Stressalarm - Foto © Fotolia„Kinder passen sich gut und schnell an, wenn sie es positiv vorgelebt bekommen. Sind die Eltern negativ eingestellt oder gestresst, stresst das auch die Kinder. Ich denke nicht, dass es eine Frage der Kinder ist, eher die Reflektion von uns Erwachsenen.“

Diese Antwort auf die Frage, wie es den Schweizer Schulkindern gehe, las ich vor einiger Zeit im Internet. Eine gute Antwort, die bestimmt in großen Teilen so zutrifft. Nur zieht sie für mich unverzüglich die Frage nach sich, was denn mit den Kindern passiert, wenn die Eltern negativ eingestellt oder gestresst sind und sie dies auch nicht auf Knopfdruck ändern können. Ob das wegen der Coronakrise ist oder ob gerade etwas anderes Belastendes im Raum steht, ist zweitrangig.

Stressalarm beim Zappelphilipp

Manchmal fragen wir uns, warum unser Kind so „hibbelig“ oder „zappelig“ ist, warum es sich kaum auf etwas konzentrieren kann. Die Kinder können die Frage danach meist nicht beantworten und so stehen wir vor einem Rätsel.

Könnte es sein, dass diese beschriebenen Verhaltensweisen und natürlich noch andere mehr, Ausdruck von zugrunde liegendem Alarm sind? Könnte es sein, dass Kinder unseren Stress, unsere Ängste und Nöte spüren und sie dies alarmiert, d. h. eben in diesen „hibbeligen“ Zustand versetzt? Anders ausgedrückt, dass sie die Bedrohung wahrnehmen, spüren „etwas stimmt nicht“, aber die Worte dafür fehlen?

Meine Erfahrung mit Kindern sagt mir, dass es genauso ist.

Der Entwicklungspsychologe und Bindungsforscher Gordon Neufeld sagt:
„Was wir sehen, bestimmt was wir tun.“
Darum ist es so wichtig, dass wir diesen Zusammenhang sehen. Denn dies wird unser Tun bestimmen.

In der gegenwärtigen Krise, aber auch in anderen schwierigen Situationen heißt das für mich, dass ich gut zu mir selbst schauen muss. Dass ich selbst einen Ort für meine Ängste und Nöte habe, dass ich das, was mich stresst ausdrücken und ausgleichen kann. Nur so kann ich für meine Kinder ein sicherer Ort sein. Das heißt nicht, dass ich alle Ängste und Sorgen vor ihnen verbergen muss. Nein, ich kann, je nach Alter der Kinder natürlich, darüber sprechen. Es macht sogar Sinn, dem, was die Kinder ohnehin spüren, auch Worte zu geben. Aber es ist gut, wenn ich dabei eine Zuversicht und Gelassenheit ausstrahle. Es ist gut, wenn die Kinder spüren, dass es zwar gerade nicht einfach ist, aber die Mama und der Papa, die packen das. Und damit ich diese Haltung ausstrahlen kann, muss ich gut für mich selbst sorgen.

Und weil Bindung, also das Herstellen und Bewahren von Nähe, das wichtigste Bedürfnis unserer Kinder ist, brauchen sie immer wieder die Botschaft, dass sie von uns und unserer Liebe nichts trennen kann.

Ihre Angela Indermaur

Ein Beitrag aus unserer Kolumne:

Menschen(s)kinder


Uns beschäftigen aktuell öffentlich diskutierte Themen rund um den Erziehungsalltag genauso wie das gesunde Aufwachsen der Kinder und die notwendigen Bedingungen für die optimale Entwicklung ihrer je besonderen Persönlichkeit. In einer regelmäßig erscheinenden 14-tägigen Kolumne geht unsere Kolumnistin Angela Indermaur Fragen zur kindlichen Entwicklung, des Aufwachsens und Lernens nach. Was brauchen Kinder wirklich? Wo bleibt der Freiraum für spontanes Lernen und Selbsterkundung? Müssen Kinder ständig umsorgt, angeleitet und gefordert werden? Schadet Fürsorglichkeit und Geborgenheit unseren älteren Kindern? Welche Aufgabe haben heute Eltern? Wie gelingt der Aufbau einer intensiven Eltern-Kind-Bindung? Gibt man sein Frausein mit dem Muttersein auf und was ist mit den Vätern?