Kind spielt © fuerkinder„Die Puppe folgt meiner Laune, meiner Eingebung, meiner Begeisterung, all ihre Bewegungen entspringen den Gedanken, die mir einfallen, und den Worten, die ich ihr in den Mund lege … sie ist ICH, mit einem Wort: Sie ist ein Wesen, keine Puppe“, George Sand.

In der momentanen Diskussion über „Frühförderung“ geht es in erster Linie um intellektuelle Förderung. Dabei wird vernachlässigt, dass wir den ganzen Menschen zu erziehen haben, nicht nur seinen Kopf, sondern auch Herz und Hand. Das Ziel ist nicht nur der intelligente Mensch, sondern auch der mitfühlende, der sozialkompetente, einer, der seine eigene Gefühlswelt versteht und sich auch in den anderen hineinversetzen kann. Einer, der der Welt seine Fantasie und Kreativität zur Verfügung stellen und diese zu ihrem Besseren verändern kann. Dazu dient dem Kind in hohem Maße das Spiel mit der Puppe.

Die Puppe als Symbol

Die Puppe in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen ist mit Sicherheit das älteste und bedeutendste Spielzeug. Kulturell gesehen existiert die Puppe seit Jahrtausenden, erstmals hatte sie rein symbolische Bedeutung, ihre Funktion als Spielzeug für Kinder wurde erst sehr viel später gesehen. Die ersten Puppen wurden in Gräbern aus der Zeit um 3000 bis 2000 v.Chr. gefunden. Sie waren Abbildungen von Bediensteten, die die Verstorbenen im Jenseits betreuen sollten.

Kind spielt mit archaischer Puppe - Foto picture alliance © ArtcolorBei allen archaisch lebenden Völkern finden wir Puppen als vereinfachte Darstellungen des menschlichen Körpers, wo sie – wie auch Masken – kultischen Zwecken dienen. Immer sind es sehr rudimentär gestaltete Wesen, aus Stroh, Holz, Lehm oder Lappen. Die Gesichter bestehen meist nur aus angedeuteten Augen, manchmal findet man eine Andeutung des Mundes. Wegen des vergänglichen Materials lässt sich schwer ausmachen, ab wann die Puppe für Kinder Bedeutung gewonnen hat. In Gräbern aus der Römerzeit fand man Puppen aus Alabaster für die Kinder der Reichen, kommerziell hergestellt wurden sie jedoch seit dem 15. Jahrhundert. Bis ins 18. Jahrhundert waren die Puppen Darstellungen von Erwachsenen, erst 1710 kam die erste Babypuppe auf den Markt.

Die Bedeutung, die die Puppe in archaischen Kulturen hatte und noch hat, ist vielfältig. Ob die Puppe in ihrer symbolhaften Anwendung Fruchtbarkeit erzeugen oder als „Heilpuppe“ Krankheiten auf sich nehmen soll, ob sie die Ernte begünstigen soll oder als Fetisch gebraucht wird, immer erlangt sie eine Bedeutungsebene, die über das Materielle hinausweist. Die Puppe wird zur Metapher für eine geistige Instanz einerseits, im Ritual und im Spiel andererseits wird sie zum Stellvertreter eines Menschen oder Menschentypus, für etwas eigenständig Lebendiges. Dann ist die Puppe gemeint als künstlerisch gestaltetes Symbol des Menschen selbst.

Puppe und Puppenspieler

Ungenutzt entbehrt sie jeglicher Funktion, als unanimiertes Objekt ist sie nichts weiter als ein Bündel Stoff, verlebendigt wird sie allein durch den Spieler. Dann aber eröffnen sich neue Wirklichkeitsräume. Das kann jeder feststellen, der schon einmal einem guten Puppenspieler bei der Arbeit zugesehen hat. Realität und Fiktion heben sich im Spiel auf.

Derjenige, der Puppen schafft, wird zum „Schöpfer“. „Er spielt Schöpfung, wiederholt seine eigene Erschaffung. In immer wieder neuen Variationen der Gestaltung versucht der Mensch letztlich immer nur, sich selbst zu finden. Seine Selbsterkenntnis wird möglich durch Verdinglichung [Haun, H.D., 1993].“ Das verlangt vom Schaffenden, dass er in der Lage ist, bereits eine Distanz zu sich selbst herstellen zu können. Er muss die Möglichkeit gewonnen haben, symbolisieren zu können.

