Wissen Kinderärzte genug Ein Beispielfall - Foto © Hermes Rivera on Unsplash Bei der ersten ärztlichen Grunduntersuchung, der U2, wird das Baby von „Kopf bis Fuß“ genau untersucht. Oft findet diese schon in der Entbindungsklinik statt. Wenn diese Früherkennungsuntersuchung jedoch beim Kinderarzt stattfindet, lernen Mutter und Kind ihren Kinderarzt bereits in den ersten Lebenstagen des Kindes kennen. Von nun an verbindet sie eine ganz besondere vertrauensvolle Beziehung, die erst mit dem 13. bzw. 15. Lebensjahr ihres Kindes endet.

Mütter und Väter suchen für ihr Kind bei ihm Hilfe bei Krankheit, erbitten Rat zur Entwicklung, stellen Fragen zur allgemeinen Gesundheit und Ernährung und besprechen intime familiäre Vorkommnisse, die man möglicherweise sonst mit keinem anderen bespricht.

Spielen Behandlung und Beratung zur Prävention eine angemessene Rolle in der Praxis und sind Kinderärzte dafür ausreichend ausgebildet? Wenn die Ausbildung der Kinderärzte in Sachen Prävention lückenhaft ist, mit welchen Informationen – und von wem geliefert – werden diese Lücken gefüllt? Erwarten Eltern zu viel von ihrem Kinderarzt?

Ulrike von Aufschnaiter, Mutter zweier Kinder, Autorin des Buches „Deutschlands Kranke Kinder“ fragt:

„Kinderärzte: Ein Mangel an Wissen?“

Sie schreibt dazu: „Wahrscheinlich lernen auch niedergelassene Kinderärzte auf den von der DGKJ (Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin) organisierten Fortbildungen wenig bis gar nichts darüber, welche Nahrungsmittel ein kleines Kind essen müsste, um auf seinen täglichen Bedarf an Vitamin A zu kommen. Oder wie viele Sonnenblumenkerne oder Haselnüsse es knabbern sollte, damit es den von der DGE angeratenen täglichen Bedarf an Vitamin E deckt. Oder dass eine Fehlfunktion der Schilddrüse auch bei Kindern vielleicht etwas mit falscher Ernährung und einer Belastung durch zu viele Zusätze aus Nahrungsmitteln, verabreichten Medikamenten oder Pflegeprodukten zu tun hat?“

Hellhörig wurde Ulrike von Aufschnaiter als bei ihrem Sohn mit knapp sechs Jahren eine schwere Zahnschmelzstörung diagnostiziert wurde. Diese sogenannten »Kreidezähne« sind sehr porös und können schnell zerbrechen. Für ihren Sohn war die Behandlung sehr schmerzhaft und als Mutter grübelt man nach, ob man etwas Gravierendes falsch gemacht hat. So fing sie an zu recherchieren.

Problemfall Ernährung

„Tatsächlich gibt es heutzutage mehr Wissen über gesunde Ernährung als früher, aber es ist lückenhaft, auch das, was staatliche Stellen verbreiten. Staatlicherseits wird viel zu wenig darüber aufgeklärt, welche Nährstoffe wichtig und wo Giftstoffe enthalten sind, weder von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung noch von Kinderärzten.

Eltern stellen nur fest, dass mit ihren Kindern etwas nicht stimmt, dass sie unter Krankheiten, Allergien und Unverträglichkeiten leiden. Das hängt oft maßgeblich mit der Ernährung zusammen.

Bevor mein Sohn Probleme mit seinen Zähnen bekam, hätte ich immer behauptet, dass wir uns ganz anständig ernähren. Das war aber vollkommen falsch. Die Lebensmittelindustrie begünstigt, dass Giftstoffe in ihre Produkte gelangen – von Antibiotika aus der Massentierhaltung bis hin zu Aluminium aus Keksen – und der Staat greift nicht ein.“

Babynahrung: Kinderärzte als Vertriebsnetz

Wissen Kinderärzte genug Ein Beispielfall - Foto © Rodrigo Pereira on UnsplashWeiter schreibt Aufschnaiter: „Wir haben von unserem Kinderarzt keinen einzigen Hinweis für eine wirklich gesunde Nahrungsversorgung für unsere Kinder erhalten. Dafür bewirbt unser Arzt im Behandlungszimmer Milchpulverpackungen für Säuglinge und Kleinkinder.

