Rauchen und Alkohol - Foto AK-DigiArt © fotoliaEigentlich ein alter Hut: Rauchen in der Schwangerschaft schädigt das Wachstum von Knochen und Muskeln, das Immunsystem ebenso wie die Entwicklung der Nerven und des Gehirns, ADHD, Anfälligkeit für verschiedene Krankheiten etc. Dutzende von Studien belegen dies mit eindeutigen Ergebnissen. Neugeborene weisen ein geringes Geburtsgewicht und eine eingeschränkte Lungenfunktion auf; im weiteren Lebensverlauf können u.a. Atemwegsinfekte, Diabetes Typ II, Asthma oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinzukommen.

In jüngster Zeit haben sich Forschungen vor allem auf ADHS (Zappelphilipp-Syndrom) und andere Verhaltensstörungen als Folge des Rauchens konzentriert. In diese Kerbe schlägt jetzt auch eine Studie mit dem Nachweis eines Zusammenhangs von Rauchen in der Schwangerschaft und bipolaren affektiven, manisch-depressiven Störungen.

Weit weniger beachtet sind jedoch die negativen Folgen des Passivrauchens sowohl der werdenden Mutter während der Schwangerschaft als auch der Kinder – insbesondere der Kleinkinder unter fünf Jahren.

Rauchende Mütter schädigen Kinder schon während der Schwangerschaft

Dass das Rauchen auch bereits während der Schwangerschaft zu Verhaltensauffälligkeiten bei den Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter führt, belegt jetzt eine aktuelle Meta-Studie von Forschungsteams aus mehreren US-Universitäten.

Passivrauchen kann zu psychischen Störungen beim Kind führen

Menschen mit einer solchen Störung fallen in ihrer Stimmungslage ständig von einem Extrem ins andere: mal depressiv, mal manisch überdreht. Ihre Konzentrationsfähigkeit ist gestört, sie sind reizbar und ohne Selbstkontrolle. Oft neigen sie zu Sucht und Drogenmissbrauch.

Forscher der renommierten Columbia Universität in New York werteten die Daten einer repräsentativen Langzeitstudie schwangerer Frauen und ihrer Kinder (Child Health and Development Study – CHDS) aus auf einen Zusammenhang zwischen Rauchen der Schwangeren und der späteren Entwicklung manisch depressiver Störungen bei ihren Kindern im Vergleich zu den Entwicklungen von Kindern nicht-rauchender Schwangerer. Mit eindeutigem Ergebnis: Bei den Kindern der rauchenden Mütter zeigte sich im Jugend- und Erwachsenen-Alter doppelt so häufig eine bipolaren Störung wie bei nichtrauchenden Müttern.

„Unsere Studie unterstreicht die Bedeutung einer breiten Aufklärung der Öffentlichkeit über die zerstörerischen, aber vermeidbaren Risiken des Rauchens für die Kinder,“ so ein der Autoren, Prof. Alan Brown.

Rauchen führt zu Volkskrankheiten durch Schädigung des Immunsystem

Dass das Rauchen – auch das Passivrauchen (Väter!) – schon zu einer Störung des Immunsystems beim Ungeborenen und damit zu Allergien später führen kann, ist seit längerem bekannt. Forschern am Helmholtz Zentrums für Umweltforschung (UFZ), Leipzig, ist es jetzt aber gelungen, den molekularen Ursachen dieser Fehlsteuerung des Immunsystems als Reaktion auf das Rauchen auf die Spur zu kommen.

Sie haben das Molekül (microRNA-223) indentifiziert, das maßgeblich die Differenzierung der regulatorischen T-Zellen (Treg-Zellen) beeinflusst. Die Treg-Zellen verhindern ihrerseits die überschießende Aktivierung des Immunsystems bis hin zu Autoimmunerkrankungen.  Sowohl bei den Raucherinnen unter den Studienteilnehmerinnen als auch bei den Neugeborenen (im Nabelschnurblut) zeigten sich erhöhte Werte des microRNA-223 und entsprechend niedrigere Treg-Werte. Damit stieg die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind mit drei Jahren an einer Autoimmunerkrankung leiden könnte, das Risiko einer Psoriasis zm Beispiel verdoppelte sich durch das Rauchen der Mutter.

