Kinderarmut1 - Foto shutterstock © Marina AprilWenn das Unglück und Leiden von Kindern zu lange andauert und sie allmählich aus der Gemeinschaft anderer Kinder ausschließt, hinterlässt es Spuren. Wir sprechen dann häufig von traumatischen Erschütterungen, die einer Therapie bedürfen. Zu solchen Spuren gehört aber auch, und im therapeutischen Alltag oft unerwähnt, die Kinderarmut: Mehr als jedes fünfte Kind ist bei uns davon betroffen, annähernd drei Millionen Kinder unter 18 Jahren – wahrlich keine Randgruppe.

Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung

Zu ihrem Alltag gehört, dass sie oft ohne Frühstück hungrig in die Schule gehen und beim Abendessen zu Hause gespart werden muss. Markenklamotten, die bei Gleichaltrigen hoch im Kurs stehen, können sie sich nicht leisten und wenn, dann gebraucht. „Habe ich von meinem Bruder geerbt“, sagen sie dann, selbst wenn es gar keinen Bruder gibt. Auch dem Ranzen bei Schulbeginn sieht man „ihre Herkunft“, wie es oft gehässig formuliert wird, an. Und wenn andere in die Ferien fahren und von ihren Erlebnissen erzählen, schweigen sie. Eine Grenze wird gezogen und in vielen Städten umzäunt sie ganze Stadtteile mit ihren sogenannten „Brennpunktschulen“.

Wertschätzender Umgang als Schlüssel

Dass nun 4.000 dieser Schulen von dem von der Bundesregierung geplanten „Startchancen-Programm“ zehn Jahre lang jährlich mit einer Milliarde Euro unterstützt werden, ist eine gute Nachricht. Entscheidend aber wird sein, dass nicht nur die Schulbauten freundlicher werden, sondern auch die Schüler*innen einen entsprechend wertschätzenden Umgang erfahren. Denn arme Kinder fühlen sich häufig wertlos in einer Umgebung, in der nur materieller Reichtum zählt. Ihnen die Gewissheit zu geben, genau so viel wert zu sein als diejenigen, die in ihrer Kindheit einfacher und unbeschwerter ins Leben starten, ihnen mit Respekt, Feinfühligkeit und pädagogischer Beziehungskompetenz zu begegnen, zählt dann genauso, wie didaktische Handreichungen, die ihnen das Lesen und Rechnen erleichtern.

Immer geht es darum, sie nicht zu marginalisieren, sondern ihnen das Gefühl zu geben, dazuzugehören, genauso wie alle anderen neugierigen und wissbegierigen Kinder auch.

von Claus Koch

Erstveröffentlichung: Kinderarmut, Semnos I Pädagogisches Institut Berlin (PIB), 10.05.2024

Ein Beitrag aus unserer Praxis-Rubrik:

FamilieLeben – besser verstehen


Sind Eltern zufrieden und glücklich entwickeln sich ihre Kinder zu kleinen Persönlichkeiten mit einer großen Portion gesundem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Doch was brauchen Familien, damit Spannungen und Konflikte gar nicht erst aufkommen und wie gestalten sie ihre Beziehung und erhalten sie aufrecht? Was wäre nötig, damit Väter selbstbewusst die Vaterrolle annehmen, die Verteilung der Familienarbeit gerecht aufgeteilt ist und die Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Kindererziehung nicht ständig Thema sind. Kann Familie gelingen, wenn das geschlechtsspezifische Denken, Wahrnehmen und Verhalten im täglichen Umgang miteinander berücksichtigt wird?