Mütter der neuen Zeit - Sabine Mänken

Sabine Mänken (Hrsg.)
Mütter der neuen Zeit:
Wir plädieren für eine kindgerechte Entwicklung
Herausgeber: Neue Erde
ISBN: 978-389060778
240 Seiten
22,- Euro

21 Mütter berichten, warum sie sich gegen Fremdbetreuung entschieden haben und wie sie den Alltag mit ihren Kindern gestalten

„Schauen Sie rein, fangen Sie irgendwo zu lesen an“, rät der Göttinger Neurowissenschaftler Gerald Hüther in seinem Vorwort zum Sammelband „Mütter der Neuen Zeit“, den Sabine Mänken herausgegeben hat. Das ist ein guter Tipp, denn die 21 Mütter, die darin zu Wort kommen und über ihre persönlichen, sehr individuellen Erfahrungen mit der krippen- und oft auch kindergartenfreien Zeit berichten, wissen allesamt fesselnd und lebendig zu schreiben. Es ist tatsächlich egal, wo man anfängt zu lesen. Man kann das Buch von vorn bis hinten oder umgekehrt oder auch nur punktuell lesen.

Auf die innere Stimme hören!

Der rote Faden, der alle Mütter-Geschichten verbindet und ihre Lese-Reihenfolge so gleichgültig macht, ist die Überzeugung der Frauen, dass ihre innere Stimme sie nicht fehlgeleitet hat und es richtig war, darauf zu hören statt auf den Schall der Umgebung. Und mit „Umgebung“ ist nicht nur das gesellschaftlich-mediale Umfeld gemeint, das frühe Fremdbetreuung als neue Normalität und eben auch Gewinn betrachtet, sondern nicht selten auch der eigene Partner. So schreibt zum Beispiel Isabell Melzer:

„Nachdem mein innerer Konflikt sich langsam glättete und die Wellen wieder kleiner wurden, ging der Konflikt mit meinem Mann erst richtig los. […]Ihm saß die Existenz im Nacken[…] Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es waren sachliche und respektvolle Gespräche. Nein, es flogen die Fetzen. Ich spürte seine Zukunftsangst und gleichzeitig auch seine Zerrissenheit[…]“.

Die Krippe löst nicht die Probleme der Alleinerziehenden

Mehrere Mütter, die in dem Band berichten, sind auch alleinerziehend. Leider machen sie den Hintergrund der Trennung von ihrem Partner nicht deutlich, so dass man sich in dem Fall dann schon fragen kann oder sogar muss, ob die Probleme, die die Kinder mit dem Kindergarten hatten, eventuell auch mit der häuslichen Situation zusammenhingen. Denn Studien haben gezeigt: Kinder Alleinziehender sind durch die frühe Fremdbetreuung nicht etwa besser versorgt, wie vielfach behauptet wird, sondern eher gefährdet als Kinder aus intakten Familien.

Hinzu kommt womöglich ein nachvollziehbar stärkeres Bedürfnis der Mütter, an den Kindern zu „klammern“ und umgekehrt: die Kinder sind bei fehlendem Vater stärker auf die Mutter als einzige Bezugsperson fixiert. Hier hätte man sich in den entsprechenden Berichten durchaus etwas mehr Hintergrund zur häuslichen Situation gewünscht, um die Schilderungen besser nachvollziehen und einordnen zu können.

Gelungen ist die formale Aufmachung: ein Wechsel zwischen Erfahrungsberichten und Experteneinordnung. So kommen nicht nur 21 Mütter, sondern auch 21 Fachleute zu Wort, die etwa die Historie der unbezahlten Arbeit von Müttern oder die Bedeutung der ersten Kinderjahre thematisieren.

Mehr Zeit für Familien!

Das Beeindruckende an dem gesamten Buch ist die authentische Schlichtheit der wiederkehrenden Kernaussagen und Gedanken. „Wir brauchen Mutterliebe, nicht Kindergärten“, schreibt Ille Blässe.

