Ein Lächeln und ein kleines Wunder - Foto iStock © LiliboasWie nach Zimt duftende Schneeflöckchen die Sicht der Dinge verändern können.

Kurz vor Weihnachten steuerte ich ein kleines, gemütliches Café an, um mich in Ruhe und allein mit meinen problembeladenen Gedanken zu beschäftigen. Ein kleiner Tisch in der hinteren Ecke war noch frei. Ich war sicher, dort nicht gestört zu werden und mich meinem Leid in Ruhe hingeben zu können. Gerade hatte ich Platz genommen, da stand plötzlich eine kleine, ältere Frau neben mir und fragte, ob der zweite Platz noch frei sei. Und weil ich ein höflicher Mensch bin, nickte ich ihr stumm zu, ließ aber durch klare Gestik und Mimik keinen Zweifel daran, dass ich an einer Unterhaltung nicht interessiert bin. – Das störte sie jedoch reichlich wenig. Sie lächelte und sagte: „Horchen Sie mal.“

Ich horchte.

Da waren am Nachbartisch zwei Kinder mit ihren Müttern. Das eine sagte: „Ich bekomme zu Weihnachten den Zoo von Playmobil und eine echte Katze.“ „Woher weißt du das“, fragte das andere. „Weil ich immer bekomme, was ich mir wünsche“, sagte das Kind betont wichtig. Dabei schaute es das andere an, als hätte es auf jeden Fall die besseren Wünsche. Dieses konterte schrill: „Ich habe mir ein PC-Spiel gewünscht, ein Stofftier und noch viele andere Sachen“, und fügte mit brummendem Trotz hinzu: „Und ich bekomme auch immer, was ich will.“

Ich horchte weiter.

Die Mütter lamentierten über furchtbare Lehrer, knallharte Chefs und die erschreckende Lage in Politik und Gesellschaft.
An einem anderen Tisch ging es zwischen einer Frau und einem Mann recht hektisch zu. Die Frau sagte: „Nur noch fünf Tage, um meinen Auftrag abzuliefern, und ich habe keine Ahnung, wie ich das schaffen soll.“ Es wurden wichtige Arbeitsstrategien und Tipps ausgetauscht.
An einem weiteren Tisch saß ein älteres Ehepaar, das mit ausdruckslosem Blick und schweigend auf die Getränke und ein wirklich hübsch angerichtetes Essen schaute. Ihre Ringe zeugten von Liebe, und doch lag eine tieftönende Schwere über ihnen.

Ich sah meine Tischnachbarin ein wenig verloren an. Sie lächelte noch immer, obwohl es rein gar nichts zum Lächeln gab. „Es ist das Gefühl, das uns verlorengegangen ist“, sagte sie, „jenes, das uns neugierig, frei und unvoreingenommen macht. Eben das, das uns Wunder erleben lässt.“

Ganz ehrlich? Auch ich hätte das alles wohl nicht so wahrgenommen, sondern meinen Kaffee in Gesellschaft meiner eigenen Gedankenwelt zu mir genommen, wenn mich diese Frau nicht mit den Ohren auf die anderen Cafébesucher gestoßen hätte. – Ich dachte noch: ‚Ist halt so‘, als plötzlich die Tür des Cafés aufsprang und ein kalter Wind den Raum erfüllte. Mit ihm flogen, weiß der Himmel woher, lauter glitzernde Schneeflocken herum, die eine Melodie mit sich trugen, die nach Kindheit klang, sich wie Staub auf den Boden legten und irgendwie seltsam nach Zimt dufteten. ‚So ein Blödsinn‘, dachte ich und kniff mir in den Arm.

Ich schaute mich um. Es hatte sich nichts verändert. Wirklich nichts? Die Kinder, die Mütter, das ältere Ehepaar und alle anderen schienen nichts von all dem mitbekommen zu haben, was ich gerade erlebt hatte. Obwohl:

Ich sah die beiden Kinder, wie sie zufrieden und fröhlich mit einem Spielauto um den Kakao herumfuhren, und liebevolle Mütter miteinander plaudern. Ich sah eine Frau und einen Mann, die darüber sprachen, welche kleinen Weihnachtsüberraschungen sie ihren Kollegen bereiten würden. Und ich sah den älteren Mann, der seine Hand auf die seiner Frau legte.

Nur die lächelnde Frau war verschwunden, so, als wäre sie nie dagewesen. War sie es, die den Frieden und diese unbeschreibliche Liebe hinterlassen hatte? Oder war ich es selbst mit dem Wachwerden einer Erkenntnis, dass nicht die anderen für meine Sicht der Dinge verantwortlich sind, sondern ich allein? Oder ist es vielleicht ein mutiges Lächeln auch in schwierigen Zeiten, das Gemeinsamkeit, Frieden und Liebe bringt?

von Beate M. Dapper

Ein Beitrag aus unserer Praxis-Rubrik:

FamilieLeben – besser verstehen


Sind Eltern zufrieden und glücklich entwickeln sich ihre Kinder zu kleinen Persönlichkeiten mit einer großen Portion gesundem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Doch was brauchen Familien, damit Spannungen und Konflikte gar nicht erst aufkommen und wie gestalten sie ihre Beziehung und erhalten sie aufrecht? Was wäre nötig, damit Väter selbstbewusst die Vaterrolle annehmen, die Verteilung der Familienarbeit gerecht aufgeteilt ist und die Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Kindererziehung nicht ständig Thema sind. Kann Familie gelingen, wenn geschlechtsspezifisches Denken, Wahrnehmen und Verhalten im täglichen Miteinander berücksichtigt wird – und welche konkrete Unterstützung können Familien von der Gesellschaft erwarten, um diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen?