Rezension Bindungseffekt - Ursula Nuber

Ursula Nuber
Der Bindungseffekt
Wie frühe Erfahrungen unser Beziehungsglück beeinflussen und wie wir damit umgehen können
Piper-Verlag
ISBN: 978-3492059688
254 Seiten
20,- Euro

„Die sichere Bindung ist ein großartiges Geschenk“

Ob eine spätere Beziehung glückt oder nicht, hängt von der Bindungserfahrung in den ersten Lebensjahren ab. Davon ist die Psychologin Ursula Nuber überzeugt und hat dazu ein lesenswertes Buch geschrieben.

„Man kann das Leben nur rückwärtsgewandt verstehen, aber leben muss man es vorwärts“: Der Spruch des dänischen Philosophen Sören Kierkegaard, den die Autorin Ursula Nuber ihrem Buch vorangestellt hat, ist treffend gewählt. Denn Nuber erklärt, welcher Zusammenhang zwischen der allerersten Bindungserfahrung eines Menschen im Kleinkindalter und seinem späteren Beziehungsglück oder -unglück besteht.

Wer käme schon darauf, Beziehungsstress im Erwachsenenalter mit kindlichen Bindungserfahrungen zu begründen? Nuber führt erhellend in diese Thematik ein. In 14 gut lesbaren und noch mehrfach untertitelten Kapiteln analysiert die Psychologin, Paartherapeutin und langjährige Chefredakteurin der Zeitschrift „Psychologie heute“ Liebesgeschichten von Paaren, die jeweils verschiedene Bindungshintergründe mitbringen.

Mama und Papa als erste Liebespartner

Je nach Bindungstyp gelinge ihm oder ihr später ein mehr oder weniger glückliches Beziehungsleben, so Nuber. Das Tückische ist: „Viele Männer und Frauen, die an der Liebe leiden, wissen nicht, dass sie das möglicherweise bereits seit Anbeginn ihres Lebens tun, weil ihre aktuellen Probleme weniger mit dem aktuellen Partner zusammenhängen als vielmehr mit der ersten Frau oder dem ersten Mann in ihrem Leben. Denn das Verhalten von Mutter und Vater hat uns nicht nur in der Kindheit geprägt“, schreibt Nuber.

„Die frühesten Erfahrungen mit den ersten und intensivsten Liebespartnern beeinflussen bis heute unser Leben und eben auch unsere Liebesbeziehungen.“

Sicher oder unsicher gebunden?

Von den Eltern lernen wir in den ersten Lebensjahren, wie Beziehungen funktionieren. Aus der Art und Weise, wie sie sich in dieser Zeit um uns kümmerten, ob sie uns Zuwendung und Liebe schenkten oder uns streng behandelten und wenig beachteten, lernten wir, was wir von den Menschen, die wir lieben, erwarten können und was nicht. „Wir lernten, wie viel Nähe wir zu anderen zulassen können, ob die Erwachsenen unser Vertrauen verdienen, oder ob es für uns besser ist, auf Abstand zu bleiben. Wir lernten, ob wir uns Liebe erarbeiten müssen, oder ob wir auch geliebt werden, wenn wir nicht immer brav sind. Kurz: Wir lernten, ob unsere erste Liebeserfahrung ein sicherer oder unsicherer Ort ist.“

Frühkindliche Bindungs- „Lektionen“ werden abgespeichert

Die Schlussfolgerungen aus diesen frühkindlichen „Lektionen“ hätten wir abgespeichert und begleiteten uns unser Leben lang, schreibt die Autorin. Unser späteres Beziehungsglück beziehungsweise Liebesunglück habe in den meisten Fällen mit diesem frühen „Unterricht“ und dem damals entstandenen Beziehungswissen zu tun. Gebe es Probleme in der Partnerschaft, dann sollten wir uns also unbedingt mit unserer „ersten Liebesbeziehung“ befassen. Von der Qualität dieses „Beziehungsmodells“ hänge nicht nur unsere physische und psychische Gesundheit ab, sondern auch unsere Beziehungs- und Bindungsfähigkeit.

Vier Bindungstypen

Vier verschiedene Bindungstypen charakterisiert Nuber: die Vermeider („bitte Abstand halten!“), die Ängstlichen („Liebe muss man sich verdienen“), die Ambivalenten („Komm her, geh weg!“) und die Sicheren („keine Angst vor Nähe“). Zur Erforschung des eigenen Bindungsstils ist auch ein wissenschaftlicher Fragebogen abgedruckt, der aus der Sicht von heute Erwachsenen frühere Bindungen und Bindungserfahrungen identifizieren kann.

„Bindungsstil ist nicht in Stein gemeißelt“

Das Problem an der Sache: Mag die Identifizierung des eigenen Bindungsstils auch ganz gut gelingen und klingt auch das Versprechen, der „Blick nach vorn“, durchaus vielversprechend („Sie müssen sich nicht mit Ihrem Bindungsstil abfinden. Er ist kein in Stein gemeißeltes Schicksal“), so erfordert es in der Paartherapie natürlich das Mittun beider Partner. Und hier dürften in der Praxis viele zerstrittene Paare an ihre Grenzen stoßen. Umso wertvoller wäre die Lektüre deshalb für junge Elternpaare, die sich (noch) grün sind, damit sie wissen, welches großartige Geschenk sie ihren Kindern und auch deren späteren Partnern und Partnerinnen machen können, wenn sie ihnen einen sicheren Bindungsstil mit auf den Lebensweg geben. Nuber betont: „Von der Qualität des Beziehungswissens hängt nicht nur die spätere physische wie psychische Gesundheit eines Menschen ab, sondern auch seine Beziehungs- und Bindungsfähigkeit.“

von Birgitta vom Lehn

Ursula Nuber © Anna Logue

Über die Buchautorin: Ursula Nuber