auf die geringeren Lebenschancen dokumentieren. Immer aber wird dieser Einfluss relativiert oder zumindest gemindert durch die sichere Familienumgebung und die Unterstützung gerade der Kleinsten durch Eltern und nahe Bezugspersonen (hier ein typisches Beispiel für solche Studien), die nicht durch institutionelle Förderung etwa in Kripppen ausgeglichen oder gar ersetzt werden können.

von Redaktion fürKinder