Väter unter Druck 1 - iStock © Anchiy

Die Herausforderungen, denen sich Väter heute gegenübersehen, brachte bereits 2018 die Erziehungswissenschaftlerin, Margit Stamm, in ihrem Buch „Neue Väter brauchen neue Mütter“ in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang. Die von Stamm beschriebenen Probleme der neuen Väter und Mütter haben einen geschlechtsspezifischen Hintergrund und verursachen Spannungen und Konflikte in den Familien und in der gesamten Gesellschaft.

Das Engagement heutiger Väter

Viele der befragten Männer übernehmen heutzutage erzieherische, betreuende und begleitende Funktionen, um im Alltag eine bedeutende Rolle für ihre Kinder spielen zu können. Sie machen sich viele Gedanken über die richtige Erziehung und übernehmen gemeinsam mit den Müttern die Verantwortung – auch dann, wenn sie Vollzeit arbeiten. Die Mütter tragen jedoch nach wie vor die Hauptverantwortung. Dieses enorme Engagement beider Partner führt zu Spannungen, da die Belastungen im Familienleben heute sehr hoch sind. Insgesamt haben die Väter ebenso Probleme damit, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, so dass das Vereinbarkeitsdilemma heute auch männlich ist.[1]

Die gesellschaftliche Debatte zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Die Vereinbarkeitsproblematik „Beruf und Familie“ fordert Väter und Mütter in ganz besonderer Weise. Auch wenn sich die Väter von heute zum größten Teil für die Familienorganisation und Kindererziehung zuständig fühlen und viele dies praktizieren, kommt kaum Entspannung auf. Denn die aktuelle gesellschaftliche Debatte zum Thema bietet keine Perspektiven, Familienleben so gestalten zu können, dass für alle Beteiligten, die notwendige Zeit für ausreichende Entwicklungschancen vorhanden ist. Dazu wäre es nötig, die unterschiedlichen Formen der Erwerbsarbeit von Vätern und Müttern zu unterstützen und nicht nur das Modell der doppelten Vollzeitberufstätigkeit zu favorisieren so Stamm, indem die Kinder jeden Alters ganztags in die Fremdbetreuung müssen.[1]

Wenn die Lebensplanentwürfe von Müttern und Vätern frei von gesellschaftspolitischer Idealisierung unterstützt würden, könnte jede privat gewählte Erwerbs- und Familienform möglich sein. Dazu muss sich neben neuen Denkweisen bei Arbeitgebern das Familienministerium vom derzeit reinen Frauenministerium dahin entwickeln, dass sowohl die Väter als auch die Kinder innerhalb der Familie im Blick sind und nicht nur die Bereitstellung von Betreuungsplätzen für Kinder fokussiert wird. Es darf nicht nur die Vollzeit/Vollzeitberufstätigkeit belohnt, sondern auch die anderen Formen müssen konkret unterstützt werden. Das gilt besonders für die Anerkennung der Familienarbeit, indem beispielsweise Rentenpunkte auf gleichem Niveau wie bei Vollerwerb anzurechnen wären.

Ein wesentliches Ergebnis der Studie von Margrit Stamm war, dass es egal ist,

ob der Vater nur wenig anwesend ist oder viel, solange er sich der Aufgabe als Vater aus Überzeugung stellt, fördert dies die Entwicklung der Kinder.

Daraus zieht sie den Schluss, dass es ziemlich ideologielastig ist, dem Ernährermodell (Vollzeit/Teilzeit) seine Legitimation abzusprechen. Es ist statistisch gesehen das beliebteste Familienmodell in allen deutschsprachigen Ländern.

Die Studie von Stamm zeigte auch, dass eine strikte Rollenaufteilung nicht per se sinnvoller für die kindliche Entwicklung ist als andere Familienmodelle. Väter können in traditionelleren Familienmodellen genauso positiv auf die Kinder einwirken und zu einer auch für ihre Partnerinnen befriedigende Gemeinschaft beitragen.

Der Vereinbarkeitsmythos und die Zeitfalle

Alle derzeitigen familienpolitischen Maßnahmen sind lediglich Teilsegmente zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die das wesentliche Element, die Familienzeit, ausspart. Die Tarzan-Studie macht das an den Aussagen der befragten Väter deutlich. Viele Männer berichteten, dass sie sich erst zu Hause so richtig unter Druck fühlen:

Es soll ein Zeitblock für die Partnerin geben, einen für den Nachwuchs, einen für persönliche Interessen; man versucht, alles schnell zu erledigen, um sich ein paar Inseln von Quality time zu schaffen.[1]

Das gilt auch für die Frauen. Effizienz ist die neue häusliche Tugend. Viele Eltern fühlen sich als Zeitmanager, die den Nachwuchs andauern antreiben müssen.[1]

Die Kinder entziehen sich der täglichen Hetzerei durch Trödeln, das wiederum die Eltern in Bedrängnis bringt.[2] Mit Wutausbrüchen, Verweigerungen und Trödeln zeigen die Kinder, dass sie keine Qualitäts-, sondern Quantitätszeit brauchen.[1,2]

Väter unter Druck 2 - AdobeStock © opustraderMargrit Stamm bezeichnet die Zeit als die meistbedrohte Form unseres persönlichen Kapitals. Das derzeitige Zeitmanagement führt nur dazu, in eine Arbeits- und Familienwoche immer mehr hineinzustopfen. Dabei ist es familienpolitisch nicht zielführend, das öffentliche Bildungssystem und Betreuungswesen dieser Zeitoptimierungsstrategie anzupassen und lediglich mehr Unterstützungsangebote zu schaffen.