Die Puppe ist nichts ohne den Spieler, sie zwingt uns, sie zu verlebendigen, sonst bleibt sie funktionslos. Marionetten, die an der Wand hängen und zur Dekoration verkommen, Puppen, die das Sofa zieren, werden ihrer eigentlichen Bestimmung beraubt. Deshalb ist ihr Anblick so trostlos.

Die Puppe ist ein Ding. Sie kann beseelt werden, geliebt, aber auch zerstückelt, weggeworfen, missachtet werden, sie kann der einzige Trost sein und ihr Verschwinden als großer, traumatischer Verlust erlebt werden. Die Puppe ist der Willkür ihres Besitzers ausgeliefert, der Transfer vom Ding zum beseelten Begleiter der Kindheit ist nur durch die Fantasie des Kindes möglich. So wie die Puppe eines Tages auftaucht und Bedeutung gewinnt, wird sie irgendwann vergessen, achtlos weggeworfen, wenn sie ihre Bestimmung erfüllt hat.

Die Puppe im kindlichen Spiel

Durch das Spiel mit der Puppe eignet sich das kleine Kind Welt an. Dadurch löst sich das Kind aus der Verbundenheit mit der ihn umgebenden Welt heraus, entdeckt das Andere.

„Die Puppe ist das Objekt, das vom Allgemeinen zum Besonderen, vom Eigenen zum Fremden, vom Ich zum Du vermittelt, das Verbindung und Abgrenzung in einem ermöglicht und damit in den komplexen Prozessen der Identitätsbildung eine kardinale Stellung einnimmt. Die Puppe wird zur Extension des Leibes, dem sie in geheimnisvoller Weise verbunden ist [Petzold, H. 1983, S. 23].“

Das erste Spielzeug des Kindes in oben genanntem Sinne wird in der Psychoanalyse „Übergangsobjekt“ [Winnicott[ genannt. Das kann sowohl ein Bettzipfel sein, wie auch der erste Teddy oder ein Schmusetuch. Das Übergangsobjekt ist ein Symbol für die mütterliche Anwesenheit, auch wenn die Mutter nicht da ist. Es gewährt dem Kind Sicherheit, weil es die Illusion hervorruft, Teil des eigenen Selbst und gleichzeitig Teil der Bezugsperson zu sein. Das gilt auch, wenn Mutter oder Vater schon als Nicht- Selbst erlebt werden. In diesem „intermediären Raum“ zwischen Realität und Fiktion ist letztlich das ganze Spiel des Kindes angesiedelt.

Das spielende Kleinkind kann sehr wohl zwischen Fantasie und Realität unterscheiden, das kommt schon in der Einleitung zum Spiel: „Ich wär ́jetzt mal die Mama“ zum Ausdruck, allerdings hat für das Kind Fantasie und Realität das gleiche Gewicht.

Die Puppe als Spiegelbild

Die Puppe ist ein Spiegelbild des Kindes. Die Puppe erleidet und durchlebt alles, was das Kind beschäftigt. Mit seiner Hilfe kann es seine Wirklichkeit bewältigen und Ich-Identität entwickeln. Im Spiel rekonstruiert das Kind seine Wirklichkeit oder antizipiert sie. Es ist noch nicht in der Lage wie der Erwachsene seine Erlebnisse zu reflektieren oder sie denkerisch vorwegzunehmen, aber es kann sie sich vorstellen im wahrsten Sinn des Wortes (vor sich hin stellen), indem es sie im Spiel aus einer gewissen Distanz betrachtet und sie damit in seinem Gedächtnis verankert. So kann es später wieder auf die gemachte Erfahrung zurückgreifen und ist der Situation dann besser gewachsen. Das Kind kann nicht sagen, warum es spielt, wie es spielt, insofern ist das Spiel des Kindes eher ein Akt des Vorfühlens oder Nachfühlens als einer des Denkens. Es bringt so in die auf es einflutenden Erlebnisse Ordnung und Struktur.

