Hannes ahmt alle und alles nach - Foto iStock © selimaksan

Der 3-jährige Hannes ist seit einem Jahr bei der Tagesmutter (wo er vorher war, ist nicht bekannt). Seit diesem Zeitpunkt ahmt er alle und alles ununterbrochen nach. Der Tagesmutter erscheint es, als würde er sich in einem Wahn befinden. Jede Geste eines jeden Kindes und der Tagesmutter, jede Äußerung und jede Bewegung ahmt er nach. Er lässt sich durch nichts davon abhalten. Er spielt nicht, macht auch sonst nichts, sondern ist vollkommen auf die anderen konzentriert, um sie nachzuahmen. Zu Hause macht er das nur, indem er die Äußerungen der Eltern nachahmt. Geschwister hat er keine.

Das Verhalten muss als stereotyp eingeordnet werden, eine Vorstufe zum Zwangsverhalten. Das Kind steht so sehr unter Anspannung, dass es dieses Verhalten als Ventil einsetzt. Es ist nicht bekannt, was Hannes vor der Betreuung bei der Tagesmutter erlebt hat. Wenn er diese Zeit bereits in der außerfamiliären Betreuung war oder übermäßig strenge Eltern hat, könnte der Zwang zum Nachahmen durch eine übergroße Belastung in den ersten zwei Jahren entstanden sein.

Diese Eltern müssten über die Problematik genau informiert werden. Mit diesem Wissen sollten sie das Kind über mehrere Monate aus der Fremdbetreuung nehmen und sehr liebevoll und achtsam mit ihm umgehen, um zu sehen, ob Hannes das Nachahmungsverhalten unterlässt. Passiert das nicht, wäre eine Vorstellung beim Facharzt notwendig.

Ein Beitrag aus unserer Praxis-Rubrik:

KinderLeben – besser verstehen


Wenn die frühe Krippenbetreuung für Kinder eine zu hohe Belastung ist, zeigt sich dies in unterschiedlicher Weise an Verhaltensänderungen oder Verhaltensauffälligkeiten. Mit diesen Beispielen aus der Praxis von Kindertherapeuten, Erzieherinnen, Müttern, Tagesmüttern und ErziehungsberaterInnen wird dargestellt, wie überforderte Krippenkinder reagieren. Damit soll Eltern deutlich gemacht werden, in welcher Form und warum sich die Kinder im Verhalten verändern.

Dr. Erika Butzmann, Entwicklungspsychologin, erklärt, welches Vorgehen der Eltern notwendig ist, um die Belastungen des Kindes aufzulösen oder zu reduzieren.