Frühe Trennungen - Foto iStock © Teerasak1988Wie jedes Jahr um diese Zeit werde ich immer wieder um Rat gefragt, was man denn tun kann, damit das Kind lernt, sich von zu Hause abzulösen und sich im Kindergarten oder in der Schule zurechtzufinden.

Und jedes Jahr wieder bekomme ich Bauchweh bei der Vorstellung zum einen, dass sich Kindergarten- und Schulkinder zu Hause ablösen sollten, um sich in der Schule zurechtzufinden. Und zum anderen, dass sie das lernen könnten oder sollten.

 Trennungsangst im Kindesalter ist entwicklungsbedingt und braucht Zeit, um zu reifen.

Auch ich hatte ein Kind, dass sich sogenannt „schlecht ablösen“ konnte. Schon ganz früh konnte ich meine Tochter nur den nächsten Bezugspersonen zur Betreuung abgeben. Selbstverständlich bekam ich eine Menge mehr oder weniger schlaue Tipps und Meinungen zu hören. Von „Sie tyrannisiert dich doch bloß.“ bis zu „Hast vielleicht DU ein Problem mit dem Loslassen?“ war alles dabei.

Irgendetwas in mir sagte, „lass dem Kind Zeit“ und da es nicht mein erstes Kind war, hatte ich mir, was Tipps und Meinungen von anderen anbelangt, schon eine dicke Haut zugelegt. Und so ließ ich dem Kind seine Zeit.

Als sie mit knapp 5 Jahren in den Kindergarten kam, haben wir uns überlegt, was ihr helfen könnte, um die Trennung auszuhalten. Sie entschied sich, dass ihr I-Aah (der blaue Esel aus Winnie the Pooh) mitkommen müsste. So kam es, dass sie sich, den Esel unter dem Arm, am ersten Kindergartentag von mir verabschiedete. Der Esel kam in den Genuss von weiteren Besuchen im Kindergarten, bis sie eines Tages entschied, dass er zu groß dafür sei. Sie nehme nun einen kleinen Bären mit. Aus dem kleinen Bären wurde ein noch kleineres Schäfchen, dass sogar in die Hosentasche passte. Und so wurde innert einiger Wochen aus dem Kind, dass sich „kaum lösen konnte“ ein Kind, das frisch und fröhlich den Kindergarten besuchte.

Heute weiß ich, dass es bei dieser Sache überhaupt nicht um das „Ablösen“ geht. Ganz im Gegenteil,

unsere Kinder müssen tiefere Bindungswurzeln entwickeln können, um an uns festhalten zu können, auch bei physischer Trennung. Und wie das so bei Wurzeln ist, diese kann man sich weder aneignen noch lernen, sie müssen wachsen! Und Wachstum braucht Zeit und gute Bedingungen.

Wie diese guten Bedingungen aussehen und wie wir unseren Kindern in Bezug auf Trennung sonst noch helfen können, werden wir in den nächsten Wochen anschauen. Sind sie dabei?

Ihre Angela Indermaur

Ein Beitrag aus unserer Kolumne:

Menschen(s)kinder


Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In einer regelmäßig erscheinenden 14-tägigen Kolumne geht unsere Kolumnistin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?