In Deutschland erzieht ein Großteil der Eltern, darin sind sich sämtliche Befragungen und repräsentative Studien der letzten Jahre einig, ihre Kinder respektvoll und begegnet ihnen auf Augenhöhe. Sie gehen auf deren Wunsch nach Sicherheit und Geborgenheit ein und berücksichtigen ihr Bedürfnis, respektiert und so anerkannt und gewürdigt zu werden, wie sie sind.
Die weitere gute Nachricht: Wie aus dem Zeitverlauf der Befragungen bis heute hervorgeht, hat auch die Gewaltbereitschaft von Eltern ihren Kindern gegenüber seit den 1970er-Jahren kontinuierlich abgenommen.
Gewalt in der Erziehung: Zwischen Ablehnung und Akzeptanz
Rund zwei Drittel der Bevölkerung, dies zeigt nun eine repräsentative Unicef-Studie der Universität Ulm aus dem Jahr 2024, bei der 2.500 Menschen ab 16 Jahren interviewt wurden, lehnen körperliche Strafen ab. Was aber aus dem Milieu liberalen Prinzipien verpflichteter Erziehungsexperten nur selten oder gar nicht thematisiert wird, ist die Tatsache, dass ein nicht geringer Teil der Bevölkerung sich auch heute noch in der Tradition von autoritären bis hin zu gewalttätigen Erziehungsgrundsätzen sieht. So kommt dieselbe Studie zu dem Schluss, dass
- fast ein Drittel der Befragten einen Klaps auf den Hintern für durchaus angebracht hält,
- und immerhin noch knapp 15 Prozent der Eltern ihren Kindern gerne mal eine „leichte Ohrfeige" verpassen.
- Der Aussage „Eine Tracht Prügel hat noch keinem Kind geschadet" stimmen in der aktuellen Umfrage immer noch 5 Prozent der Befragten zu.
Geht man davon aus, dass Eltern in Befragungen nur ungern zugeben, ihren Kindern gegenüber gewalttätig zu werden, dürfte die Dunkelziffer solcher Erziehungsmethoden weit höher liegen.
Traditionen: Weitergabe von Erziehungsstilen
Auch andere Ergebnisse sind Anlass zum Nachdenken: So ist die Zustimmung zu Körperstrafen in der Erziehung von Kindern bei Männern größer als bei Frauen. Und auch das Alter und damit Übergabe von Erziehungsmethoden von einer Generation zur nächsten scheint eine Rolle zu spielen.
Den Klaps auf den Hintern halten heute immer noch 43 Prozent der 61- bis 92-Jährigen für angebracht, aber nur 17 Prozent der 16- bis 30-Jährigen.
Mehr als Schläge: Wenn Worte verletzen
Gewalt äußert sich aber nicht nur durch Schläge, sondern auch durch (verbale) Missachtung. Immer handelt es sich dabei um eine Erziehung, die vertikaler Hierarchie folgt: das Kind unten, der Erwachsene oben.
Eine verhängnisvolle Ordnung, entspricht sie doch der ursprünglichen Sicht- und Empfindungsweise des Kindes selbst. In einer Bielefelder Studie aus dem Jahr 2013 geben ein Viertel aller befragten Heranwachsenden an, die Erfahrung gemacht zu haben, von Erwachsenen als „dumm" oder „faul" beschimpft zu werden, von ihnen 26,7 Prozent Kinder, aber auch 23,9 Prozent Jugendliche. Ebenso ein Fünftel sagen, dass Erwachsene ihnen das Gefühl geben, weniger wert zu sein.
Langzeitfolgen: Was verletzende Erziehung mit Kindern macht
Hinsichtlich von Kinderschutz, Eltern- und Erziehungsberatung gibt es also noch viel zu tun. Denn Gewalt gegen Kinder, die Verletzung ihrer Würde, hat nicht nur für sie selbst Folgen. Häufig resultiert aus Schuld- und Schamgefühlen und durch unterdrückte aggressive Impulse, die sie gegenüber ihnen zu mächtig erscheinenden Erwachsenen nicht nachgeben können, die Projektion von Wut, Hass und Ängsten auf schwächere Opfer als sie selbst. Für die Verletzung ihrer eigenen Würde nehmen sie dann an ihnen Rache. Eine Entwicklung, die sich dann oft bis ins Erwachsenenalter fortsetzt.
von Claus Koch
Erstveröffentlichung in Kinderwürde-Newsletter – Mai 2025
Befragung von UNICEF Deutschland und dem Universitätsklinikum Ulm
Sind Eltern zufrieden und glücklich entwickeln sich ihre Kinder zu kleinen Persönlichkeiten mit einer großen Portion gesundem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Doch was brauchen Familien, damit Spannungen und Konflikte gar nicht erst aufkommen und wie gestalten sie ihre Beziehung und erhalten sie aufrecht? Was wäre nötig, damit Väter selbstbewusst die Vaterrolle annehmen, die Verteilung der Familienarbeit gerecht aufgeteilt ist und die Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Kindererziehung nicht ständig Thema sind. Kann Familie gelingen, wenn geschlechtsspezifisches Denken, Wahrnehmen und Verhalten im täglichen Miteinander berücksichtigt wird – und welche konkrete Unterstützung können Familien von der Gesellschaft erwarten, um diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen?