In die Krippe wegen der Bildung - Foto © Melissa JeanFinnland liegt ganz vorn bei PISA und ganz hinten (in Westeuropa) bei der institutionellen Kleinkind-Betreuung. Nanu!?

PISA hat Deutschland geschockt und gerockt! Vernichtendes Urteil: Mittelmaß! In diesen Tagen überschlagen sich die Medien wie etwa Der Spiegel bei der Berichterstattung über das „Erwachsenen-PISA“ (PIAAC) – Wieder landet Deutschland im Mittelfeld! Und wieder hängt „Bildung“ von der sozialen Herkunft ab.

In allen drei „Bildungs-Kategorien“ (Lesekompetenz, Alltagsmathematische Kompetenz und Technologiebasierte Problemlösekompetenz) steht Finnland mit an der Spitze. Der Mainstream-Reflex auf diese Probleme, im Wahlkampf in schönster Schlichtheit zu besichtigen: Frühkindliche Bildung in Kinderkrippen, je früher desto besser.

Die Krippe kann`s nicht richten

Wenn man einmal absieht von dem – höflich formuliert – eingeschränkten Bildungsbegriff der OECD und den umstrittenen Erhebungsmethoden und wenn man auch noch das „Erwachsenen-PISA“ ernst nimmt, muss man notwendigerweise den Schluss ziehen: Die Krippe kann`s nicht richten! Die Daten sprechen dagegen, geben einen positiven Zusammenhang zwischen Krippenbetreuung und PISA/PIAAC-Leistungen nicht her, im Gegenteil!

Denn die jüngsten Ergebnisse der europäischen statistischen Erhebung (Gesis) zu den Betreuungsformen für Kinder unter drei Jahren weisen aus, dass ausgerechnet Finnland unter allen westeuropäischen Ländern seine Kleinkinder lieber von den Eltern betreuen lässt, als sie in die eine oder andere Form der Fremdbetreuung zu geben. Und das, obwohl die Voraussetzungen für die Krippen-Betreuung in Finnland mit dem Rechtsanspruch – wie jetzt auch in Deutschland – und einer besseren finanziellen wie personellen Ausstattung vorbildlich sind.

von Redaktion fürKinder

Grafik - Lesekompetenz Erwachsener
Grafik - Betreuung daheim

Von allen westeuropäischen Ländern hat Finnland den niedrigsten Anteil an Gruppenbetreuung für Kinder unter drei Jahren (U3) und den höchsten Anteil an Kindern, die durch ihre Eltern daheim betreut werden. In Dänemark geben Eltern dreimal so häufig ihre Kinder in den Krippen ab wie in Finnland. Dänemark scheidet aber bei der  „Erwachsenen-PISA“ nur unwesentlich besser ab als Deutschland.

Finnland fällt aus dem Rahmen

Dazu der Kommentar der ISI-Forscher:
Die institutionelle Betreuung ist hoch in Ländern mit einem gut ausgebauten Betreuungssystem „… Dänemark (72%) und Schweden (61%), gefolgt von den Niederlanden (45%), Frankreich (42%), Norwegen (39%) und Island (38%). Innerhalb der nordischen Länder fällt Finnland aus dem Rahmen. Ähnlich wie in Dänemark, Schweden und Norwegen besteht für Kinder in Finnland spätestens ab dem ersten Lebensjahr ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz und zugleich eine umfangreiche Betreuungsinfrastruktur.

Dennoch nehmen nur 23% der Mütter in Finnland institutionelle Unterstützung für ihr jüngstes Kind in Anspruch. Nahezu drei Viertel der Mütter hingegen betreuen ihr Kind ausschließlich selbst, d. h. sie verzichten auf jede Form der externen Betreuung, sei es institutioneller oder privater Art. Eine Erklärung hierfür ist das finnische ‚parental choice‘ Modell.

‚Parental choice‘ Modelle, die es z. B. auch in Dänemark, Schweden und Norwegen gibt, ermöglichen es Eltern, zwischen öffentlichen Betreuungsangeboten oder privater Betreuung mit finanziellem Ausgleich zu wählen. In Finnland besteht – im Unterschied zu den anderen Ländern – jedoch nur dann Anspruch auf Betreuungsgeld, wenn im Gegenzug kein öffentlicher Betreuungsplatz für das Kind beansprucht wird …. Darüber hinaus kann dieses nationale Betreuungsgeld durch ein kommunales Betreuungsgeld aufgestockt werden…“

Nun hieße es, die Argumentation um frühkindliche Bildung und Zukunftschancen im Wahlkampf- und medialen Sensationsmodus führen, wollte man aus dem Modellfall Finnland eine schlichte Anti-Krippen Folgerung ziehen. Etwas komplexer liegen die Dinge denn doch. Aber als Beispiel für den Unsinn der politisch-medialen Gebets-Formel: „Frühestmögliche Fremdbetreuung führt zu größtmöglichen Bildungs- und Karrierechancen“, reicht der Modellfall Finnland allemal.