Rituale in der Kindheit - Foto iStock © BraunSKaum ein Ratgeberbuch, in dem dieser Ratschlag nicht vorkommt. Möglicherweise aber gehört er auch zu den am meisten missachteten Ratschlägen: Kinder brauchen einen geregelten Tagesablauf und Rituale, die das Gerüst dieses Ablaufs bilden.

Viele Eltern halten das heute für ein Zeichen eines „autortären Erziehungsstils“. Damit aber hat der „rhythmische“ Tagesablauf vor allem für die Kleinen nichts zu tun. Und die Forschung erklärt, warum nicht:

Zwei Fixpunkte im Tagesablauf spielen für die psychische und physische Gesundheit der Kinder eine Schlüsselrolle:

• Die immer (im wesentlichen) gleiche Bettgeh-Zeit mit den dazu gehörenden Ritualen.

• Die festen Mahlzeiten (zumindest eine am Tag), an denen sich die ganze Familie um den Tisch versammelt – und dort auch bis zum Ende der Mahlzeit bleibt.

Schlafstörungen und Verhaltensauffälligkeiten

Mit den Folgen unregelmäßiger Bettgeh-Zeiten beschäftigt sich ein Forscher-Team am University College London: Unregelmäßige Schlafenszeiten bringen den natürlichen Tages-Rhythmus des Kindes durcheinander und führen zu Schlafentzug, untergraben die Gehirnentwicklung und die Fähigkeit das eigene Verhalten im Griff zu behalten, es kommt zu Verhaltensstörungen der unterschiedlichsten Art.

Professor Yvonne Kelly, Leiter der Studiengruppe: “Wenn feste Bettzeiten nicht eingehalten werden, begleitet von einem ständigen Gefühl von Flux, führt das zu einem körperlichen und psychischen Zustand, den man mit dem Jetlag vergleichen kann … Da wir wissen, dass die ungestörte frühkindliche Entwicklung einen tiefgreifenden Einfluss hat auf Gesundheit und Wohlbefinden ein Leben lang, folgt daraus, dass die Störung des Schlaf-Rhythmus, vor allem in der entscheidenden Zeit der Entwicklung eines Kindes, zu Gesundheitsproblmen führt – bis ins hohe Alter.“

Die Forscher hatten die Daten von 10.000 Kindern aus der UK Millennium Cohort Study analysiert, bei denen die Einschlafzeiten im dritten, fünften und siebenten Lebensjahr protokolliert worden waren. Zusätzlich wurden Eltern und Lehrer zu Verhaltnsauffälligkeiten der Kinder befragt. Ein Fünftel der Kinder kannten als Dreijährige keine regelmäßigen Bettzeiten.

Schon die Dreijährigen zeigten bei unregelmäßigen Schlafenszeiten Perioden von Schlaflosigkeit und auffälige Verhaltenssweisen. Bei den Kindern, die auch im fünten und siebenten Lebensjahr noch zu sehr unregelmäßigen Zeiten zu Bett gingen, vertieften sich die Probleme kontinuierlich. Wenn aber in der Zwischenzeit eine regelmäßige Bett-Geh-Regel eingeführt und durchgehalten worden war, bildeten sich diese Folgen wieder zurück. Der langfristige Schaden blieb dann begrenzt.

Ein Ankerplatz ist die regelmäßige und ungestörte Familien-Mahlzeit

Mit der Regelmäßigkeit und dem rituellen Ablauf der Familien-Mahlzeit(en) und ihrer Bedeutung für die Gesundheit, vor allem die ständig zunehmende Fettleibigkeit der Kinder, beschäftigt sich eine Studie der renommierten Cornell University.

Das Ergebnis: Familien, die sich mindestens einmal am Tag die Zeit nahmen, gemeinsam in den eigenen Räumen eine Mahlzeit einzunehmen, litten zu fast einem Drittel seltener an Übergewicht – übrigens sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern – im Vergleich zu Familien mit unregelmäßigen und Mahlzeiten außerhalb des Hauses.

Die gleiche Wirkung – allerdings nur für Jungen – hatte die strikte Einhaltung der Regel: Alle Familienmitglieder bleiben solange bei Tisch, bis alle zuende gegessen haben.

Die Forscher fühten diesen Effekt weniger auf die Qualität der Mahlzeiten zurück als vielmehr auf die psychologischen Wirkungen der Sicherheit und Ruhe vermittelnden „Familienkonferenz“ mit ihren vertrauten Ritualen.

„Familienmahlzeiten und ihre Rituale sind ein weit unterschätztes Schlachtfeld im Kampf gegen die Seuche Übergewicht und Fettleibigkeit,“ meinen die Autoren der Studie.

von Redaktion fürKinder

Links zum Thema

B. Wansink, E. van Kleef, Dinner rituals that correlate with child and adult BMI, Obesity, Oktober 2013, online vorab veröffentlicht

Yvonne Kelly et al., Changes in Bedtime Schedules and Behavioral Difficulties in 7 Year Old Children, Pediatrics, October 2013 , online vorab veröffentlicht

Quellen: UCL-News, PubMed