Übergewicht schon im Mutterleib - Foto iStock© PIETDie USA geben mehr Geld für Gesundheit aus als fast alle anderen entwickelten Länder, stehen aber dennoch bei der Sterblichkeitsrate und bei der Häufigkeit vor allem vieler chronischer Erkrankungen an erster Stelle.

Probleme werden in früher Kindheit angelegt

Das beginnt mit dem Anteil der Frühgeburten ebenso wie der Säuglings- und Kindersterblichkeit. In keinem der 16 Vergleichsländer sterben darüber hinaus so viele Jugendliche durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten, Drogen-Mißbrauch und HIV-Infektionen. Im Alter leiden US-Amerikaner häufiger als andere an Arthritis.

Übergewicht/Adipositas schon im Mutterleib und in der frühen Kindheit sind ein entscheidender Risikofaktor. Diese Daten wurden jetzt vom National Research Council and Institute of Medicine (NRC/IOM) – sozusagen „regierungsoffiziell“ – veröffentlicht.

Übergewicht „von Anfang an“ einer der größten Risiko-Faktoren

Grafik - OECD - Übergewicht bei Erwachsenen

„Führend“ sind die USA in einigen der entscheidensten gesundheitlichen Risikofaktoren, vor allem beim Übergewicht.

Eine Reihe wissenschaftlicher Studien haben gerade in jüngster Zeit unterstrichen, dass dieses Problem „hausgemacht“ ist und die Neigung zu Übergewicht vielen (US-)Bürgern bereits vor der Geburt durch Fehlverhalten der werdenden Mütter mit auf den Lebensweg gegeben wird.

Eine Meta-Studie an der Berliner Charité mit Daten von 66 Studien aus 26 Ländern aller fünf Kontinente zeichnet jetzt diese fatale Ursachenkette nach – vom Übergewicht durch Fehlernährung und Bewegungsmangel in der Schwangerschaft, über ein ungewöhnlich hohes Geburtsgewicht bis hin zu Fettleibigkeit und Adipositas im Jugendlichen- und Erwachsenenalter.

Babys mit besonders hohem Geburtsgewicht werden doppelt so oft  übergewichtige Erwachsene als Babys mit Normalgewicht. Auch in Deutschland ist inzwischen fast jeder zweite Bundesbürger übergewichtig.

Prof. Andreas Plagemann, Leiter der Studiengruppe an der Charité, wird zitiert von Sciene Daily: „Mehr noch als früher erweist sich der Verlauf der Schwangerschaft als entscheidender Faktor für die Gesundheit des Kindes – sein Leben lang“.

Wenn sich die Mutter kümmert, ist das Risiko am geringsten

Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder in den ersten Lebensjahren, etwa bis zum Eintritt in den Kindergarten, sich ohne Übergewicht oder gar Adipositas entwickeln, ist deutlich am größten, wenn die Mutter sich tagsüber um ihr Kind kümmert und zumindest im ersten Lebensjahr auch stillt. Darin sind sich alle Studien (ein Beispiel unter Link zum Thema) zu diesem Thema einig. Halbtagsarbeit der Mutter und – entsprechen deutlicher – Vollzeit-Arbeit der Mutter verschlechtert die Situation spürbar.

Am „gefährlichsten“ für die Entwicklung von Übergewicht bei den Kindern ist die Betreuung durch Freunde, Nachbarn oder andere Familienangehörige wie etwa die Großeltern. Die Vermutung, die „Betreuer“ versuchten, sich die Arbeit zu erleichtern durch süße Belohnung und Stillstellen vorm Fernsehapparat, liegt nahe.

Bessere Bildung der Mutter spielt auch hier, wie immer, eine positive, Armut eine negative Rolle. Das wird besonders deutlich bei Kindern aus Problemfamilien oder von Alleinerziehenden, die an einem der staatlichen Hilfsprogramme (in den USA „Head Start“, vergleichbar etwa die „Frühen Hilfen“ in Deutschland) teilnehmen. Sie tragen das größte Adipositas-Risiko. Im Vergleich dazu schneiden Kindertagesstätten wesentlich positiver ab.

Übergewicht und Kinderarmut

Als einen der wichtigsten Gründe für den schlechten Gesundheitszustand und den vergleichsweise frühen Tod der US-Amerikaner nennt das Institute of Medicine (IOM) – neben dem maroden Gesundheitssystem – die höchste Armutsrate und die krasseste Kinderarmut unter den 16 untersuchten reichen Ländern. Der Druck relativer Armut ist verantwortlich für ungesunde Lebensweise der Mütter und Familien, für Unsicherheit, Bindungsarmut und „Unbehaustheit“ der Kinder – mit all den negativen Folgen für die Gesellschaft, wie sie in vielen Langzeitstudien beschrieben wird.

Schlimmer als befürchtet sind die Lanzeitfolgen von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter: Eine vorab online veröffentlichte, repräsentative US-Studie mit über 43.000 teilnehmenden Kindern zählt nicht weniger als 21 Krankheiten, Fehlfunktionen und Verhaltensstörungen auf, die langfristig durch kindliches Übergewicht verursacht oder verschimmert wird. So verdoppelt sich fast das Risiko von adipösen gegenüber normalgewichtigen Kindern für eine chronische Krankheit, für ADHS oder Lern- und Verahltensstörungen.

Ist Deutschland auf dem Weg zu „amerikanischen Verhältnissen“? Wenn man den Ende 2012 erschienen „Armutsberichten“ (z.B. hier) – einschließlich dem „redaktionell geglätteten“ Bericht der Bundesregierung – glauben darf, liegt diese Vermutung zumindest nahe.

von Redaktion fürKinder

Links zum Thema

Steven H. Woolf et al., The US Health Disadvantage Relative to Other High-Income CountriesFindings From a National Research Council/Institute of Medicine Report, JAMA 1-2/2013, 10. Januar 2013, online vorab veröffentlicht

Karen Schellong, Sandra Schulz, Thomas Harder, Andreas Plagemann, Birth Weight and Long-Term Overweight Risk: Systematic Review and a Meta-Analysis Including 643,902 Persons from 66 Studies and 26 Countries Globally. PLoS ONE, 2012; 7 (10)

Neal Halfon et al., Associations Between Obesity and Comorbid Mental Health, Developmental, and Physical Health Conditions in a Nationally Representative Sample of US Children Aged 10 to 17, Academic Pediatrics, 2013; 13/1, 6-13, Januar-Februar 2013, online vorab veröffentlicht

Übergewicht bei Kleinkindern

Pediatrics, August 2008, VOLUME 122 / ISSUE 2, Article, Preschool Child Care Participation and Obesity at the Start of Kindergarten, Erin J. Maher, Guanghui Li, Louise Carter, Donna B. Johnson

Quellen: Science Daily/Charité Berlin