Wie Beziehungsmomente wirken - iStock © gaiamoments„Ich möchte unbedingt auf diesen Berg, dort ist es wunderschön“, das sagte ich am Anfang unserer Herbstferien im „Bündnerland“ zu meinem Mann. Meine Erinnerungen an jenen Berg und die damit verbundene Wanderung sind gut 30 Jahre alt und sie täuschten mich überhaupt nicht. An einer bestimmten Stelle war ich sogar überrascht festzustellen, dass mein inneres Bild haargenau mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Und nein, es gibt keine Fotos von damals in meinem Fotoalbum.😉

Wenn man bedenkt, was in den letzten dreißig Jahren alles passiert ist und was mein Gehirn alles lernen und speichern musste, finde ich es echt erstaunlich und faszinierend, dass solche „irrelevanten“ Dinge noch immer abrufbar sind. Irrelevant, weil damit keine wichtige Fähigkeit oder überlebenswichtige Information verbunden ist. Es ist einfach nur eine schöne Erinnerung.

Warum es keine „einfachen“ Erinnerungen gibt

Und ich glaube, das ist der springende Punkt: Es ist eben nicht „einfach nur“ eine schöne Erinnerung. Nebst der wunderbaren Landschaft sind noch andere Dinge abgespeichert, welche wahrscheinlich für mein damaliges „Teenie-Gehirn“ wirklich relevant waren: Ich war (als Nachzüglerin) mit meinen Eltern allein in den Ferien und an jenem Tag hatten wir Besuch von einem Paar, welches ich sehr mochte. Auf der ganzen Wanderung hatten wir tolle Gespräche und ich fühlte mich gesehen, an- und ernst genommen, geliebt. Ich spürte das echte Interesse der Erwachsenen an mir und „meiner Welt“ und umgekehrt ließen sie mich teilhaben an „ihrer Welt“ und an ihren Themen.

Abgespeichert als emotionales Paket

All diese Eindrücke und Emotionen wurden in meinem Langzeitgedächtnis als Paket abgespeichert. Und so verbinde ich auch heute, über 30 Jahre später, den Namen dieses Berges mit dieser wunderschönen Erfahrung auf allen Ebenen von damals.

Während des diesjährigen Wanderns hatte ich Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, wo unsere Kinder heutzutage solche Erfahrungen sammeln könnten.

Wo gab/gibt es diese echten Beziehungsmomente, wo ein Kind sich geliebt, gesehen, angenommen und als „Teil eines Ganzen“ erlebt?

Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass genau das unsere Kinder immer wieder brauchen, ganz egal wie alt sie sind.

Die Chance der flüchtigen Beziehungsmomente

Solche Momente passieren manchmal einfach. Doch in unserer schnelllebigen Zeit müssen wir wahrscheinlich mehr denn je darauf achten, dass sie auch wirklich passieren. Und wir sollten solche Zeiten nutzen und sie schützen.

Beziehung kann natürlich nicht nur beim Wandern gepflegt und vertieft werden, obwohl Wandern aus meiner Sicht schon sehr geeignet dafür ist.😊

Ich bin meinen Eltern von Herzen dankbar, die solche Gelegenheiten geschaffen und genutzt haben und mir damit die Möglichkeit gaben, so manches „Erinnerungspaket“ abzuspeichern. Doch selbst, wenn die eigene Kindheit ganz anders war, haben wir als Mama oder Papa die Möglichkeit, es bei den eigenen Kindern anders zu machen! Jetzt können wir selbst solche Beziehungsmomente schaffen und sie natürlich auch gleich für uns abspeichern. Für neue Erinnerungen ist es zum Glück nie zu spät!

Just do it! Ihre Angela Indermaur

Ein Beitrag aus unserer Kolumne:

Menschen(s)kinder


Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In unserer Kolumne geht die zert. Neufeld-Kursleiterin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?