Das kleine Kind lebt noch ganz in der Nachahmung dessen, was der Erwachsene tut. Nachhandelnd versteht er dessen Tätigkeit; nimmt es Anteil an der Versorgung durch Vater oder Mutter. Nachahmend wird es beispielsweise kochen, seine Puppe füttern und schlafen legen. So eignet es sich spielerisch nicht nur ein Wissen über Kinderpflege an, sondern vor allem erübt es Qualitäten wie Fürsorge und Verantwortung. Indem es die Seelenqualitäten des Erwachsenen bei seiner Tätigkeit wahrnimmt und imitiert, erübt es Empathie.

Die Puppe zum Liebhaben

Kind spielt mit Puppe zum Liebhaben - Foto © Gabriele PohlDas Puppenkind, mit einem Namen versehen, geliebt und bemuttert, spielt vielleicht die allerwichtigste Rolle im Leben des Kindes. Es trägt ein Stück Seele des Kindes in sich. Auch wenn es so sehr geliebt wird, dass für den Außenstehenden kaum mehr als ein Lumpenbündel zu erkennen ist, kann es doch für Kinder einen ungeheuren Schmerz bedeuten, wenn das geliebte Puppenkind gegen eine „schöne“ Puppe ausgetauscht wird. Hier geht es weniger darum, dass diese Puppe einen Wert für einen anderen hat, sie ist kein Statussymbol. Dazu eignen sich viel eher Puppen der Sorte „Barbie“, die man nicht liebt als „Individualität“, sondern besitzen will und die mit möglichst vielen Kleidern und Attributen versehen sein soll.

Die hier beschriebenen Puppen werden sozusagen um ihrer selbst willen geliebt, so wie es sich das Kind auch für sich selber wünscht. Diese Puppen sind Kinder, sie repräsentieren nichts, was das Kind noch nicht hat oder kann, sondern stehen als Alter Ego des Kindes dafür, was das Kind in seinem Innersten bewegt. Plüschtiere erfüllen in diesem Sinne oft die gleiche Funktion, vor allem bei Jungen. Hier sind sie häufig Bettgenossen, Tröster und ebenso Spiegelbild des Kindes. Dennoch halte ich es für wesentlich, dass Jungen mit Puppen spielen, schließlich werden sie später ja auch nicht Väter von Schlappohrhasen und Zottelbären.

Die Puppe als Bild des Erwachsenseins

Später, im sozio-dramatischen Spiel , übernimmt das Kind verschiedene Rollen, einmal wird es die Krankenschwester sein, die ihren „Patienten“ versorgt, ein anderes Mal muss die Puppe der Schüler sein, der vor seinem mehr oder weniger strengen Lehrer zu bestehen hat. Zur Findung seines Selbstkonzeptes, bewegt das Kind jetzt immer wieder unbewusst die Fragen: wer bin ich?, worin unterscheide ich mich von anderen?, wer will ich einmal sein? Die Übernahme von Erwachsenenrollen wie Vater und Mutter werden erprobt ebenso wie die verschiedener Funktionsträger. Da werden Puppen vom „Gastwirt“ versorgt, Puppen von der „Friseurin“ gekämmt und der „Zoowärter“ versorgt seine Plüschmenagerie.

Damit ändert sich auch die Rolle der Puppe. Sie hat jetzt eine andere Funktion als die Babypuppe, zu der man spricht, jetzt sind es zunehmend Puppen, die Abbilder des Erwachsenen sind, d.h. es sind Puppen für die man spricht. Das Kind ist jetzt eher Regisseur als unmittelbarer Mitspieler.

Das berühmteste Beispiel für diese Art von Puppen ist sicher die Barbiepuppe. Sie ist die Vorwegnahme der Erwachsenenrolle, die das Kind (in diesem Falle sind es Mädchen) ausprobieren will, als der Inbegriff des Weiblichen. Hier spielt die Fantasie des Kindes eine sehr untergeordnete Rolle, dieser Puppe werden keine Eigenschaften gegeben, Barbie ist festgelegt. Sie ist Symbolfigur des Konsums und ihr Spiel schöpft vor allem daraus, dass das Kind möglichst viele Konsumgüter für seine Barbie besitzt.

Das gleiche gilt für Puppen, die für Jungen gedacht sind. Ob es nun Power Rangers sind oder andere Helden, sie sind eindeutige Symbole des starken, erwachsenen Mannes, auch sie sind Prestigeobjekte, bei denen die Fantasie wenig zu ergänzen hat. Auch sie sind Konsumartikel, die mit vielfältigen Requisiten ausgestattet sein müssen.

