Mutter mit Kind - Foto iStock © ljubaphotoDie Situation der Zivillbevölkerung und vor allem der Kinder im syrischen Bürgerkrieg dramatisiert einmal mehr die verheerende Wirkung von Gewalt und Schrecken auf Geist und Seele der Kinder – eine Wirkung, die lebenslag nachwirkt und mit ihrer zersetzenden Kraft die gesamte Persönlichkeitsentwicklung entgleisen lässt.

In einer Situation wie derzeit in Syrien werden auch die Kräfte geschwächt oder gar vernichtet, die einer Zerstörung der kindlichen Persönlichkeit entgegenwirken könnten:

Die Liebe und Zuwendung durch die Eltern oder anderer vertraute Personen.

Wie dringend notwendig, aber auch tatsächlich helfend und heilend diese Kräfte in Situationen von Bedrohung und Gewalterfahrung sind, haben jetzt Forscher von der Bar-Ilan Universität in Israel in einer Studie mit 232 Kindern im Alter von 1-5 Jahren und deren Eltern belegt, die in den Grenzgebieten zum Gaza-Streifen leben, wo täglich die Raketen der Hamas einschlagen. Im Alter von 7-8 Jahren wurden die Kinder noch einmal auf die langfristigen Folgen hin untersucht.

Zur Kontrolle wurden 84 Kinder aus „ruhigen“ Regionen“ in die Untersuchungen einbezogen.

Posttraumatische Belastungsstörungen

Wie kommt es zu posttraumatischen Belastungsstörungen? Wie weit wird die Empfänglichkeit für solche Störungen von der genetischen Ausstattung bestimmt und wieweit abgefedert durch die lliebevolle Nähe zu vertrauten Erziehern, Eltern oder nahen Verwandten?

Die Forscher untersuchten nicht nur die Gen-Struktur der Kinder im Hinblick auf die bekannten genetischen Bedingungen für eine posttraumatische Belastungstörung, sondern beobachteten auch das Mutter-Kind-Verhältnis über einen längeren Zeitraum.

Von den Kindern in den betroffenen Regionen traten psychiatirsche Störungen dreimal häufiger auf als bei den Kindern in Regionen, die weniger von Kriegshandlungen betrofen waren. Im Alter von acht Jahren waren diese Störungen immer noch vorhanden. Bei gut der Hälfte dieser Kinder entwickelten sich darüber hinaus andere physische und psychische Erkrankungen.

Rettende Mutter-Kind-Bindung

Dagegen zeigten sich Kinder mit einer sicheren Mutter-Kind-Bindung resistent gegen psychiatrische Verletzungen und langfristige psychische Schäden auch dann, wenn sie genetisch eher als anfällig für solche Störungen galten.

Die langfristigen Folgen traten stärker zwar auch bei den genetisch vorbelasteten Kindern auf, vor allem aber dann, wenn es zu einer Kombination dieser Vorbelastung mit mangelnder Untersützung durch die Mutter kam. Kinder, die unter dem Stress der Gewaltsituation sich von der Mutter (oder der vertrauten Bezugsperson) abwandten und nicht ihren Trost und Beistand suchten, waren besonders betroffen. Zu dieser Abwendung von der Mutter kam es aber erst, so die Beobachtung der Forscher, aufgrund der vorangegangenen Vernachlässigung des Kindes durch die Mutter, die wiederum erst die Abkehr und Distanzierung von der Mutter verursachte.

Einmal mehr das Fazit:
Auch unter den widrigsten Bedingungen hilft die sichere Mutter-Kind-Bindung gegen bleibende psychische Schäden – auch bei Kindern („Orchidee“), deren Widerstandsfähigkeit „von Haus aus“, heißt: von ihrer genetischen Ausstatttung her, geringer und ihre Sensibilität größer ist, im Vergleich zu ihren „robusteren“, weniger empfindlichen Altergenossen („Löwenzahn“).

Eine Generation, ein Land ohne „Orchideen“?

Was aber wird – wie jetzt in Syrien – aus einer Generation, die schutzlos dem Gewalterleben ausgeliefert ist, weil die Eltern fehlen oder in ihren Verletzungen und Traumata selbst gefangen sind. Vor der gewaltigen Aufgabe, diese Kinder zumindest notdürftig aufzufangen, geschweige denn ihre „posttraumatischen Belastungsstörungen“ aufzuarbeiten, erscheint das Ausmaß der Hilfen aus den reichen Ländern wie Deutschland mehr als kläglich. Ein Land verliert seine „Orchideen“, die besonders sensiblen, phantasievollen Kinder. Die „Orchideen“ verwelken – ein Land verliert sein Kreativ-Potential.

von Redaktion fürKinder

Links zum Thema

R. Feldmann et al., Affiliation buffers stress: cumulative genetic risk in oxytocin-vasopressin genes combines with early caregiving to predict PTSD in war-exposed young children, Translational Psychiatry, 11. März 2014, online vorab publiziert

Quelle: PubMed