Ein ganzes Regal ist vollgestellt mit Produkten von BEPA, Hipp, Humana und Neocate von Nutria der Danone Gruppe. Ich gehe davon aus, dass die Vertreter der Lebensmittelkonzerne nicht nur unseren Kinderarzt besucht haben, sondern auch andere Kinderärzte, und sich Produkte dieser Hersteller auch in vielen weiteren Arztpraxen wiederfinden. Das ist nicht überraschend. Denn wer bedenkt, welche Umsätze die Lebensmittelkonzerne mit Milchpulvern für Babys und Kleinkinder erwirtschaften, sieht schnell, dass ohne die tatkräftige Bewerbung dieser Produkte in Arztpraxen – in Deutschland und anderen Ländern – ein solch wirtschaftlicher Erfolg nicht zu erreichen wäre.

Der globale Markt für Milchpulver und Babynahrung belief sich bereits 2015 auf ca. 40 Milliarden Euro. Es wird erwartet, dass die Wachstumsraten über 6% pro Jahr betragen werden und bis 2021 ein Umsatz von ca. 70 Milliarden Euro weltweit erwirtschaftet wird. Die USA führen, ähnlich wie auch in den meisten Lebensmittel- und Pharmatrends, den Wachstumsmarkt an.“

Gefährliche Substanzen in Pulvermilch

„Übrigens ist in der Pulvermilch für Babys und Kleinkinder sowie für Neugeborene praktisch immer eine extra Portion an zugesetztem Phosphat zu finden, welches bekanntlich den Knochen- und Zahnstoffwechsel, besonders in der Wachstumsphase, stören kann. Zusätzlich führen künstliche Phosphatverbindungen in der Nahrung zu Bluthochdruck und Arterienverkalkung. Die Gefahren, besonders für kleine Kinder, sind bekannt. Entsprechend tragen Produkte mit diesen Phosphatverbindungen den Warnhinweis „Vorsicht bei Kleinkindern, da die akzeptable tägliche Aufnahmemenge überschritten werden könnte.“

Aber diese Phosphatverbindungen befinden sich, so Aufschnaiter, in den meisten Babymilchpulvern. Selbst in Bioprodukten und bei führenden Herstellern wie HIPP und Nestlé Anfangsmilch: BEBA PRO Start PRE 600 g findet sich das E341 für Calciumphosphate.

Generell handelt es sich auch bei Babymilchpulvern um nichts anderes als eine synthetisch hergestellte Mischung aus essenziellen Nährstoffen und Milchpulver – meist aus der Massentierhaltung. Die Packung kostet im Schnitt 18 Euro und sie reicht für 6 Liter Milch. Der Liter kostet somit deutlich mehr als 3 Euro. Warum Eltern ihren Kindern jemals ein solches Produkt verabreichen sollten, erschließt sich mir und mit meinem heutigen Wissensstand nicht.

All diese Zusammenhänge wurden uns von unserem Kinderarzt, der diese Babymilchpackungen offen bewirbt, nicht erklärt.“

von Redaktion fürKinder

Zur Person
Ulrike v. Aufschnaiter ist Mutter zweier Kinder, Gründerin und Geschäftsführerin einer Unternehmensberatung, die Bremerin arbeitet als Coach und Organisationsentwicklerin für das obere Management von Großkonzernen zuvor war sie im Investmentbanking tätig.

Links zum Thema

Unser Wissen ist lückenhaft, Interview, Silke Hellwig, Weser Kurier, 16.06.2019

Kinderärzte-Verband fordert Zuckersteuer, Forderung des BVKJ, Süddeutsche, 9.10.2019

Studie des Robert Koch-InstitutsSo geht es Kindern in Deutschland, Irene Berres und Nina Weber zur (Teil-)Auswertung der neuen KIGGS-Welle, Spiegel-online, 8.10.2019

Deutschlands kranke Kinder – staatliche Anweisungen: Fluch oder Segen? – Spitzen-Gespräch, Prof. Dr. med Jörg Spitz & Ulrike von Aufschnaiter, 27.9.2019

Quelle:
Deutschlands kranke Kinder, Ulrike von Aufschnaiter, Eigenverlag
Mit einer umfangreichen Tabelle zum Basiswissen: Nährstoffe (für Kinder)