Gestern war es wieder mal so weit: Ich „musste“ Lebensmittel einkaufen. Früher hat mir das Spaß gemacht, aber inzwischen graust mir davor. Der Grund: Am Eingang ging es schon los. Schreckliches Geschrei und Gejammer eines kleinen Kindes. Der Versuch mich mit meiner Einkaufliste abzulenken, scheiterte am neuerlichen Weinen und Jammern zwischen den Regalen. Kein Entrinnen vor dem lautstark in den Raum gerufenen Schmerz, den schrillen Protesten.
WEINEN, JAMMERN, KLAGEN – VERZICHTEN MÜSSEN STATT MITMACHEN DÜRFEN
Dann stand ich an der Kasse und es herrschte eine Minute Stille, um sogleich wieder in lautes Weinen und Klagen des kleinen Bübchens (ca. 2 Jahre alt) überzugehen, das ich jetzt mit seiner Mutter zwei Einkaufwagen vor mir sah. Der Kleine wollte etwas haben, bekam aber nichts. Der ältere Mann vor mir lachte hämisch, das Kind sei doch nur bockig. Die Mutter meinte, sie müsse jetzt mal hart durchgreifen und dürfe nicht nachgeben.
Das Kind, tränenüberströmt, weinte herzzerreißend. Ich folgte meinem Herzen, ergriff einen kleinen Nikolaus, brachte ihn dem Buben und wie Balsam breitete sich Entspannung im ganzen Raum aus. Die Mutter lächelte, erleichtert wie es mir schien.
Wehmütig dachte ich an die wunderschöne Zeit zurück, als Einkaufen noch ein Freudenfest war. Alle lachten und hatten Spaß, nicht nur wir, meine vier Söhne und ich, sondern auch alle Menschen, die dort im Supermarkt waren, hatten Anteil an unserem Spaß und der Begeisterung der Jungen. Und so war das damals:
MIT KINDERN EINKAUFEN – ACTION PUR MIT HOHEM SPASSFAKTOR
„Wir fahren einkaufen“, rief ich meinen Kindern zu und Michael 7 Jahre, David 5 Jahre, Leonardo 3 Jahre und Fynn 1 schrien laut „Juhu !!“ und los ging´s.
Im Supermarkt waren die Kinder eifrig und voller Freude, jetzt durften sie mir helfen. Alles geschah freiwillig, denn ich hatte sie von Anfang an mit eingebunden und ihrer Nachahmungsfreude freien Lauf gelassen.
Ich fuhr in den Gang und sagte den drei Großen, was ich brauchte. Sie holten mir die Pakete, wir lachten und warfen uns die Päckchen zu. Fynn konnte schon laufen, er saß nicht mehr im Einkaufwagen. Ich ließ ihn die leichten, kleineren Sachen im unteren Regal nehmen. Wenn sie weiter oben waren, hob ich ihn auf den Arm. Er strahlte vor Stolz und Freude, alle waren vergnügt, aufmerksam und ganz bei der Sache. Die Menschen um uns herum ließen sich von unserer Fröhlichkeit anstecken, gute Laune breitete sich aus.
An der Kasse gab es kleine Autos zu kaufen. Da waren die Buben natürlich Feuer und Flamme. Sie bekamen diese auch oft und es gab zuhause bald einen schönen Fuhrpark, mit dem die Vier hingebungsvoll stundenlang spielten.
Zwei meiner Söhne sind dann später auch in ihrem ersten Beruf Automechaniker geworden, im zweiten Beruf Software-Entwickler und David ist Art Director bei einem großen Unternehmen. Michael restauriert heute Oldtimer in seiner Freizeit und ich bin mir sicher, dass diese Liebe zu Autos damals bei unseren Einkauftouren angelegt wurde.
NACHAHMEN UND MITMACHEN SIND VORAUSSETZUNGEN FÜR (DEN SPASS AM) LERNEN
Kinder lernen, indem sie alles nachahmen, was sie sehen und erleben, vom ersten Tage an. Meine Enkeltochter, die kleine Rebekka, 9 Monate alt, steckt jetzt liebevoll Mama und Papa den Löffel in den Mund, weil sie es selbst so erlebt hat. Das ist das natürliche Lernprogramm, welches wir alle ohne Ausnahme von Geburt an mitbekommen. Es basiert auf Freude und freiwilliger Lust am Lernen, ohne jeden Zwang von außen. Für uns Eltern ist das besonders einfach und praktisch, weil wir nichts zusätzlich zu tun brauchen, es geht ohne Anstrengung und Aufwand von unserer Seite.
Wenn wir das natürliche „Lernprogramm“ unserer Kinder immer unterstützen, ist das die Basis für ein erfolgreiches Leben. Das natürliche sinnvolle Nachahmen ist die Grundlage unserer Entwicklung und einmal kaputt gemacht, lässt es sich auch nicht wieder „anknipsen“ oder aktivieren. Diese Kinder versagen oft in der Schule, denn Neugierde, Abenteuerlust, Vertrauen und das Miteinander-sein-und-tun wurden ihnen mit viel Schmerzen abgewöhnt.
Härte, Zwang, Stress, Angst und Bedrohung vernichten das angeborene Lernprogramm unserer Kinder.
Wenn man MIT seinem Kind zusammen einkauft, dauert es sichert etwas länger, na und!!! Gibt es etwas Schöneres als die Zeit mit seinem Kind zu verbringen, um gleichzeitig Bindung und Vertrauen zu vertiefen, tiefe Freude und Glück zu erfahren und so sein Leben in positive Bahnen zu lenken?
Stellen Sie sich vor, Sie dürften in das Land ihrer Träume fahren. Welche Freude! Aber sie müssten im Bus bleiben, dürften nicht aussteigen, nichts berühren, nichts „begreifen“, nichts anfassen und fühlen, obwohl sie an den herrlichsten Gegenden, an den schönsten Stränden, an den wunderbarsten Gebäuden vorbei fahren würden – alles wäre voller verführerischer Dinge, Gerüche, ein tolles Abenteuer, aber sie dürften nicht teilhaben an den wunderschönen Sachen.
Wie würden sie sich dabei fühlen? Genauso fühlen sich kleine Kinder, wenn sie zur Passivität wie etwa im Supermarkt verurteilt sind.
Bewegung ist der Zündfunke unserer Entwicklung und Liebe das Feuer, welches uns wärmt.
von Edeltraud März
Buchempfehlungen:
„Auf der Suche nach dem verlorenen Glück…gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit“ von Jean Liedloff
„Schreien macht die Lungen stark und 99 weitere Elternirrtümer“ aufgeklärt von Kinderarzt Dr. med. M. Beck und Charlotte Zierau