„Jetzt wissen wir mehr über die molekulare Prozesse, die eine Rauchbelastung während der Schwangerschaft auslöst,“ so die Autorinnen der Studie, Dr. Gunda Herberth und Dr. Irina Lehmann vom UFZ.

Stress und Rauchen in der Schwangerschaft macht Nikotinsucht „erblich“

Schwangere, die unter erhöhtem Dauerstress stehen und außerdem auch noch rauchen, „vererben“ ihre Nikotinsucht weiter an ihre Kinder. Das ist das Ergebnis einer Langzeit-Studie (New England Family Study) über mehr als 40 Jahre, bei der der Stresspegel bei Schwangeren mit Hilfe des Stress-Hormons Cortisol gemessen und die Rauch-Gewohnheiten erhoben wurden. Die Kinder dieser Schwangeren wurden nach 40 Jahren nach ihrem Zigaretten-Konsum befragt.

Die rauchenden und/oder gestressten Mütter erhöhten das Risiko einer Nikotin-Abhängigkeit für ihre Töchter – nicht aber für ihre Söhne – um 13 Prozent. Bei Müttern, die 15 oder mehr Zigaretten am Tag rauchten erhöhte sich dieses Risiko auf 52 Prozent., die Wahscheinlichkeit also, dass mehr als die Hälfte der Töchter nikotinabhängiger Mütter später selbst nikotinabhängig werden.

„Wir wissen noch nicht, warum Söhne und Töchter unterschiedlich stark betroffen sind“, so die Leiterin des Forscherteams, Prof. Laura Stroud. „Wahrscheinlich liegt das an der geschlechtsspezifischen Regulierung des Stress-Hormons Cortisol in der Plazenta und an der unterschiedlichen Verarbeitung von Umwelteinflüssen im Mutterleib. Außerdem könnte Cortisol und Nikotin die Entwicklung der männlichen und weiblichen Gehirne unterschiedlich stark beeinflussen.“

Passivrauchen während der Schwangerschaft führt zu Verhaltensstörungen bei den Kindern

Selbst wenn während der Schwangerschaft nur die Väter, nicht aber die Mütter, rauchen, kann das vergleichbare Folgen für die Kinder haben. Wissenschaftler an der Pennsylvania School of Nursing untersuchten 646 chinesische Mütter mit Kindern, deren Väter während der Schwangerschaft der Mütter geraucht hatten. Ein Viertel dieser Kinder zeigten Verhaltensauffälligkeiten verglichen mit nur 16 Prozent der Kinder von Müttern, die dem Tabakrauch nicht ausgesetzt waren.

Zu den Verhaltensauffälligkeiten zählten Aufmerksamkeitsstörungen oder auch Aggressivität. Diese Kinder schnitten wesentlich schlechter ab bei Intelligenz- und Sprachtests.

Wenn Kleinkinder passiv rauchen

Schon die Fahrt auf dem Rücksitz eines Autos, wenn ein Erwachsener vorn eine Zigarette raucht, hat eine Gesundheitswirkung bei Kindern, vor allem Kleinkindern, die von den Erwachsenen kaum je wahrgenommen wird.

Eine aktuelle Studie hat jetzt den Wissensstand über die Folgen des Passivrauchens auf die kindliche Gesundheit am Beispiel der Meningokokken-Erkrankungen (Meningitis, Hirnhaut-Entzündung) zusammengefasst.

