Babys reagieren schon im Mutterleib, im letzten Drittel der Schwangerschaft, auf Laute und Klänge und können nach der Geburt Sprache schon sehr viel früher aufnehmen und „verarbeiten“ als sie tatsächlich zu sprechen beginnen.
Entdecken Sie die Arbeiten von Kerstin Pukall
Künstlerische Fotografie
Dass Babys aber schon im Bauch der Mutter unterscheiden lernen zwischen der „eigenen“, der Muttersprache, und einer „fremden“ Sprache, hat jetzt zum ersten Mal eine schwedisch-amerikanische Studie nachweisen können. Lernen die Kinder also tatsächlich vor der Geburt bereits (etwas über) Sprache?
Babys unterscheiden Sprache schon im Mutterleib
Die Autoren dieser Studie experimentierten mit den Vokalen der englischen und der schwedischen Sprache. Um feststellen zu können, ob das im Mutterleib Gelernte nach der Geburt tatsächlich „angewendet“ wurde, mussten sie so früh wie möglich nach der Geburt die Reaktionen der Babys auf die Vokale der beiden Sprachen testen.
Reagierten die Kleinen auf die vertrauten Laute ihrer Muttersprache, die sie als Föten aus der Umwelt und vor allem von Mutter und Vater aufgenommen hatten, anders als auf die Klänge der fremden Sprache? Liessen sie sich von den vertrauen Klängen eher beruhigen und von den als „fremd“ eingeordneten Klänge eher an- oder aufregen?
40 Neugeborene jeweils in Schweden und USA, die vor der Geburt nur ihre Muttersprache „gehört“ hatten, wurden am Tag nach ihrer Geburt mit Testsilben mit hellen Vokalen in ihrer eigenen Sprache (US-Englisch oder Schwedisch) und in der für sie fremden Sprache konfrontiert und ihre jeweilige Reaktion darauf beobachtet.
Gemessen wurden diese Reaktionen mit der Art und Intensität, mit der die Babys an ihren Schnullern nuckelten, je nachdem welche „Sprache“ ihnen vorgespielt wurde. Die Schnuller waren mit einem Computer-Messgerät verbunden.
Tatsächlich nuckelten die Babys deutlich heftiger und länger, wenn ihnen die „Fremdsprache“ präsentiert wurde, während die Silben aus der Muttersprache kein Anlass zu mehr oder längerem Nuckeln waren. Je typischer die Vokale für eine der beiden Sprachen waren, desto heftiger reagierten die Babys der jeweils anderen Sprachgruppe auf dieses „fremde“ Signal. Sie hatten im Mutterleib „gelernt“, zwischen den beruhigenden Klängen der Muttersprache und den aufregenden Klängen der Fremdsprache zu unterscheiden.*
*Anmerkung der Redaktion: „Das ist keine Unterscheidungsfähigkeit, sondern lediglich die Reaktion auf einen neuen Klang. Denn Kinder sind vom ersten Tag an darauf ausgerichtet, auf Neues zu reagieren, weil das der Entwicklungsmotor für das Gehirn ist.“(Spitzer, Manfred (2002): Lernen, S. 34 und 182)
Das Experiment zeigt, dass Sprachlernen bereits vor der Geburt beginnt und etwa das „Sprechen“ der Eltern, insbesondere der Mutter, nicht nur mit den Neugeborenen, sondern auch schon mit den Ungeborenen von Bedeutung sein kann.
Muttersprache prägt Gehirne von Babys schon im Mutterleib
Eine im November 2023 veröffentlichte Studie der Universität Padua bestätigt, dass die Gehirne von Babys bereits im Mutterleib durch die Muttersprache geprägt werden. Die Forscher fanden heraus, dass Neugeborene, die zuletzt ihre Muttersprache hörten, spezifische EEG-Veränderungen aufwiesen, während Kinder, die andere Sprachen hörten, diese neuronalen Aktivitäten nicht zeigten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Gehirn von Säuglingen komplexe Prozesse durch das Hören der Muttersprache auslöst, die mit Sprachverarbeitung und Lernen zusammenhängen. Dies legt nahe, dass im Mutterleib bereits bestimmte Anlagen für die sprachliche Entwicklung entstehen, wie im Fachblatt „Science Advances“ zu lesen ist.
von Redaktion fürKinder
Quelle: PubMed, Science Advances
Links zum Thema
Christine Moo et al., Language experienced in utero affects vowel perception after birth: a two-country study, Acta Pædiatrica 2013, 102, 156–160
Benedetta Mariani et al., Prenatal experience with language shapes the brain, Science Advances, Nov 2023
Gewalt und Depression der Eltern und der Dialog mit dem Säugling