Im Durchschnitt verfügen Frauen über eine höhere Empathiefähigkeit, was sich ebenfalls durch die strukturellen und biochemischen Unterschiede im Vergleich zu den meisten Männern erklären lässt. Durch die zeitgleiche Verarbeitung von Signalen aus beiden Gehirnhälften gelingt ihnen das Hineinversetzen in die Sichtweise und Befindlichkeit des anderen besser, die Oxytocinfreisetzung in Gegenwart des Kindes erhöht das Mitempfinden. Bei Vätern ist dies durch ihre typische Gehirnstruktur und eine u. U. aktuelle Testosteronfreisetzung weniger gut möglich. Über die Gefühlsansteckung merken dies die kleinen Kinder sofort, so dass sie sich bei problematischen Befindlichkeiten vorwiegend an die Mütter wenden.
So lassen sie sich z. B. bei Anwesenheit beider Eltern eher von der Mutter anziehen, waschen oder bei schwierigen Dingen helfen.[1]
Voraussetzung dabei ist, dass die Mutter nicht unter Stress steht, der die Oxytocinfreisetzung verhindert. Da dies weder von Vätern noch von Müttern willentlich beeinflusst werden kann, sollten Eltern sich an den Gegebenheiten orientieren; also das machen, was das Kind aktuell braucht. Denn nur wenn Stress in solchen Situationen verhindert wird, kann sich das Kind auch dem anderen Elternteil eher zuwenden. Der Ausgleich für die Väter liegt darin, dass die meisten Kinder für Spiel und Spaß ihre Nähe suchen.
Gleichstellung kontra Tradition
Dies dürfte auch eine Rolle bei der Tarzan-Studie von Margrit Stamm spielen, in der junge Mütter die „Traditionalisierung“ beklagten, obwohl sie anders sozialisiert sind. Einerseits ist Gleichstellung für sie eine Selbstverständlichkeit, andererseits wollen sie trotzdem Mutter sein, die Verantwortung für alles und jeden übernehmen, eine Unmenge an interner Arbeit erledigen und sich aus dem Berufsleben zurückziehen. Durch ihre höhere Empathiefähigkeit und die umfassendere Wahrnehmungsfähigkeit liegt diese Verantwortungsübernahme für all das nahe, was die Familie betrifft. Gerade in der frühen Familienphase steuert zusätzlich die Neurochemie bei Müttern ein solches Verhalten. An einer Kleinigkeit lässt sich das festmachen: die Verantwortung für alles betrifft auch die sozialen Kontakte mit der erweiterten Familie und dem Freundeskreis. Das ist für die meisten Männer schwierig, weil sie aufgrund ihrer besonderen Gehirnstruktur Termine in diesem Bereich eher vergessen. Die meisten Frauen vergessen das nicht, auch weil sie aufgrund ihrer höheren Empathiefähigkeit spontan davon ausgehen, dass das Vergessen von wichtigen Terminen die Betroffenen verletzt.
Die Ursachen für die unterschiedliche Empathiefähigkeit sollten sich beide bewusst machen, damit dies den Vätern nicht als Manko angelastet wird, auch wenn sie aufgrund ihrer besonderen Gehirnstruktur eine stärkere Ichbezogenheit haben.
Wenn die Kinder sich eher von den Müttern versorgen lassen und Väter für Spiel und Spaß in Anspruch genommen werden, könnte das beiden Befriedigung verschaffen, weil das gut so ist.
von Erika Butzmann
Literaturverzeichnis
Sind Eltern zufrieden und glücklich entwickeln sich ihre Kinder zu kleinen Persönlichkeiten mit einer großen Portion gesundem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Doch was brauchen Familien, damit Spannungen und Konflikte gar nicht erst aufkommen und wie gestalten sie ihre Beziehung und erhalten sie aufrecht? Was wäre nötig, damit Väter selbstbewusst die Vaterrolle annehmen, die Verteilung der Familienarbeit gerecht aufgeteilt ist und die Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Kindererziehung nicht ständig Thema sind. Kann Familie gelingen, wenn das geschlechtsspezifische Denken, Wahrnehmen und Verhalten im täglichen Umgang miteinander berücksichtigt wird?