Natürlich - Argumente für's Stillen - Foto © Kerstin PukallStillen wann immer und so lange das Baby danach verlangt? Seit Jahren wird darüber mit Inbrunst gestritten. „Langzeitstillen“ ist in Deutschland kein verbreitetes Konzept, wird aber zunehmend von Stillgruppen und Stillberatungen (z.B. La Leche Liga oder der Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen) befürwortet – gestützt auf wissenschaftliche Untersuchungen. Hier einige Studien aus jüngster Zeit.

Solche Konzepte, solange sie nicht als „Glaubensbekenntnis“ überhöht werden, werden in den vergangenen Jahren in schneller Folge von wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt. Internationale Fachorganisationen passen ihre Empfehlungen diesen Einsichten an. (Die WHO empfiehlt z.B. ausschließliches Stillen bis zum Ende des 6. Lebensmonat, und zusätzliches Stillen neben der „Beikost“ bis Ende des zweiten Lebensjahres und darüber hinaus – WHA Resolutions).


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Hier einige dieser Studienergebnisse allein aus den letzten Monaten.

Stillen „nach Verlangen“ unterstützt die Intelligenz-Entwicklung

Kinder, die nach bestimmten Zeitplänen gestillt wurden oder nur die Flasche erhielten, sind in der Schule später weniger erfolgreich als die Kinder, die nach Bedürfnis gestillt worden waren.

So das Ergebnis einer britischen Langzeitstudie mit 10.000 Kinder die Anfang der 90ger Jahre des 20. Jahrhunderts geboren worden waren und als Achtjährige einem IQ-Test und als Fünf-, Sieben-, Elf- und 14-jährige einem SAT-Test (Scholastic Assessment Test) unterzogen wurden. Dieses Resultat änderte sich nicht, auch wenn einige der bekannteren Einflussfaktoren für die IQ-Entwicklung berücksichtigt wurden, wie etwa der Bildungsstand und Einkommen der Eltern, Erziehungsstile oder die Gesundheit der Mutter.

Nicht nur die Babys profitieren vom Stillen nach Bedarf, sondern auch die Mütter, die laut Studie mehr Selbstvertrauen und ein höheres Wohlbefinden zeigten.

Die Forscher selbst warnen allerdings vor voreiligen Schlüssen und übertriebenen Erwartungen.

Frühes Abstillen hindert die kognitive Entfaltung

Zu dem gleichen Ergebnis kommt eine Studie von der Universität Krakau, Polen. Auch hier wurden Kinder (443 zu Beginn der Studie) wiederholt in aufsteigenden Entwicklungsstadien über sieben Jahre auf ihre Intelligenz-Entwicklung getestet. Je länger die Kinder als Babys gestillt wurden, desto größer der Abstand in den pschometrischen Test zu den nicht gestillten Kindern.

Die Forscher vermuten aufgrund ihrer Daten über einen Zeitraum von sieben Jahren, dass sich dieser Vorsprung der gestillten vor den nicht-gestillten Kindern bis ins Erwachsenenalter fortsetzen wird.

Ähnlich auch eine noch nicht veröffentlichte Untersuchung an den Universitäten von Oxford und Essex in England. Danach hat bereits das Stillen eines Neugeborenen über einen Zeitraum von nur vier Wochen einen messbaren Effekt auf die Gehirn-Entwicklung bis mindestens zum 14. Lebensjahr.

Stillen bremst die Entwicklung von Übergewicht und Diabetes

Die gesundheitlichen Vorteile des Stillens für Mutter und Kind, vor allem für das Immunsystem und als Schutz vor Autoimmunerkrankungen wie Allergien, Diabetes 1 oder Multiple Sklerose, sind seit langem bekannt und belegt. Dennoch gibt es immer wieder neue Einsichten in aktuellen Studien.

Das Studienprojekt SKOT an der Universität von Kopenhagen, Dänemark, berichtete kürzlich über den Zusammenhang von Stillen und Übergewicht. Danach beeinflusst die Muttermilch die Bildung des Wachstums-Hormons IGF-I und des Insulins.

Das führe, so die Forscher, einerseits zu einem etwas langsameren Wachtum der Babys, damit aber gleichzeitig zu einem geringen Risiko, ein Übergewicht und eine Diabetes zu entwicklen. Auch hier zeigte sich: je öfter und länger gestillt wurde, desto deutlicher die positiven Effekte.

Stillen schützt vor Asthma und sorgt für stärkere Lungen

Stillen verbessert die Lungenfunktion von Kindern und schützt vor Asthma besonders bei Kindern von Müttern, die selbst unter Asthma leiden.

Die Forscher aus der Schweiz und Großbritannien werteten die Daten von 1.458 in den 90ger Jahren des vorigen Jahrhunderts geborenen Kindern aus und untersuchten die Lungenfunktion mit den üblichen Tests im Alter von 12 Jahren.

Gestillte Kinder hatten bei einigen der Tests einen deutlichen Vorteil gegenüber den „Flaschenkindern“ – und zwar um so deutlicher je länger sie gestillt worden waren. Bei anderen Tests zeigte sich die verbesserten Umfang und Funktion der Lunge nur bei Kindern von Müttern mit Asthma.