Ein neuer Umgang mit der Zeit und ein Umdenken in den ökonomischen Spielregeln ist dringend erforderlich. Männer und Frauen mit kleinen Kindern sollten in der intensivsten Familienphase weniger, wenn die Kinder älter sind, jedoch wieder mehr arbeiten können.[1] Wenn das Berufsleben nicht mehr so strikt getaktet ist, sondern Unterbrechungen möglich und vor allem individuell bestimmbar sind, ließen sich neue Aufstiegschancen generieren. Zu einer solchen Lebenslaufpolitik gehört auch die Möglichkeit zu einer späteren Karriere. Die fixe Idee, alles früh im Leben und gleichzeitig zu erreichen, müsste dafür aufgegeben und auf eine lebenslaufbezogene Arbeitszeitgestaltung ausgerichtet werden.[1,3]

Qualifikationen, welche in familienbezogenen Auszeiten erworben werden, müssten endlich als Gewinn betrachten werden.

Denn gut qualifizierte Frauen und Männer arbeiten sich in kurzer Zeit in neue Abläufe ein. Auf einer solchen Basis könnte das Ernährermodell auf Zeit zu einer zukunftsträchtigen Option werden, dass in jedem Fall die Entwicklungsbedingungen der Kinder verbessern würde.

Kinder wünschen sich weniger gestresste Eltern und dass diese weniger müde sind. Sie sorgen sich um das Wohlbefinden ihrer Eltern, denn sie sind von ihnen abhängig.

Sie profitieren nicht davon, wenn die Eltern möglichst viel in kurzer Zeit unter einen Hut zu bringen versuchen. Die damit angestrebte Qualitätszeit mit den Kindern hilft ihnen nicht [1] und sie macht Eltern ein schlechtes Gewissen. Die Vorschläge von Margrit Stamm zur staatlichen Unterstützung der verschiedenen Erwerbsmodelle dürften ein solches gesundheitsgefährdendes Zeitmanagement entschärfen.

Der Problembereich dieser gesellschaftlichen Einflüsse auf das Familienleben wird durch Spannungen in der Partnerschaft verstärkt,

die einerseits aus der jeweiligen Herkunftsfamilie der Eltern rühren können und andererseits aus der unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Sichtweise von Männern und Frauen.

Denn auch der Umgang mit den täglichen Widrigkeiten wird auch von dieser unterschiedlichen Denk- und Wahrnehmungsweise beeinflusst. Es ist keineswegs hilfreich, diese Unterschiede aus ideologischen Gründen zu negieren, weil die Konflikte dadurch unnötig verstärkt werden.

Ansprüche und Spannungen in der Partnerschaft

Die Ergebnisse der Befragung von Eltern aus der Tarzan-Studie von Margrit Stamm nach Spannungen und Meinungsverschiedenheiten in der Partnerschaft zeigten folgendes Bild:

  • Gut jeder zweite Mann bemängelt die Verteilung der Haushaltsarbeit, die unterschiedlichen Vorstellungen über Kindererziehung und die zu hohen Erwartungen an ihn. Zudem ist der Mann der Ansicht, die Partnerin würde seine Leistungen für die Familie gering schätzen, ihm zu wenig Freiheit gewähren und zu viel an ihm herumnörgeln.
  • Fast jede zweite Frau ist der Ansicht, dass sich der Partner zu wenig Zeit für Zweiergespräche nimmt, andere Vorstellungen über die Hausarbeit hat, ihre Familien- und Erziehungsarbeit zu wenig schätzt und andere Vorstellungen über deren Aufteilung hat.

Das bisher von den Familien bevorzugte Erwerbsmodell der Vollzeit/Teilzeit, wo im überwiegenden Teil die Väter Vollzeit arbeiten, erklärt teilweise die oben von den Männern genannten Spannungen.

Für viele Männer bedeutet die berufliche Arbeit mehr als finanzielle Sicherung der Existenz.

Mit dem Umfang der beruflichen Verantwortungsübernahme steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Beruf zur wichtigsten Dimension der Identität wird. Wenn diese Väter dann trotz Vollzeiterwerbstätigkeit gemeinsam mit der Partnerin Verantwortung tragen wollen, muss dies nebenher geleistet werden. Die daraus entstehenden Konflikte werden von den Männern eher verheimlicht. Das hat mit der gesellschaftlichen Akzeptanz der Doppelbelastung und der hauptsächlichen Würdigung der Vereinbarkeitsproblematik der Frauen [1] und der fehlenden Anerkennung der Leistungen der Männer zu tun. Das Verheimlichen passt zu den widersprüchlichen Aussagen der Väter aus der Tarzan-Studie, die sich mehrheitlich mit ihrer Lebens- und Berufssituation im Allgemeinen zufrieden zeigen, sich jedoch unter Dauerstrom befinden.