Forscher von der Universität Nottingham sichteten die 18 verlässlichsten von etlichen Dutzend Studien zu diesem Thema. Erschreckendes Ergebnis:
Kinder, die in ihrer täglichen Umgebung Tabakrauch ausgesetzt waren, hatten ein verdoppeltes Risiko für die schweren Meningokokken-Infektionen im Vergleich zu Kindern ohne diese Belastung. Wenn ihre Mütter während der Schwangerschaft geraucht hatten, verdreifachte sich das Risiko sogar.

Babys und Kleinkinder, die den Zigarettenrauch ihrer Eltern einatmen (Passivrauchen), sind als Schulkinder häufiger verhaltensgestört

Forscher an der Universität von Montreal verglichen die Daten von mehr als 2.000  10jährigen Schulkindern, die als Babys und Kleinkinder  in einer Umgebung von Rauchern gelebt hatten, mit den Kindern von Nichtrauchern. Nach den Äußerungen der Eltern und Lehrer zeigten die „frühkindlichen Passivraucher“ in der vierten Schulklasse ein deutlich aggressiveres und antisoziales Verhalten in der Gruppe als die Nichtraucher-Kinder.

Dass Passivrauchen die Nervenzellen der Gehirns schädigen – und sogar stärker noch als aktives Rauchen – ist seit längerem bekannt. Neu ist an dieser Studie der direkte Zusammenhang von Passivrauchen in früher Kindheit und Verhaltensstörungen im Schulkindalter. Auch vorübergehende oder nur gelegentliche Aufenthalte der Kleinkinder  in Umgebungen mit Rauchern zeigten ähnliche Auswirkungen bei den 10jährigen.

Andere bekannte Gründe für aggressives und antisoziales Verhalten von Schulkindern hatten die Wissenschaftler in dieser Studie bereits ausgeschlossen. So etwa ein antisoziales Verhalten der Eltern und andere Umweltfaktoren. „Passivrauchen ist im frühen Kindesalter besonders gefährlich, da sich das Gehirn gerade in dieser Zeit besonders schnell entwickelt,“ so die Studienleiterin Prof. Linda Pagani.

von Redaktion fürKinder

Links zum Thema

Ardesheer Talati et al., Maternal Smoking During Pregnancy and Bipolar Disorder in Offspring, American Journal of Psychiatry, 2013; 170 (10): 1178-1185

Gunda Herberth et al., Maternal and cord blood miR-223 expression associates with prenatal tobacco smoke exposure and low regulatory T-cell numbers, Journal of Allergy and Clinical Immonology, August 2013, vorab online veröffentlicht

Laura R. Stroud et al., Prenatal Glucocorticoids and Maternal Smoking During Pregnancy Independently Program Adult Nicotine Dependence in Daughters: A 40-Year Prospective Study. Biological Psychiatry, September 2013, vorab online veröffentlicht

Linda S Pagani, Caroline Fitzpatrick, Prospective associations between early long-term household tobacco smoke exposure and antisocial behaviour in later childhood, Journal of Epidemiology and Community Health, Mai 2013, online vorab publiziert

Darya Gaysina et al., Maternal Smoking During Pregnancy and Offspring Conduct Problems – Evidence From 3 Independent Genetically Sensitive Research Designs, JAMA Psychiatry, 24. Juli  2013, vorab online veröffentlicht

Untersuchung in Science Daily zur Studie:
S. Semple, A. Apsley, K. S. Galea, L. MacCalman, B. Friel, V. Snelgrove. Secondhand smoke in cars: assessing children’s potential exposure during typical journey conditions. Tobacco Control, 2012; DOI: 10.1136/tobaccocontrol-2011-050197

Harunor Rashid, Robert Booy, Passive smoking, invasive meningococcal disease and preventive measures: a commentary, BMC Medicine, 10. Dezember 2012, online vorab veröffenlticht

Jianghong Liu et al., Mother’s environmental tobacco smoke exposure during pregnancy and externalizing behavior problems in children, NeuroToxicology, 22. November 2012, online vorab

Quelle: HighWire, Eurekalert, Science Daily