Gestillte Kinder haben eine „bessere“ Darm-Flora

Muttermilch fördert bei Neugeborenen die Bildung von bestimmten Mikroorganismen im Darm, die hilfreich bei der Verdauung sind und die Entwicklung des Immunsystems beschleunigen. Die Mikroorganismen entwickeln sich nicht bei Kindern, die mit der Flasche, gleich welcher Formel, großgezogen werden.

Die Forscher an der Duke University, USA, beobachteten im Labor das Wachstum wichtiger Darmbakterien in der Muttermilch im Vergleich zu verschiedenen Zusammensetzungen von Ersatzformeln für die Flaschenernährung. Der Unterschied erstaunte selbst die Wissenschaftler und veranlasste sie, das Stillen von Neugeborenen über längere Zeit derart emphatisch zu empfehlen, wie es für Forscher bei der Vorstellung ihrer Studienergebnisse eher ungewöhnlich ist.

Stillen schützt gegen mütterliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Je länger Mütter stillen, umso stärker ist der Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfällen. Eine Studie, die 2022 im Journal of the American Heart Association veröffentlicht wurde, fasst Gesundheitsdaten von fast 1,2 Millionen Frauen, die bis zu 12 Monaten gestillt haben, aus acht verschiedenen Studien zusammen.

Diese Meta-Analyse zeigt bei Frauen ein um 14 % geringeres Risiko eine Herzerkrankung zu entwickeln, ein um 12 % geringeres Risiko einen Schlaganfall zu erleiden und ein um 17 % geringeres Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben.

Vor dem Hintergrund, dass auch in Deutschland Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache sind, ist es wichtig, das Stillen zu fördern und zu unterstützen, wie auch Dr. Shelley Miyamoto, Direktorin des Kardiomyopathie-Programms am Children’s Hospital Colorado in Aurora betont:

„Es sollte für eine Mutter besonders ermutigend sein, zu wissen, dass sie durch das Stillen die optimale Ernährung für ihr Baby sicherstellt und gleichzeitig ihr persönliches Risiko für Herzerkrankungen senkt.“

Stillende Mütter sind feinfühliger

Mütter, die ihre Babys in den ersten Lebensmonaten stillen, reagieren sensibler auf die Signale ihres Kindes als Mütter, die nicht stillen.

Die Hirnforschung spielt bei der Erforschung der Mutter-Kind-Bindung eine bedeutende Rolle. Jetzt haben Forscher an der berühmten Yale University, USA, die Reaktionen im Gehirn von Mütter auf das Weinen und andere Signale ihrer Kinden mit Hilfe der modernen bildgebenden Verfahren (fMRI) und Video-Beobachtung gemessen.

Vor allem in den ersten Monaten ergab sich eine deutlich stärkere Reaktion in den Gehirnregionen der stillenden Mütter, die für die Mutter-Kind-Bindung und emotionale Zuwendung „zuständig“ sind.

von Redaktion fürKinder

Erstveröffentlichung August 2012, Überarbeitung Februar 2022

Links zum Thema

Stilltreffen mit der Hebamme Annkathrin Rinke
Muttermilch fürs Baby – Stillen: So einfach und doch schwierig von Eileen Schreieder, ZDF heute Panorama, 04.10.2023

Quelle: „Stillen „nach Verlangen“ unterstützt die Intelligenz-Entwicklung“
M. Iacovou, A. Sevilla. Infant feeding: the effects of scheduled vs. on-demand feeding on mothers‘ wellbeing and children’s cognitive development. The European Journal of Public Health, online vorab publiziert, März 2012

Quelle: „Stillen „nach Verlangen“ unterstützt die Intelligenz-Entwicklung“
L. Luby et al.,  Maternal support in early childhood predicts larger hippocampal volumes at school age, Proceedings of the National Academy of Sciences, 2012, 109(8); 2854-9

Quelle: „Frühes Abstillen hindert die kognitive Entfaltung“
Wieslaw Jedrychowski et al., Effect of exclusive breastfeeding on the development of children’s cognitive function in the Krakow prospective birth cohort study, European Journal of Pediatrics, 171/1 (2012), 151-158

Quelle: „Stillen bremst die Entwicklung von Übergewicht und Diabetes“, Science Daily

Quelle: „Stillen schützt vor Asthma und sorgt für stärkere Lungen“
C. M. Dogaru et al., Breastfeeding and Lung Function at School Age: Does Maternal Asthma Modify the Effect? American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine, 2012; 185 (8): 874

Quelle: „Gestillte Kinder haben eine „bessere“ Darm-Flora“, Duke Medicine News, 27. Augsut 2012

Quelle: Stillen schützt gegen mütterliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Journal of the American Heart Association, 11. Januar 2022

Quelle:  „Stillende Mütter sind feinfühliger“
Pilyoung Kim, et al., Breastfeeding, Brain Activation to Own Infant Cry, and Maternal Sensitivity, J Child Psychol Psychiatry. 2011 August ; 52(8): 907–915. (PDF, kostenlos)

Quelle: Pressemeldung der University of Oxford