Es ist für Kinder in einem bestimmten Lebensalter wichtig, sich mit omnipotenten Helden identifizieren zu können oder mit dem Weiblichen mit all seinen erotischen Attributen. Eben so wie sie ihnen zumindest in den Medien oft genug vorgeführt werden. Problematisch an diesen Puppen ist in meinen Augen (mal abgesehen davon, dass sie ein sehr einseitiges Frauen- und Männerbild abgeben), dass sie wenig Kreativität erlauben, die Spielmöglichkeiten daher im Wesentlichen auf dem Ausstellen von Konsumgütern beschränkt bleibt.

Welche Puppe für welches Alter?

Kind spielt mit Liebhabtuch - Foto © Gabriele PohlPrinzipiell gilt: je kleiner das Kind, desto einfacher kann und soll die Puppe sein. Je weniger festgelegt die Puppe ist, desto mehr braucht das Kind Fantasiekräfte, um zu ergänzen, was nur angedeutet ist; je weniger Gesichtsausdruck vorgegeben ist, desto mehr Gefühlsqualitäten kann das Kind in seine Puppe hineinlegen. Puppen, die alles können, auf Knopfdruck weinen, lachen, sprechen, in die Hosen machen, Kusshändchen werfen oder was sich die Spielwarenindustrie noch so alles einfallen lässt, lassen für die Fantasie des Kindes keinen Raum.

Reicht es für das Zweijährige noch aus, wenn die Puppe nur zwei Punkte im Gesicht hat, um die Augen anzudeuten, die Gliedmaßen noch ungestaltet sind, so verlangt das größere Kind schon mehr Details. Perfekt soll die Puppe aber auch dann nicht sein. Auf jeden Fall gilt für jedes Kind: eine Puppe eigens individuell für das Kind angefertigt, bedeutet für ein Kind mehr und regt eher zum Spielen an wie das Arsenal an perfekter Massenware, wie man es leider in den meisten Kinderzimmern vorfindet.

Warum müssen Kinder spielen?

Das Spiel ist die Quelle von Selbstwirksamkeitserfahrungen. Über das Spiel kann das Kind seine Gefühlswelt ordnen, es kann gemachte Erfahrungen integrieren und zukünftige Ereignisse antizipieren. Erlebt man bereits beim kleinen Kind, dass es nicht spielen kann, muss das als mögliches Symptom einer Verhaltensstörung gewertet werden.

„Angesichts der offenkundigen Zunahme von Sprachentwicklungsstörungen, Aufmerksamkeitsdefiziten, Lernstörungen und Hyperaktivität ist es dringlich, das gleichermaßen zunehmende frühkindliche Syndrom der Spielunlust mit seinen möglichen Auswirkungen auf die Entwicklung von Lernmotivation, Aufmerksamkeitsregulation, Handlungsplanung und symbolischer und sprachlicher Integration ernst zu nehmen [Papousek, 2003, S. 39].“

Neben allen anderen Fähigkeiten, die sich die Kinder durch das Spielen aneignen, soll hier im Zusammenhang mit dem Puppenspiel vor allem der Aspekt der Lebensbewältigung im Vordergrund stehen. Gerade heute, in einer Welt, die für Kinder immer undurchschaubarer wird, wo vielfältigste Sinneseindrücke auf sie einfluten, müssen sie ihre Welt strukturieren und ihr Sinn geben. Bruno Bettelheim wies schon vor 20 Jahren in seinem Buch „Ein Leben für Kinder“ darauf hin, dass Kinder ihre entmutigenden Erfahrungen, in einer Welt zu leben, die sie nicht bewältigen können, dadurch überwinden, dass sie sich im Spiel eine verständlichere Welt schaffen, die sie begreifen können.

Zur Ausbildung von Gefühlskultur, durch die das Kind seine eigenen Gefühle verstehen und differenzieren kann und auch die seiner Mitmenschen, nutzt das Kind vor allem das Rollenspiel. Hat es Mitspieler, entsteht daraus ein gemeinsames Spiel, je weniger ein Kind die Möglichkeit dazu hat, desto mehr ist es auf Puppen als Gegenüber angewiesen. Durch jedes Rollenspiel – sei es mit anderen Kindern, sei es mit Puppen – erweitert das Kind seine Möglichkeit an Empathiefähigkeit.