„Um alles in den Griff zu kriegen, agieren sie als familiäre Terminpartner und Logistikfachleute. Und eigentlich, so sagen sie, klappt alles nicht schlecht, wenn nur das Kind nicht schon wieder Fieber hätte, die Partnerin die superwichtigen Abendtermine nicht wahrnehmen würde oder wenn der Babysitter nicht schon wieder krank wäre“.[1]

Väter ticken anders als Mütter

Väter unter Druck 3- Foto iStock © Marjan ApostolovicDie Belastungen der in der Familie engagierten Väter haben sich nicht geändert, denn auch frühere Untersuchungen zeigen die gleichen Konfliktbereiche in der partnerschaftlichen Familie über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren. Hier haben die Männer ebenfalls beklagt, zu wenig Freizeit zu haben, dass die an sie gestellten Erwartungen zu hoch seien, die Verteilung der Haushaltsarbeit als schwierig empfunden wird und sie die vermeintlichen Probleme mit den Kindern gelassener sehen.[4]

Wenn diese Väter schon andere Vorbilder in der Vaterrolle hatten, woran liegt es dann, dass die Problembereiche über drei Jahrzehnte gleichgeblieben sind? Es scheinen nicht nur die Belastungen durch die Veränderungen im Leben von Männern und Frauen durch ein Kind zu sein, auch wenn diese je nach Vorgeschichte der Partner zu krisenhaften Verläufen führen können. Denn zu den akzeptierten Einschränkungen durch das Kind mit dem ständigen Bereitschaftsdienst, der seltenen Entspannung und dem Ungeübtsein in der neuen Aufgabe kommen die Belastungen durch geschlechtsspezifische unterschiedliche Wahrnehmungen hinzu.

Diese verstärken die Konflikte. Unter Belastungen schwindet die Toleranz für das störende Verhalten des anderen und die Erwartungen an den anderen auf Unterstützung werden erhöht.

Das Verhalten der Beteiligten ändert sich. Sie haben weniger Geduld miteinander, zeigen erhöhte Empfindlichkeit und Gereiztheit. Diese Krise des Übergangs zur Elternschaft wird verstärkt durch die unterschiedlichen Fähigkeiten von Männern und Frauen, mit den Belastungen umzugehen.[4]

Die Ideologisierung der Gesellschaft führt dazu, dass Unterschiede im Denken und Wahrnehmen bei Männern und Frauen negiert und eher das Verhalten der Frauen als Richtschnur genommen wird. Zumindest führt das zu den hohen Ansprüchen der Mütter an die Unterstützung durch die Väter. Die durch den Feminismus völlig zurückgedrängte Sichtweise, dass Männer und Frauen entsprechend ihrer vorgeburtlichen Hormonausstattung unterschiedliche Wahrnehmungs- und Denkweisen haben, enthält eine Menge Erklärungspotential für viele Konflikte im Alltag. Da auch die Qualität der Vater-Kind-Beziehung von der Qualität der Partnerbeziehung beeinflusst wird [1], gibt es genügend Gründe, diese aus den geschlechtsspezifischen Unterschieden resultierenden Konflikte näher zu beleuchten.

von Erika Butzmann

Literaturverzeichnis

[1] Stamm, M.: Neue Väter brauchen neue Mütter. Warum Familie nur gemeinsam gelingen kann, München: Piper, 2018, S. 109 f., S. 119-121, S. 123, S. 131, S. 148-149, S. 164, S. 237, S. 249.

[2] Butzmann, E.: Sozial-kognitive Entwicklung und Erziehung, Gießen: Psychosozial-Verlag, 2020, S. 144, S. 147.

[3] Cramerotti-Landgraf, S.: Wohin mit der Mütterlichkeit? Das Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Forderungen, den kindlichen Bedürfnissen und den Wünschen der Frau, Berlin: Logos, 2020, S. 91.

[4] Butzmann, E.: Elternkompetenzen stärken. Bausteine für Elternkurse, München: Reinhardt, 2011, S. 17-18.

Ein Beitrag aus unserer Praxis-Rubrik:

FamilieLeben – besser verstehen


Sind Eltern zufrieden und glücklich entwickeln sich ihre Kinder zu kleinen Persönlichkeiten mit einer großen Portion gesundem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Doch was brauchen Familien, damit Spannungen und Konflikte gar nicht erst aufkommen und wie gestalten sie ihre Beziehung und erhalten sie aufrecht? Was wäre nötig, damit Väter selbstbewusst die Vaterrolle annehmen, die Verteilung der Familienarbeit gerecht aufgeteilt ist und die Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Kindererziehung nicht ständig Thema sind. Kann Familie gelingen, wenn das geschlechtsspezifische Denken, Wahrnehmen und Verhalten im täglichen Umgang miteinander berücksichtigt wird?