„Eine Mutter, die Vollzeit da ist, ist ein Zuhause, stellt den Raum für die Familie, in dem man einfach sein und regenerieren kann.“

Und Elisabeth Glöckner findet:

„Aber das System ist krank. Fremdbetreuung wird als das Normalste der Welt propagiert, altersreine Gruppen als natürlicher Lebensraum angesehen und zwanzig Kinder in einem Raum als angenehmes Umfeld empfunden. Das sehe ich anders. Ich kann nicht erkennen, wie mein Sohn in diesem System glücklich werden sollte, wie er sich frei entfalten und Kraft aus Ruhe schöpfen könnte.“

Der „schönfärberische Begriff der ‚Vereinbarkeit von Familie und Beruf‘ als Leitbild unserer sogenannten Familienpolitik“ kenne hingegen „faktisch nur eine Stoßrichtung: weniger Familienzeit, mehr Erwerbstätigkeit“, kritisiert der Kinder- und Jugendarzt Rainer Böhm, der das Sozialpädiatrische Zentrum Bielefeld-Bethel leitet. In seinem Vorwort appelliert er deshalb an uns alle, nicht nur gegen die „Gläserne Decke“ vorzugehen, die Frauen davon abhält, Positionen mit großem gesellschaftlichem Gestaltungspotenzial zu erschließen. „Wir müssen gleichzeitig verhindern, dass in unserem Haus mehr oder weniger unverhohlen ein „Gläserner Boden“ eingezogen wird, der uns als Eltern zunehmend von unseren Kindern trennt und entfremdet“, warnt Böhm zu Recht.

Erst Mutter, dann Bürgermeisterin

Dass beides möglich ist, nur eben nicht gleichzeitig, sondern idealerweise zeitlich versetzt, hat übrigens Britta Schulz vorgemacht. Schulz, 61, ist Bürgermeisterin des niederrheinischen Städtchens Kalkar, das bekannt wurde durch den nie in Betrieb genommenen „Schnellen Brüter Kalkar“. 2014 gründete sie dort die Freie Wählergemeinschaft „Forum Kalkar“, ein Jahr später eroberte sie bereits den Bürgermeistersessel.

Interessanterweise schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung über Britta Schulz: „Die promovierte Agrarwissenschaftlerin hatte zunächst auf eine Karriere verzichtet – und machte gerade deshalb Erfahrungen, die mancher und manche ein ganzes Berufsleben lang nicht macht: Zunächst kümmerte sie sich um ihre vier Kinder. Später machte sie Projektarbeit an einer Schule. Die Familie, zu der neben ihrem Mann (mit dem Britta Schulz seit mehr als 30 Jahren verheiratet ist) und den vier Kindern mittlerweile auch mehrere Enkelkinder zählen, bezeichnet sie als ihre Energiequelle.“

Wann liest man einmal in den Medien von einer solchen „Karriere“, noch dazu mit der Betonung darauf, dass man als Nur-Mutter Erfahrungen sammelt, die man im Berufsleben so nie macht? Das ist in der Tat bemerkenswert. Noch dazu von einem männlichen Autor formuliert. Ein Hoffnungsschimmer am Horizont für die 21 engagierten Mütter dieses Sammelbands und ihre hoffentlich zahlreiche Leserschar? Eines ist jedenfalls klar: Geht nicht gibt’s nicht. Das haben die 21 Mütter, die auf die allseits für überlebenswichtig erklärte Kita bei ihren Kindern verzichtet haben, und auch Britta Schulz, die ihre berufliche Karriere erst nach langer Familienphase gestartet hat, eindrucksvoll bewiesen.

von Birgitta vom Lehn

Mänken Sabine

Über die Buchautorin: Sabine Mänken

Freie Autorin, Seelenwegbegleiterin, Dipl. Volkswirtin – Das Muttersein hat mir in meinem Leben eine Weite geschenkt, für die ich zu tiefst dankbar bin. 1990 ist mein erster Sohn geboren worden. Als engagierte Studentin der Volkswirtschaft und moderne junge Frau wollte ich beides – Studentin und Muttersein – gleichzeitig, nebeneinander und miteinander vereinbar machen… drei Jahre später war ich entschieden, dass meine allergrößte Liebe und Verantwortung meinem Kind gilt. Mir wurde bewusst, dass ich selbst den Boden bereite, der es diesem Kind mehr oder weniger ermöglichen wird, seinen Weg als frei denkender und handelnder Mensch zu gehen. Die Promotion habe ich daraufhin abgebrochen. Dieses Motiv, meinen Kindern freie, individuelle Entfaltung zu ermöglichen, wurde zum roten Faden in meinem Leben. www.muetterderneuenzeit.de