Wie kann eine Beziehung zur Puppe geschaffen werden?

Kind spielt mit Fundevogel - Foto © Gabriele PohlErziehung erfolgt in erster Linie durch das Vorbild des Erwachsenen. Am deutlichsten wird das, in Bezug auf das Spiel mit Puppen da, wo kleine Geschwister in der Familie aufwachsen. Das kleine Kind lebt ganz in der Nachahmung. Erlebt das Kind die Fürsorge der Eltern, darf es beim Füttern, Wickeln, Baden dabei sein und mittun, wird es die liebevolle Haltung der Eltern dem kleinen Geschwisterkind gegenüber im Spiel mit der Puppe nachahmen.

Viele Eltern bereiten ihr Kind auf das kommende Ereignis vor, indem sie ihm gerade zur Zeit der Geburt des Geschwisterkindes eine Babypuppe schenken, damit es all das, was ihm Eindruck macht im Umgang mit dem Neugeborenen, mit vollziehen kann. Dabei ist es jedoch von ganz erheblichem Gewicht, wie sich Vater und Mutter beim Spiel des Kindes mit der Puppe verhalten. Findet das „Kind“ des Kindes Beachtung, wird die Puppenmutter, der Puppenvater mit seiner Sorge um das Puppenkind ernst genommen oder behandeln die Eltern die Puppe wie einen x-beliebigen Gegenstand, der am Abend in die gleiche Kiste wie die Bauklötze geworfen wird – entsprechend dem Verhalten der Erwachsenen wird die Wertigkeit der Puppe für das Kind selbst sein. (Das gilt natürlich für jeden beliebigen Gegenstand, den das Kind beseelt hat).

Da viele Kinder heute gar nicht mehr die Möglichkeit haben, ein kleines Kind in der eigenen Familie oder seiner unmittelbaren Umgebung zu erleben, wird es umso wichtiger, dass in den Krippen und Kindergärten dieser Tatsache Rechnung getragen wird. Man muss dafür sorgen, dass die Kinder ein Verhältnis zur Puppe gewinnen, weil sie über die Puppe – wie schon oben ausgeführt – Erfahrungen machen und Gefühle zum Ausdruck bringen können, wie es mit keinem anderen Spielzeug möglich ist.

Gibt es eine Puppenecke, in der die Puppen versorgt und gebettet werden können, regt man das Spiel der Kinder an („Haben denn die Puppen heute morgen schon gefrühstückt?“, „Ich meine, ich hätte in der Puppenecke jemand weinen gehört. Wer könnte das sein? Willst du mal nachschauen?“) und fühlen sich die Kinder in ihrem Spiel ernst genommen, erleben sie andererseits, dass auch die Erzieherin die Puppen nicht einfach wegräumt, sondern sie ebenfalls liebevoll in die Puppenbettchen legt, werden sie gerne in das Spiel mit den Puppen einsteigen, das für sie von so großer Bedeutung sein kann.

Wichtig ist aber gleichfalls, dass der Erwachsene nicht moralisierend in das Puppenspiel eingreift, sondern mit Interesse Anteil nimmt an dem Spiel, das sich mit den Puppen entwickelt. Das braucht Feingefühl von Seiten des Erziehenden, er muss erspüren, in welchen Situationen die Kinder bei ihrem Spiel unter sich bleiben können müssen und wann sie Hilfe brauchen im Sinne eines neuen Spielimpulses oder eines interessierten Kommentares.

Immer wird das Spiel dem aufmerksamen Erwachsenen Hinweise auf die Befindlichkeit des spielenden Kindes geben können. Er kann erfahren, was das Kind gerade beschäftigt, was ihm Sorge macht, was es gefühlsmäßig zu bewältigen hat. Er bekommt durch genaues Hinschauen Hinweise auf die emotionale Reife des Kindes ebenso wie auf seine Sozialkompetenz.

Vor allem aber kann er am innigen Spiel, das sich mit der Puppe entwickelt, die tiefe Bedeutung der Puppe für das Kind erfahren.

von Gabriele Pohl